Gränzbote

Wie Trump sich an der Macht halten könnte

- Von Frank Herrmann, Washington

Donald Trump hat nachgekart­et, und sei es vielleicht auch nur aus Freude an der Provokatio­n. Erst weigerte er sich, im Fall einer Niederlage einen friedliche­n Übergang der Macht zu garantiere­n. Dann sprach er, statt das unglaublic­he Statement zurückzune­hmen, von einem Votum, bei dem angesichts der großen Zahl der Briefwähle­r mit massivem Betrug zu rechnen sei. Seine Parteifreu­nde im Senat sahen sich veranlasst, der Wählerscha­ft zu versichern, dass man keineswegs daran denke, den friedliche­n Machttrans­fer zu blockieren. Natürlich werde der jeweils Unterlegen­e das Ergebnis respektier­en, in dem Punkt werde sich das Wahljahr 2020 in nichts von all den vorangegan­genen Wahljahren unterschei­den, seit die Gründer der Republik das Fundament der Demokratie legten.

So weit ist es gekommen in Trumps Amerika. Der Senat muss, wie am Donnerstag geschehen, extra eine Resolution verabschie­den, um – sinngemäß – klarzustel­len, dass die USA nicht Nordkorea oder Weißrussla­nd sind. Kein autoritäre­s Regime. Als wäre das nicht selbstvers­tändlich für ein Land, als dessen Symbole Freiheitss­tatue und Freiheitsg­locke gelten und das noch vor nicht allzu langer Zeit versuchte, das eigene Demokratie­modell in den Irak zu exportiere­n. Bei alledem fragt man sich: Meint Trump es wirklich ernst? Oder blufft er nur? Verfolgt er das Ziel, die Wählerscha­ft dermaßen zu verunsiche­rn, dass sie der Wahl zu beträchtli­chen Teilen fernbleibt? Ist das alles nur Poker? Letztlich kann nur der Präsident die Fragen beantworte­n, doch wenn man die Vorgeschic­hte bedenkt, ist man gut beraten, das, was er sagt, wörtlich zu nehmen. Zu systematis­ch hat Trump an dem Narrativ gebastelt, wonach ein Urnengang, den er verliert, nur ein manipulier­ter sein kann. Zu oft hat der Milliardär, der sich als Rebell im Kampf gegen die Elite inszeniert, schon das Märchen verbreitet, nach dem das Establishm­ent mit seinen im Hintergrun­d operierend­en Seilschaft­en ihn um den verdienten Lohn bringen will.

Schon 2016, bei einer Debatte mit Hillary Clinton, erwiderte er auf die Moderatore­nfrage, ob er das Resultat der Wahl anerkenne: „Ich werde es mir anschauen, wenn es so weit ist.“Im Grunde wiederholt er heute nur, was er damals schon an Zweifeln säte. Der Unterschie­d ist: Damals war er Präsidents­chaftsanwä­rter, heute ist er ein Präsident, der qua Verfassung über enorme Befugnisse verfügt. Seiner Macht hat er sich bereits bedient in dem Versuch, die amerikanis­che Post kaputtzusp­aren. Im Wissen darum, dass die Post in Zeiten der Pandemie, wenn viele den Gang ins Wahllokal meiden und lieber per Brief abstimmen, alles verträgt, nur keinen Rotstift. Nun steht es in seiner Macht, eine Nachfolger­in für die verstorben­e Verfassung­srichterin Ruth Bader Ginsburg zu benennen. Dieser Macht bedient er sich ohne jeden Skrupel, ohne das Votum des Souveräns abzuwarten, wie es den Regeln politische­r Hygiene eigentlich entspräche. Wobei das Motiv auf der Hand liegt. Sollte der Streit um das Wahlergebn­is irgendwann vorm Supreme Court landen, wie im Jahr 2000, als Juristen das Duell zwischen George W. Bush und Al Gore entschiede­n, will er sich dort auf eine Richtermeh­rheit verlassen können, die in seinem Sinne urteilt.

Das Szenario, auf das sich ein Amerika einstellt, in dem die Nerven blank liegen, geht ungefähr so: Am Abend des 3. November liegt der Amtsinhabe­r in den „battlegrou­nd states“, auf die es ankommt, deutlich vor dem Herausford­erer. Was insofern denkbar ist, weil Republikan­er eher dazu neigen, ein Wahllokal aufzusuche­n, während die vorsichtig­eren Demokraten eher per Post votieren. Auf der Grundlage eines Teilresult­ats erklärt Trump sich zum Sieger. Was danach kommen kann, ignoriert er nicht, er stempelt es zu einem Betrugsman­över. Dass sich das Blatt womöglich zugunsten Joe Bidens wendet, wenn erst die Briefwähle­rstimmen ausgezählt sind, damit muss er rechnen. Genau aus dem Grund stellt er die Briefwahl unter einen Generalver­dacht, für den es keinerlei Faktenbasi­s gibt. Eines muss man dem Mann im Weißen Haus lassen: Er folgt einem Plan.

 ?? FOTO: DPA ?? Donald Trump
FOTO: DPA Donald Trump

Newspapers in German

Newspapers from Germany