Achtsames Abwehren gegen den Angstgegner
Der VfB Stuttgart gelobt in Mainz defensive Besserung – Ex-Trainer Markus Babbel kritisiert das Personal
STUTTGART - Pellegrino Matarazzo gab die solidarischst mögliche Antwort. Auf die Frage des SZ-Reporters, was der 42-Jährige tun würde, würde ihm eine gute Fee 100 Millionen Euro schenken, ob er das Geld eher in die Defensive oder in die Offensive stecken würde, antwortete der VfB-Trainer: „Ich konzentriere mich auf die Spieler, die ich habe. Sie haben mein vollstes Vertrauen. Es gibt momentan keine Entscheidung, die ich treffen muss.“Und doch ist klar: So wie beim 2:3 gegen Freiburg zum BundesligaAuftakt kann es am Samstag beim FSV Mainz 05 (15.30 Uhr) nicht weitergehen für den VfB Stuttgart, zu harmlos war die Abwehr – sie bräuchte hochprozentige Verstärkung
„Die nötige Achtsamkeit, das Bewusstsein, im eigenen Strafraum mit größtmöglicher Schärfe die Bälle wegzuverteidigen“habe ihm defensiv gefehlt, räumte Matarazzo ein und monierte die individuellen Fehler bei den Standardsituationen zum 0:2. Individuelle Konsequenzen gab er aber noch nicht preis: Der Pole Marcin Kaminski, der besonders schlecht aussah, sei „ein wichtiges Mitglied im Team“, natürlich könne er in Mainz wieder spielen, sagte der Trainer. Wahrscheinlicher aber ist die Option, den Japaner Wataru Endo anstelle von Kaminski von der Sechs ins Abwehrzentrum zu verschieben wie nach der
Pause gegen Freiburg. „Auch der Gedanke ist möglich“, sagte der ItaloAmerikaner. Zuden könnte Patrick Stenzel nach Babypause wieder auf den Rechtsverteidigerposten rücken.
Tatsache ist: Einen Abwehrchef sucht man beim VfB vergebens, auch mit dem Comeback von Arsenal-Leihgabe Konstantinos Mavrapanos wird es noch dauern. Schon nach dem ersten Ligaspiel mehren sich die Befürchtungen, die Defensive des Aufsteigers könnte nicht konkurrenzfähig sein. Bei Ex-VfB-Trainer Markus Babbel etwa: „Einen echten Topmann sehe ich in der VfB-Abwehr nicht“, kritisierte der Ex-Nationalspieler und prangerte die Fehler gegen Freiburg an: „Wenn ich sagen würde, das war naiv, wäre das freundlich ausgedrückt. Die Gegentore waren natürlich viel zu einfach.“Er habe den Eindruck, „die VfBSpieler kannten ihre Gegner gar nicht“. Intensität und Akribie fehle. „Die Spieler müssen in jedem Moment hellwach sein. Das ist Bundesliga und nicht mehr Zweite Liga.“
Umso erstaunlicher, dass derzeit vor allem offensive VfB-Transfers gehandelt werden, der von Maximilian Philipp etwa, der in einem Tauschgeschäft mit Erik Thommy von Dynamo Moskau kommen könnte. Die Russen hätten das gerne, auch, weil Thommy, gebürtiger Ulmer und Sohn kasachischer Eltern, in der russischen Nationalmannschaft spielen soll. Der VfB ist offenbar von Thommy nicht hundertprozentig überzeugt und würde ihn am liebsten verkaufen, ein gleichzeitiger Kauf Philipps, der 2019 für 20 Millionen Euro von Dortmund zu Dynamo wechselte, ist allerdings illusorisch. Auch der Grieche Taxiarchis Fountas, Torjäger von Rapid Wien, bleibt ein VfB-Kandidat, allerdings nur, wenn Nicolas Gonzalez bis zum 5. Oktober noch wechseln sollte.
Für mehr, für einen Topmann in der Abwehr etwa, fehlt den Stuttgartern schlicht das Geld, es gilt also, organisch besser zu werden, „in brenzligen Situationen Alarmbereitschaft zu zeigen“, wie Matarazzo formuliert.
Und auf einen Gegner zu hoffen, der sich vielleicht ein wenig geschwächt hat durch den Trainingsstreik, mit dem die Mainzer dem suspendierten Stürmer Adam Szalai ihre Solidarität beweisen wollten. Der Ungar hatte die vom Club angekündigte und dann wieder zurückgenommene Rückzahlung einbehaltener Gehälter vom Frühling eingefordert. Für den Jura-Professor Philipp Fischinger von der Uni Mannheim gab sich das Team damit auf ein wackliges Gleis: „Die Mannschaft hat kein Streikrecht, zu einem Streik darf nur eine Gewerkschaft aufrufen, und das auch nur, um einen neuen Tarifvertrag durchzusetzen“, erklärte der Jurist. „Es geht nach deutschem Arbeitsrecht nicht, aus Solidarität mit meinem Kollegen die Arbeitsleistung zu verweigern.“
Seit 15 Jahren hat der VfB übrigens nicht mehr in oder gegen Mainz gewonnen, Matarazzo sagte nur: „Das bedeutet nichts, ich war in all den Jahren ja nicht dabei.“Mut könnte ihm machen, dass ein Landsmann beim 2:1 damals im Jahre 2005 den VfB trainierte – Giovanni Trapattoni. Vorstandschef Thomas Hitzlsperger half mit, den Dreier zu sichern, hinten verteidigte Matthieu Delpierre, seit Kurzem U15-Athletiktrainer beim VfB. Ein gutes Omen? Auch Aberglaube kann ja manchmal Berge versetzen, vor allem im Angesicht von Angstgegnern. 3. Liga (2. Spieltag): SpVgg Unterhaching – VfB Lübeck 1:0 (1:0); Sa.: MSV Duisburg – FSV Zwickau, Viktoria Köln – SV Wehen Wiesbaden, 1. FC Saarbrücken – Hansa Rostock, SC Verl – Bayern München II, 1860 München – 1. FC Magdeburg, Hallescher FC – FC Ingolstadt (14.00); So.: Dynamo Dresden – Waldhof Mannheim (13.00), Türkgücü München – 1. FC Kaiserslautern (14.00); Mo.: KFC Uerdingen – SV Meppen (19.00).
Regionalliga Südwest (5. Spieltag): FK Pirmasens – TSG Hoffenheim II 0:2 (0:1), TSV Steinbach Haiger – SGS Großaspach 4:0 (2:0), SSV Ulm 1846 – VfR Aalen 0:2 (0:2), TSG Balingen – Kickers Offenbach abges.