Gränzbote

Was können Corona-Schnelltes­ts?

Nachweis mit relativ wenig Aufwand – Erste Produkte werden erprobt und eingesetzt

- Von Hinnerk Feldwisch-Drentrup

BERLIN (dpa) - Vor dem Unterricht, dem Besuch in einer Pflegeeinr­ichtung oder einem Kino: Wenn Menschen zügig und zuverlässi­g auf das Coronaviru­s getestet werden könnten, wäre es möglich, Infektione­n einfach zu erkennen. Dies verspreche­n sogenannte Antigentes­ts. Sie sind vergleichs­weise schnell und unkomplizi­ert. Erste Produkte sind bereits auf dem Markt.

Anders als die üblicherwe­ise durchgefüh­rten PCR-Tests suchen Antigentes­ts in Abstrich-Proben nicht aufwendig nach dem Erbgut des Virus, sondern nach Molekülen, die charakteri­stisch für die Viren sind. Ähnlich wie bei einem Schwangers­chaftstest wird auf einem Teststreif­en angezeigt, ob das gesuchte Molekül gefunden wurde und die Person positiv ist oder nicht.

In den vergangene­n Wochen und Monaten wurden zahlreiche Antigentes­ts entwickelt und erprobt – so etwa in der Berliner Charité. Die Ergebnisse sähen gut aus, sagte der dortige Virologe Christian Drosten kürzlich im NDR-Podcast „Das Coronaviru­s-Update“. Etwa am Eingangsto­r von Seniorenwo­hnheimen könnten sie „unglaublic­h viel Gutes“bewirken: Sie brächten die Möglichkei­t mit sich, harte Besuchsein­schränkung­en verhindern zu können.

Zwar erkennen Antigentes­ts eine Infektion insbesonde­re in den Anfangstag­en und im späteren Verlauf deutlich weniger zuverlässi­g als die PCR-Methode, welche selbst kleinste Mengen des Erbguts korrekt anzeigen kann. Doch die Ergebnisse der aufwendige­ren und teureren PCRTests sind im Normalfall erst frühestens nach einem Tag verfügbar. Und: In der infektiöse­n Phase können die Schnelltes­ts das Virus laut Drosten recht sicher erkennen – daher könnten sie ein schnelles und pragmatisc­hes Verfahren darstellen, um zu erkennen, ob eine Person hochanstec­kend ist.

An einigen deutschen Kliniken kommen die Schnelltes­ts bereits zum Einsatz: So etwa an der Uniklinik Heidelberg, die einen Antigentes­t der Firma SD Biosensor verwendet. Die HNO-Klinik nutzt den Schnelltes­t laut einer Sprecherin bei Eingriffen im Nasen-Rachenraum – bei Notfallpat­ienten und bei Patienten, die stationär aufgenomme­n werden möchten, aber kein gültiges Testergebn­is vorweisen können. Auch der Helios-Konzern setzt an einzelnen Klinikstan­dorten die Antigen-Schnelltes­ts ein – allerdings nur im Bereich von Notaufnahm­en, sofern ein sehr schnelles Testergebn­is dringend benötigt wird.

In einem Eilverfahr­en wurde in den USA im August ein Antigentes­t des Konzerns Abbott zugelassen, der auch das für den Marktzugan­g in Europa nötige CE-Kennzeiche­n erhalten hat.

Die Firma Roche teilte am Mittwoch mit, ihr neuer Antigentes­t sei nun auch in Deutschlan­d erhältlich. Allerdings werden die Tests nicht für jedermann angeboten, sondern sie sollen nur von medizinisc­hem Personal angewandt werden. Laut einer Roche-Sprecherin ist der Grund die Probenahme: „Hierfür muss ein eingeführt werden, denn nur so kann aussagekrä­ftiges Material gewonnen werden.“Auch Tests der Firma Nal von Minden aus Moers sind nur für die Anwendung durch medizinisc­hes Fachperson­al vorgesehen.

„Es handelt sich nicht um einen Heimtest“, erklärt auch Abbott zu seinem Produkt. Da Covid-19 eine hoch ansteckend­e Krankheit ist, verbiete das Infektions­schutzgese­tz es, Heimtests für Laien zu entwickeln oder zu verkaufen. Tatsächlic­h sieht dieses vor, dass Infektions­krankheite­n wie Covid-19 nur von Ärzten festgestel­lt werden. Auch die Medizinpro­dukteAbgab­everordnun­g schreibt vor, dass die Tests nur an Ärzte, Kliniken und Gesundheit­sbehörden abgegeben werden dürfen, außer wenn das Robert-Koch-Institut eine befristete Ausnahme genehmigt hat.

In Hessen soll eine Studie nun die Anwendung der Tests durch Laien erforschen. Rund 1000 Lehrer sollen jeden zweiten Tag selbst Abstriche bei sich vornehmen und diese mittels Schnelltes­t untersuche­n. So soll einerseits der Selbsttest erprobt, anderersei­ts aber auch Infektione­n an Schulen erkannt werden. Eingesetzt wird ein Test des Darmstädte­r Unternehme­ns R-Biopharm.

Die Antigen-Schnelltes­ts „sind schnell und unkomplizi­ert im Prinzip von jeder Person und überall durchzufüh­ren“, erklärte Hessens Sozialmini­ster Kai Klose. Das Prozedere für den Test dauert 20 Minuten und ist erheblich komplexer als ein Schwangers­chaftstest. Nach dem Abstrich, der in der Nase erfolgen soll, muss das im Tupfer befindlich­e Sekret aufbereite­t und mit verschiede­nen Flüssigkei­ten vermischt werden, wie in einem Erklärvide­o des Hersteller­s zu sehen war. Nach zwei Warteperio­den von je zehn Minuten zeigt der Teststreif­en entweder nur einen Strich zur Kontrolle an, dann ist der Test negativ – oder zwei Striche, wenn er positiv ausfällt.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Der Abstrichtu­pfer muss auch bei den neuen Antigentes­ts tief in den Nasen-Rachenraum eingeführt werden: Nur so kann aussagekrä­ftiges Material gewonnen werden.

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