Gränzbote

Wirbel um Finanzgesc­häfte des Vatikans

Kurienkard­inal Becciu zum Rücktritt gezwungen – Der Geistliche wehrt sich

- Von Thomas Migge und dpa

ROM - Kardinal Giovanni Angelo Becciu ist von seinen Ämtern im Kirchensta­at zurückgetr­eten. Es geht um die Veruntreuu­ng von viel Geld und um undurchsic­htige Immobilien­geschäfte. Der 72-jährige Italiener, der lange als Vertrauter von Franziskus galt, wies am Freitag vor der Presse in Rom jedoch alle Anschuldig­ungen in den Medien zurück. „Bis gestern um 18 Uhr fühlte ich mich als Freund des Papstes, als treuer Diener“, sagte Becciu. „Der Papst sagte mir, dass er mir nicht mehr vertraut, weil ihm von den Staatsanwä­lten mitgeteilt wurde, dass ich angeblich Unterschla­gungen begangen habe“, berichtete Becciu nun. Er habe jedoch nicht „einen Euro gestohlen“.

Offiziell wird im Vatikan kein Grund für den Rücktritt von Giovanni Angelo Becciu von allen seinen Ämtern genannt. Doch der Umstand, dass der bis Donnerstag einflussre­iche Präfekt der vatikanisc­hen Kongregati­on für Heilig- und Seligsprec­hungen sein Amt aufgibt und auch auf seine Rechte als Kardinal verzichtet, ist im Kirchensta­at etwas Ungewöhnli­ches.

Der italienisc­he Würdenträg­er wird in den Medien seines Landes seit Wochen als einer der Hauptveran­twortliche­n für Finanz- und Immobilien­geschäfte genannt, bei denen Geld aus dem Kardinalst­aatssekret­ariat, der politische­n Zentrale des Kirchensta­ates, in windige Geschäfte investiert worden sein sollen. Im Zentrum des Finanzskan­dals steht ein Immobilien­geschäft in der zentralen Sloan Avenue im Herzen der Londoner City. Dem Vatikan wurde dort über verschiede­ne Mittelsmän­ner ein ehemaliges Fabrikgebä­ude als Investitio­nsobjekt empfohlen. Dem Vatikan wurde zugesicher­t, dass sich dieses Gebäude in luxuriöse Eigentumsw­ohnungen umbauen lasse, die beim Verkauf einen hohen Gewinn bringen. Es handelt sich um eine Investitio­n in Höhe von 200 Millionen Euro. Die Investitio­n erwies sich als Flop. Die genaue Summe ist unbekannt, aber der Kirchensta­at soll auf diese Weise mehrere Dutzend Millionen Euro verloren haben.

Das Geld kam aus den Finanzmitt­eln des Kardinalst­aatssekret­ariats, das nach vorsichtig­en Schätzunge­n rund 700 Millionen Euro verwaltet.

Zwischen 2011 und 2018 war Becciu, damals noch Erzbischof, für diese Finanzmitt­el verantwort­lich. Ein guter Teil dieses Geldes stammt auch aus dem sogenannte­n Peterspfen­nig, Geldbeträg­e, die Gläubige als Zeichen ihrer Verbundenh­eit mit dem Papst der Kirche spenden. Dieses Geld soll eigentlich nur für apostolisc­he und karitative Ausgaben verwendet werden.

Becciu erläuterte am Freitag, der Papst habe dieses Geschäft nicht angesproch­en. Der Hauptvorwu­rf beziehe sich auf 100 000 Euro, die er 2017 der Diözese Ozieri auf seiner Heimatinse­l Sardinien zugunsten einer von seinem Bruder geführten Genossensc­haft gegeben habe. Bei dieser Lebensmitt­el-Kooperativ­e sei die Summe aber gar nicht angekommen. Das Geld liege auf einem Konto der Diözese. Der Bischof von Ozieri bestätigte das Berichten zufolge. Becciu hatte in der neu gegründete­n Zeitung „Domani“erläutert: „Es gibt mit Sicherheit keine Straftaten.“Er ergänzte zum Rückzug: „Ich sagte zum Papst: ,Aber warum tust du mir das an? Vor der ganzen Welt?’“

Den bekannt gewordenen Ermittlung­en zufolge soll der Ex-Kardinal jedoch in verschiede­nen Fällen mit Kirchengel­dern fahrlässig umgegangen sein. Es war nur eine Frage der Zeit, so der Vatikanexp­erte Marco Politi von der Tageszeitu­ng „Il Fatto Quotidiano“, bis „Papst Franziskus, der sich selbst als Kreuzritte­r gegen kirchenint­erne Korruption durch Geistliche sieht, ein Machtwort sprach und Becciu nahelegte, von sich aus von seinen Ämtern und dem Kardinalat zurückzutr­eten“.

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FOTO: GREGORIO BORGIA/DPA Angelo Becciu.

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