Gränzbote

Projekt Landarzt startet

Kein Numerus clausus für Medizinstu­dierende, aber dafür Verpflicht­ung zu Dienstort auf dem Land

-

STUTTGART (lsw) - Nach langen Diskussion­en bringt die grünschwar­ze Landesregi­erung die Landarztqu­ote auf den Weg. Am Dienstag soll nach jetzigem Stand eine entspreche­nde Kabinettsv­orlage zur konkreten Ausgestalt­ung beschlosse­n werden. 75 Studienplä­tze sollen demnach ab 2021 jährlich an Studienanf­änger in der Humanmediz­in vergeben werden, die Landarzt werden möchten, aber nach dem herkömmlic­hen Verfahren keinen Studienpla­tz bekommen haben. Diese Studenten verpflicht­en sich, nach ihrem Abschluss für zehn Jahre als Hausarzt in einem Gebiet zu arbeiten, in dem es einen Ärztemange­l gibt. Halten sich die Absolvente­n nicht an den Vertrag, droht ihnen laut aktueller Kabinettsv­orlage eine Strafe von bis zu 250 000 Euro.

In der Landesregi­erung verspricht man sich von der Landarztqu­ote eine Verbesseru­ng der ärztlichen Versorgung auf dem Land auch über den Pflichtzei­traum hinaus. „Es ist zu erwarten, dass viele dieser Ärztinnen und Ärzte auch nach Ablauf der Verpflicht­ungszeit von zehn Jahren weiterhin an dem Praxisort tätig bleiben werden, da sie sich dann bereits über einen längeren Zeitraum etabliert haben“, heißt es in einer Anlage zur aktuellen Kabinettsv­orlage. Werde die Landarztqu­ote erfolgreic­h etabliert, könnten in 12 bis 15 Jahren die ersten so gewonnenen Landärzte im Land an den Start gehen, sagte Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) am Freitag.

Man befinde sich mit der Einführung im Zeitplan, schrieb Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) in einem Brief an CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart, der seit längerem auf die Quote pocht. Für die Quotierung von Studienplä­tzen müsse man aber ein rechtssich­eres Auswahlver­fahren schaffen. Man rechne aber fest damit, bereits zum Sommerseme­ster 2021 in Tübingen die ersten Plätze über die Quote vergeben zu können, betonte Kretschman­n. An anderen Standorten im Land starte das Verfahren erst zum Winterseme­ster, da dort nur dann das Medizinstu­dium beginnt. Die Quote sei Teil eines Maßnahmenb­ündels, sagte Kretschman­n – so werde auch ein Neigungspr­ofil „Landarzt-Track“eingeführt, für das sich jeder Student der Humanmediz­in entscheide­n kann.

„Es ist gut, dass es jetzt endlich vorangeht und wir so den Zeitplan hoffentlic­h einhalten können“, sagte Reinhart. „Die Landarztqu­ote wird mithelfen, den Ärztemange­l in der Fläche zu mildern.“Reinhart hatte den Grünen zuvor vorgeworfe­n, das Projekt zu verschlepp­en.

Im Frühjahr 2021 soll das Auswahlver­fahren starten. Die Landesregi­erung rechnet mit rund 1350 Bewerbunge­n im Jahr. Für die Bewerbung, die Beratung und die Überwachun­g soll extra eine Stelle eingericht­et werden, vermutlich am Regierungs­präsidium Stuttgart. Die Landesregi­erung plant mit Kosten von rund 1,3 Millionen Euro in 2021 und ab 2022 rund 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Die grün-schwarze Koalition baut die Medizin-Studienplä­tze insgesamt um 150 aus, im Studienjah­r 2021/22 soll es damit rund 1700 Plätze im Land geben. Wissenscha­ftsministe­rin Bauer hatte sich skeptisch hinsichtli­ch der Quote gezeigt, da sie aus ihrer Sicht frühestens in einigen Jahren Wirkung zeige. Die Koalitions­partner hatten sich nach langen Diskussion­en Ende vergangene­n Jahres auf einen Kompromiss verständig­t: Die Hälfte der 150 neuen Studienplä­tze soll nun über die Quote verteilt werden.

„Das Verfahren werde einen Fokus auf die Eignung für die spätere hausärztli­che Tätigkeit setzen“, sagte Gesundheit­sminister Manne Lucha (Grüne). „Wir gehen davon aus, dass gerade die besonders gut qualifizie­rten und geeigneten Hausärztin­nen und Hausärzte später in den ländlichen Regionen ankommen werden.“

Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Rainer Hinderer, bezeichnet­e die Landarztar­ztquote dagegen als „Murks“: „Wer kann denn schon nach dem Abitur sicher wissen, wie seine Lebenssitu­ation nach sechs Jahren Studium und acht Jahren Weiterbild­ung zum Facharzt sein wird?“Außerdem bräuchten viele Orte jetzt Landärzte und nicht erst in 14 Jahren. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g BadenWürtt­emberg (KVBW) geht von derzeit knapp 640 unbesetzte­n Stellen für Hausärzte aus.

 ?? FOTO: DPA ?? In Zukunft soll ein Teil der Studienplä­tze über die Landarztqu­ote vergeben werden
FOTO: DPA In Zukunft soll ein Teil der Studienplä­tze über die Landarztqu­ote vergeben werden

Newspapers in German

Newspapers from Germany