Wirbel um Finanzgeschäfte des Vatikans
Kurienkardinal Becciu zum Rücktritt gezwungen – Der Geistliche wehrt sich
ROM - Kardinal Giovanni Angelo Becciu ist von seinen Ämtern im Kirchenstaat zurückgetreten. Es geht um die Veruntreuung von viel Geld und um undurchsichtige Immobiliengeschäfte. Der 72-jährige Italiener, der lange als Vertrauter von Franziskus galt, wies am Freitag vor der Presse in Rom jedoch alle Anschuldigungen in den Medien zurück. „Bis gestern um 18 Uhr fühlte ich mich als Freund des Papstes, als treuer Diener“, sagte Becciu. „Der Papst sagte mir, dass er mir nicht mehr vertraut, weil ihm von den Staatsanwälten mitgeteilt wurde, dass ich angeblich Unterschlagungen begangen habe“, berichtete Becciu nun. Er habe jedoch nicht „einen Euro gestohlen“.
Offiziell wird im Vatikan kein Grund für den Rücktritt von Giovanni Angelo Becciu von allen seinen Ämtern genannt. Doch der Umstand, dass der bis Donnerstag einflussreiche Präfekt der vatikanischen Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen sein Amt aufgibt und auch auf seine Rechte als Kardinal verzichtet, ist im Kirchenstaat etwas Ungewöhnliches.
Der italienische Würdenträger wird in den Medien seines Landes seit Wochen als einer der Hauptverantwortlichen für Finanz- und Immobiliengeschäfte genannt, bei denen Geld aus dem Kardinalstaatssekretariat, der politischen Zentrale des Kirchenstaates, in windige Geschäfte investiert worden sein sollen. Im Zentrum des Finanzskandals steht ein Immobiliengeschäft in der zentralen Sloan Avenue im Herzen der Londoner City. Dem Vatikan wurde dort über verschiedene Mittelsmänner ein ehemaliges Fabrikgebäude als Investitionsobjekt empfohlen. Dem Vatikan wurde zugesichert, dass sich dieses Gebäude in luxuriöse Eigentumswohnungen umbauen lasse, die beim Verkauf einen hohen Gewinn bringen. Es handelt sich um eine Investition in Höhe von 200 Millionen Euro. Die Investition erwies sich als Flop. Die genaue Summe ist unbekannt, aber der Kirchenstaat soll auf diese Weise mehrere Dutzend Millionen Euro verloren haben.
Das Geld kam aus den Finanzmitteln des Kardinalstaatssekretariats, das nach vorsichtigen Schätzungen rund 700 Millionen Euro verwaltet.
Zwischen 2011 und 2018 war Becciu, damals noch Erzbischof, für diese Finanzmittel verantwortlich. Ein guter Teil dieses Geldes stammt auch aus dem sogenannten Peterspfennig, Geldbeträge, die Gläubige als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem Papst der Kirche spenden. Dieses Geld soll eigentlich nur für apostolische und karitative Ausgaben verwendet werden.
Becciu erläuterte am Freitag, der Papst habe dieses Geschäft nicht angesprochen. Der Hauptvorwurf beziehe sich auf 100 000 Euro, die er 2017 der Diözese Ozieri auf seiner Heimatinsel Sardinien zugunsten einer von seinem Bruder geführten Genossenschaft gegeben habe. Bei dieser Lebensmittel-Kooperative sei die Summe aber gar nicht angekommen. Das Geld liege auf einem Konto der Diözese. Der Bischof von Ozieri bestätigte das Berichten zufolge. Becciu hatte in der neu gegründeten Zeitung „Domani“erläutert: „Es gibt mit Sicherheit keine Straftaten.“Er ergänzte zum Rückzug: „Ich sagte zum Papst: ,Aber warum tust du mir das an? Vor der ganzen Welt?’“
Den bekannt gewordenen Ermittlungen zufolge soll der Ex-Kardinal jedoch in verschiedenen Fällen mit Kirchengeldern fahrlässig umgegangen sein. Es war nur eine Frage der Zeit, so der Vatikanexperte Marco Politi von der Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“, bis „Papst Franziskus, der sich selbst als Kreuzritter gegen kircheninterne Korruption durch Geistliche sieht, ein Machtwort sprach und Becciu nahelegte, von sich aus von seinen Ämtern und dem Kardinalat zurückzutreten“.