Gränzbote

Achtsames Abwehren gegen den Angstgegne­r

Der VfB Stuttgart gelobt in Mainz defensive Besserung – Ex-Trainer Markus Babbel kritisiert das Personal

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Pellegrino Matarazzo gab die solidarisc­hst mögliche Antwort. Auf die Frage des SZ-Reporters, was der 42-Jährige tun würde, würde ihm eine gute Fee 100 Millionen Euro schenken, ob er das Geld eher in die Defensive oder in die Offensive stecken würde, antwortete der VfB-Trainer: „Ich konzentrie­re mich auf die Spieler, die ich habe. Sie haben mein vollstes Vertrauen. Es gibt momentan keine Entscheidu­ng, die ich treffen muss.“Und doch ist klar: So wie beim 2:3 gegen Freiburg zum Bundesliga­Auftakt kann es am Samstag beim FSV Mainz 05 (15.30 Uhr) nicht weitergehe­n für den VfB Stuttgart, zu harmlos war die Abwehr – sie bräuchte hochprozen­tige Verstärkun­g

„Die nötige Achtsamkei­t, das Bewusstsei­n, im eigenen Strafraum mit größtmögli­cher Schärfe die Bälle wegzuverte­idigen“habe ihm defensiv gefehlt, räumte Matarazzo ein und monierte die individuel­len Fehler bei den Standardsi­tuationen zum 0:2. Individuel­le Konsequenz­en gab er aber noch nicht preis: Der Pole Marcin Kaminski, der besonders schlecht aussah, sei „ein wichtiges Mitglied im Team“, natürlich könne er in Mainz wieder spielen, sagte der Trainer. Wahrschein­licher aber ist die Option, den Japaner Wataru Endo anstelle von Kaminski von der Sechs ins Abwehrzent­rum zu verschiebe­n wie nach der

Pause gegen Freiburg. „Auch der Gedanke ist möglich“, sagte der ItaloAmeri­kaner. Zuden könnte Patrick Stenzel nach Babypause wieder auf den Rechtsvert­eidigerpos­ten rücken.

Tatsache ist: Einen Abwehrchef sucht man beim VfB vergebens, auch mit dem Comeback von Arsenal-Leihgabe Konstantin­os Mavrapanos wird es noch dauern. Schon nach dem ersten Ligaspiel mehren sich die Befürchtun­gen, die Defensive des Aufsteiger­s könnte nicht konkurrenz­fähig sein. Bei Ex-VfB-Trainer Markus Babbel etwa: „Einen echten Topmann sehe ich in der VfB-Abwehr nicht“, kritisiert­e der Ex-Nationalsp­ieler und prangerte die Fehler gegen Freiburg an: „Wenn ich sagen würde, das war naiv, wäre das freundlich ausgedrück­t. Die Gegentore waren natürlich viel zu einfach.“Er habe den Eindruck, „die VfBSpieler kannten ihre Gegner gar nicht“. Intensität und Akribie fehle. „Die Spieler müssen in jedem Moment hellwach sein. Das ist Bundesliga und nicht mehr Zweite Liga.“

Umso erstaunlic­her, dass derzeit vor allem offensive VfB-Transfers gehandelt werden, der von Maximilian Philipp etwa, der in einem Tauschgesc­häft mit Erik Thommy von Dynamo Moskau kommen könnte. Die Russen hätten das gerne, auch, weil Thommy, gebürtiger Ulmer und Sohn kasachisch­er Eltern, in der russischen Nationalma­nnschaft spielen soll. Der VfB ist offenbar von Thommy nicht hundertpro­zentig überzeugt und würde ihn am liebsten verkaufen, ein gleichzeit­iger Kauf Philipps, der 2019 für 20 Millionen Euro von Dortmund zu Dynamo wechselte, ist allerdings illusorisc­h. Auch der Grieche Taxiarchis Fountas, Torjäger von Rapid Wien, bleibt ein VfB-Kandidat, allerdings nur, wenn Nicolas Gonzalez bis zum 5. Oktober noch wechseln sollte.

Für mehr, für einen Topmann in der Abwehr etwa, fehlt den Stuttgarte­rn schlicht das Geld, es gilt also, organisch besser zu werden, „in brenzligen Situatione­n Alarmberei­tschaft zu zeigen“, wie Matarazzo formuliert.

Und auf einen Gegner zu hoffen, der sich vielleicht ein wenig geschwächt hat durch den Trainingss­treik, mit dem die Mainzer dem suspendier­ten Stürmer Adam Szalai ihre Solidaritä­t beweisen wollten. Der Ungar hatte die vom Club angekündig­te und dann wieder zurückgeno­mmene Rückzahlun­g einbehalte­ner Gehälter vom Frühling eingeforde­rt. Für den Jura-Professor Philipp Fischinger von der Uni Mannheim gab sich das Team damit auf ein wackliges Gleis: „Die Mannschaft hat kein Streikrech­t, zu einem Streik darf nur eine Gewerkscha­ft aufrufen, und das auch nur, um einen neuen Tarifvertr­ag durchzuset­zen“, erklärte der Jurist. „Es geht nach deutschem Arbeitsrec­ht nicht, aus Solidaritä­t mit meinem Kollegen die Arbeitslei­stung zu verweigern.“

Seit 15 Jahren hat der VfB übrigens nicht mehr in oder gegen Mainz gewonnen, Matarazzo sagte nur: „Das bedeutet nichts, ich war in all den Jahren ja nicht dabei.“Mut könnte ihm machen, dass ein Landsmann beim 2:1 damals im Jahre 2005 den VfB trainierte – Giovanni Trapattoni. Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er half mit, den Dreier zu sichern, hinten verteidigt­e Matthieu Delpierre, seit Kurzem U15-Athletiktr­ainer beim VfB. Ein gutes Omen? Auch Aberglaube kann ja manchmal Berge versetzen, vor allem im Angesicht von Angstgegne­rn. 3. Liga (2. Spieltag): SpVgg Unterhachi­ng – VfB Lübeck 1:0 (1:0); Sa.: MSV Duisburg – FSV Zwickau, Viktoria Köln – SV Wehen Wiesbaden, 1. FC Saarbrücke­n – Hansa Rostock, SC Verl – Bayern München II, 1860 München – 1. FC Magdeburg, Hallescher FC – FC Ingolstadt (14.00); So.: Dynamo Dresden – Waldhof Mannheim (13.00), Türkgücü München – 1. FC Kaiserslau­tern (14.00); Mo.: KFC Uerdingen – SV Meppen (19.00).

Regionalli­ga Südwest (5. Spieltag): FK Pirmasens – TSG Hoffenheim II 0:2 (0:1), TSV Steinbach Haiger – SGS Großaspach 4:0 (2:0), SSV Ulm 1846 – VfR Aalen 0:2 (0:2), TSG Balingen – Kickers Offenbach abges.

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FOTO: AFP Sucht noch die Orientieru­ng: die VfBDefensi­ve um Waldemar Anton (hinten) und Wataru Endo.

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