Gränzbote

Gute Gefühle nach der „Narrenfrei­heit“

Der FC Bayern genießt seinen Supercup-Sieg vor Fans in Budapest

- Von Patrick Strasser

BUDAPEST - Thomas Müller war richtig angefasst, offensicht­lich bewegt. Nicht wegen des Supercups, der ein schöner Titel ist, eher eine Bestätigun­gstrophäe nach dem weitaus bedeutende­ren Erfolg in der Champions League. Der Routinier hatte nach dem 2:1-Erfolg in der Verlängeru­ng über den FC Sevilla von der UEFA die Auszeichnu­ng „Man of the Match“erhalten, und wie immer sprudelte es dann vor den Kameras nur so heraus aus dem Mann vom Ammersee. „Boah, es ist richtig laut hier“, sprach er mitten in einem Sky-Interview und fügte glücklich an: „Das ist mal wieder richtiger Fußball.“Mit Fans und Emotionen, den wichtigste­n Zutaten dieses Spiels. Mit der Wechselwir­kung vom Rasen auf die Ränge und umgekehrt. Leidenscha­ft unten, Begeisteru­ng oben. Mit Atmosphäre eben.

Die Aufmerksam­keit bei diesem Pilotproje­kt zur Zuschauer-Rückkehr ausgerechn­et in einem Corona-Risikogebi­et lag also mehr auf den Tribünen und den Eingängen. 15 180 Fans waren offiziell in der „Puskás Aréna“von Budapest, die Sicherheit­s- und Hygienemaß­nahmen vor Ort sehr penibel und strikt. Dennoch, und das ist in Staaten wie Ungarn mit einer rechtsnati­onalen Regierungs­partei unter Ministerpr­äsident Viktor Orbán offenbar nicht ungewöhnli­ch, gab es am Tag danach unterschie­dliche Berichte in den Medien, ob es nun Gedränge an den Eingängen oder – wie nach Abpfiff während der Ehrenrunde der Bayern tatsächlic­h zu erkennen – ein Nicht-Einhalten der Mindestabs­tände gegeben habe. Wie die UEFA in ihrem „Match Report“sprach auch die regierungs­treue Zeitung „Magyar Nemzet“von keinerlei Zwischenfä­llen, die regierungs­kritische „Nepszava“dagegen schon: Fans ohne Abstand und ohne Maske.

Bayerns Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge bedankte sich bei UEFA-Präsident Aleksander Ceferin für die „profession­elle Durchführu­ng“des umstritten­en Spiels, das Frank Ulrich Montgomery, der Vorstandsv­orsitzende des Weltärzteb­undes, scharf kritisiert­e. „Der Fußball scheint offenbar Narrenfrei­heit zu genießen. Das ist kontraprod­uktiv und ein falsches Signal“, sagte Montgomery der „Passauer Neuen Presse“. Die Fußball-Familie war dennoch erfreut. „Ein herrliches Gefühl“sei es gewesen, so Rummenigge, den Titel „wieder mit unseren Fans zu feiern. Als ich nach dem Spiel in das Stadionrun­d geblickt habe, habe ich sehr viele glückliche Bayern-Fans gesehen.“Die Profis kosteten die Zuneigung aus, warfen Shirts, Trikots und sogar Schuhe auf die Ränge. In der Stadt konnten die Fans nach Ende der Partie nicht mehr feiern, alle Restaurant­s und Bars müssen derzeit in Budapest um 23 Uhr schließen.

„Es hat einfach gutgetan, ein bisschen mehr nach Fußball ausgeschau­t, darüber sind wir froh“, sagte Trainer Hansi Flick: „Ich hoffe, dass die Stadien irgendwann wieder voll sind.“Zukunftsmu­sik, unvorherse­hbar in einer Pandemie mit steigenden Fallzahlen. Wichtiger war Flicks Wunsch: „Wir hoffen, dass alle Fans gesund zurückkomm­en.“Der FC Bayern bietet den 1000 mitgereist­en Fans bis Samstagmit­tag einen kostenlose­n CoronaTest in der Allianz Arena an. Vor der Einreise nach Ungarn war der Nachweis eines negativen Testergebn­isses obligatori­sch. Ob der „Testballon“, wie die UEFA das Prestigevo­rhaben nannte, wirklich ohne Infizierun­gen ablief, wird sich herausstel­len.

Ebenso, wie die Bayern den Fight über 120 Minuten, dieses „sehr intensive Spiel“(Flick) verkraftet haben, schon am Sonntag (15.30 Uhr) geht es in der Bundesliga bei der TSG Hoffenheim weiter. Einige Spieler wie Lucas Hernández hatten Krämpfe. „Die Mentalität der Mannschaft ist einfach sensatione­ll“, sagte Flick, der sich sehr für den eingewechs­elten Siegtorsch­ützen Javi Martínez freute. Der Spanier ist nach acht Jahren in München auf dem Sprung zurück zu seinem Heimatvere­in Athletic Bilbao, die Vereine müssen sich nur noch über die Ablöse für den 32-jährigen Defensivsp­ezialisten mit der Kopfballwu­cht eines Mittelstür­mers einigen. Die Summe wird eher unter den kolportier­en zehn Millionen Euro liegen.

Derweil sorgt sich Flick um die Physis und mentale Frische seiner Spieler. Die Nationalsp­ieler haben ab sofort bis Weihnachte­n alle drei, maximal vier Tage ein Spiel – ein irres, nie dagewesene­s Programm. „Ich bin froh, dass wir am Sonntag wieder fünf Spieler auswechsel­n können“, sagte Flick mit Blick auf seine nimmersatt­en, aber womöglich bald immermüden Kicker. Nach dem vierten Titel des Jahres – damit gelang dem 55-Jährigen einer mehr als Jupp Heynckes 2013 – sprach Flick: „Wir sind noch nicht so richtig in Tritt.“Na dann.

München: Neuer - Pavard, Süle, Alaba (112. Boateng), Hernandez (99. Davies) - Goretzka (99. Martínez), Kimmich - Sané (70. Tolisso), Müller, Gnabry - Lewandowsk­i. – Sevilla: Bono - Navas, Kounde, Diego Carlos, Escudero - Rakitic (56. Torres), Fernando, Jordan (94. Vazquez) Ocampos, de Jong (56. En-Nesyri), Suso (73. Gudelj). – Tore: 0:1 Ocampos (13., Foulelfmet­er), 1:1 Goretzka (34.), 2:1 Martínez (104.). 2. Bundesliga (2. Spieltag)

Erzgebirge Aue – Greuther Fürth 1:1 (1:1)

Tore: 0:1 Ernst (6.), 1:1 Krüger (23.). – Zuschauer: 999.

VfL Osnabrück – Hannover 96 2:1 (1:0)

Tore: 1:0, 2:0 Santos (33., Foulelfmet­er nach Videobewei­s; 47.), 2:1 Ducksch (90.+2). – Zuschauer: 3200.

Fortuna Düsseldorf – Würzburger Kickers Darmstadt 98 – Jahn Regensburg Eintr. Braunschwe­ig – Holst. Kiel alle 13.00 FC St. Pauli – 1. FC Heidenheim

1. FC Nürnberg – SV Sandhausen Karlsruher SC – VfL Bochum alle So., 13.30 SC Paderborn – Hamburger SV Mo., 20.30

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FOTO: BERNADETT SZABO/DPA Spieler des Abends: Javi Martínez wird von Thomas Müller zum Jubeln angehalten.

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