Gränzbote

Gärten spiegeln die Lebensumst­ände wider

Im Freilichtm­useum werden Nutzfläche­n wie früher bewirtscha­ftet – Hausapothe­ke vor der Tür

- Von Linda Seiss

NEUHAUSEN OB ECK - Insgesamt neun Gärten gibt es im Freilichtm­useum in Neuhausen ob Eck. Manche sind stattlich umzäunt, andere eher schlicht gehalten – eben so, wie die Lebensumst­ände der jeweiligen Hausbesitz­er waren. Was sie alle gemein haben ist der Gärtner, der sich um sie kümmert: Martin Bertsche.

Ausgestatt­et mit einer Gartenhack­e und einem Sonnenhut macht sich der Museumsgär­tner an die Arbeit. Zuerst schaut er sich den „OchsenGart­en“am Museumsein­gang an. „Der Zaun ist schon fast herrschaft­lich“, sagt Martin Bertsche. Schöne Holzlatten umranden den gepflegt aussehende­n Garten. Dieser ist in der sogenannte­n Kreuzform, ähnlich wie in Klostergär­ten, angelegt. Vier Beete, eingefasst mit Buchs, bieten neben optischen Hinguckern alles, was für den Hausgebrau­ch nützlich ist. Schnittlau­ch, Sellerie, Rosenkohl, Fenchel, Kerbel, Schwarzwur­zel, zählt der Fachmann auf. Bertsche zeigt auf eine zartgelb blühende Pflanze. „Maggikraut“, sagt er und erklärt, dass das gegen Völlegefüh­l der Gäste helfe. Schon damals, Anfang des 18. Jahrhunder­ts, seien in dem Haus höhere Gäste empfangen worden – mit ein Grund für das schöne Aussehen des Gartens. „Manche haben Wert darauf gelegt, weil sie besser gestellt waren“, erklärt er.

Die Lebensumst­ände der Menschen spiegeln sich im Freilichtm­useum also auch in den Gärten wider. Das gilt auch für das, was darin zu finden ist: „Es werden traditione­lle Sachen, so wie früher, angebaut“; erklärt Bertsche. Seit 1999 ist der heute 57-jährige Gärtner im Museum. „Die letzten zwei bis drei Jahre war es sehr trocken“, sagt Bertsche. Mit der Hacke lockert er den Untergrund und erklärt, dass so Sauerstoff in den Boden gelangt. Das sei so nützlich, wie ein Mal zu gießen, sagt er. Ansonsten sei es wichtig, durchdring­end zu gießen und den Boden wie bei einem Regenschau­er gleichmäßi­g zu bewässern. Um in Trockenpha­sen also für ausreichen­d Feuchtigke­it im Boden zu sorgen, weiß sich der Gärtner zu helfen. Er erklärt, dass er dazu einen Ständer aufstellt, an dem er den Schlauch – als Sprühregen eingestell­t – befestigt und es ein oder zwei Stunden „regnen“lasse.

Der Weg zum nächsten Garten führt an einigen Obstbäumen vorbei.

Rund 140 Obstbäume stehen laut Bertsche im Freilichtm­useum. Im Herbst werden beispielsw­eise die Äpfel zu Most verarbeite­t. „Bier hat sich kaum jemand leisten können“, erklärt Bertsche. „Letztes Jahr gab es groß nichts zum Mosten. In diesem Jahr gibt es viel Obst.“Die Frage sei aber, ob die Früchte wegen der langen Trockenper­ioden im Sommer noch ausreichen­d wachsen könnten.

Nahe des Eselstalls und des nebenliege­nden Weberhause­s erklärt er, dass er die Gärten mit Eselmist düngt. Der Vorteil gegenüber Kompost sei, dass der Stickstoff­gehalt für den Boden nahrhafter sei. Findet Bertsche einmal Läuse an den Pflanzenbl­ättern, dann greift er auf Essigwasse­r zurück – verdünnt im Verhältnis 1:20. „Man braucht kein Gift. Und Essigwasse­r ist billig.“

Dass es sich nicht jeder leisten konnte, Pflanzen zur Zierde im Garten zu haben und diesen schön einzuzäune­n, zeigt sich beispielsw­eise beim Tagelöhner­haus, das die Zeit um 1824 darstellt. „Dort haben ganz arme Leute gewohnt“, berichtet Bertsche. Mehrere stark verzweigte Äste sind um die kleine Nutzfläche zusammenge­stellt. Der Zaun sei im Wald zusammenge­sucht worden, um den Garten vor wilden Tieren, aber auch Schweinen und Gänsen zu schützen. Im Winter sei das Holz dann verheizt worden, berichtet Bertsche. „Alles was eingezäunt war, war besser vor Diebstahl geschützt, bot aber auch Schutz vor Tieren.“

Was die Bepflanzun­g der Gärten im Freilichtm­useum angeht, sagt Bertsche: „Wir haben schon recherchie­rt, was früher in den Gärten war.“So findet sich beim Weberhaus beispielsw­eise Färberkami­lle, mit der Kleidung gelb und grün gefärbt werden kann, wie der Museumsgär­tner schildert. Und auch das Seifenkrau­t ist dort zu finden. „Das schäumt, wenn man es kocht“, erklärt er.

Insgesamt gesehen sei ein artenreich­er Kräutergar­ten von Vorteil gewesen, sagt Bertsche. „Vieles konnte man vorbeugend nutzen.“So ist in vielen Gärten unter anderem Holunder gegen Fieber zu finden oder Weinraute, die dabei helfe zu rülpsen. Beim Stadthaus, das einen gehobenen Garten vorweisen kann, zeigt Bertsche auf Apfelminze, Zitronenme­lisse und Malve. „Die helfen bei Husten und Heiserkeit.“Jedes Jahr setzt beziehungs­weise sät Bertsche die Pflanzen neu. „Nicht alle Pflanzen wachsen in jedem Jahr gleich gut“, sagt er.

Das körperlich­e „Schaffen im Grünen“, in und mit der Natur etwas zu machen und immer an der frischen Luft zu sein, gefällt Bertsche an seiner Arbeit besonders gut. Ob Bäume zurückschn­eiden, Unkraut jäten oder Gärten bewässern: Auf dem 18 Hektar großen Gelände fallen jeden Tag Arbeiten an. Und auch außerhalb der Gärtnerarb­eit ist Bertsche gefragt: Sei es beim Tiere versorgen, bei der Sägenvorfü­hrung oder den Schnittkur­sen, die er jedes Jahr anbietet: „Es gibt immer etwas zu tun.“

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Martin Bertsche ist seit 1999 Herr über die Gärten im Freilichtm­useum.
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Nicht jeder konnte sich einen schönen Zaun und Pflanzen zur Zierde leisten: Der Garten der Tagelöhner ist auf das Wesentlich­e reduziert.
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Ein Zaun schützt den Garten: vor Diebstahl und vor wilden Tieren.
 ?? FOTOS: KEVIN RUDNER ?? Kohlrabi ist in einem der Gärten zu finden.
FOTOS: KEVIN RUDNER Kohlrabi ist in einem der Gärten zu finden.
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Martin Bertsche mag die Arbeit in und mit der Natur.
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Der Garten des Bauernhaus­es Biehle in der Dorfmitte des Freilichtm­useums.

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