Fritz Keller arbeitet an einem soliden Fundament
Der Winzer vom Kaiserstuhl und frühere Präsident des SC Freiburg steht seit einem Jahr an der Spitze des DFB
OBERBERGEN (SID/dpa) - In seiner Heimat blüht Fritz Keller auf. Beim Blick von der Terrasse des Familienweinguts auf die umliegenden Weinberge kommt der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ins Plaudern. Dann redet der 63-Jährige ohne Punkt und Komma über sein „Paradies“Oberbergen am Kaiserstuhl. Er spricht ausschweifend über die 1000 Einwohner, die Historie der Region, die Familiengeschichte der Kellers, seinen Werdegang, seinen Patenonkel Fritz Walter – und sogar die Auswirkungen der Klimaerwärmung.
Dass er seit einem Jahr nicht mehr alles hautnah mitbekommt und seinem Zuhause teilweise für mehrere Wochen fernbleiben muss, ist für Fritz Keller nichts Neues. „Damals ging es dann irgendwann ins Internat und nach Frankreich. Da wurde ich weggeschickt in die große, weite, böse Welt“, berichtet der DFB-Boss, der diesen Sonntag sein einjähriges Dienstjubiläum begeht, mit einem Augenzwinkern von seiner Jugend.
Doch nicht nur in jungen Jahren lernte Fritz Keller die Welt ganz neu kennen. Spätestens seit dem 27. September 2019, als er in Frankfurt als Nachfolger des zurückgetretenen Reinhard Grindel an die DFB-Spitze gewählt wurde, sieht der frühere Clubchef des Bundesligisten SC Freiburg viele Dinge aus einer anderen Perspektive. Eigentlich sollte es Kellers Hauptaufgabe sein, den krisengeschüttelten Verband zu reformieren. Doch dieses Vorhaben, das er nach wie vor verfolgt, geriet in der Öffentlichkeit rasch in den Hintergrund.
Schuld waren noch größere und tiefgreifendere Probleme. Und da Keller während der ausufernden Fanproteste – wie bei der existenzbedrohenden Corona-Krise – nicht immer die beste Figur gemacht hat, wurde von vielen Seiten bereits getuschelt, dass der neue Präsident ebenso ungeeignet für den Posten sei wie seine Vorgänger. Diese Kritik ficht Fritz Keller aber nicht an. „Nein, nie“, antwortet der DFB-Boss („Ich habe mich nicht selber ausgesucht“) auf die Frage, ob er seinen Amtsantritt schon bereut habe. „Fehler machen nur diejenigen, die etwas tun. Wer aber nichts tut, der macht damit schon den größten Fehler“, sagt Keller. „Wir alle machen Fehler, natürlich auch ich. Und wahrscheinlich werde ich wieder
Dinge falsch machen. Aber wichtig ist, dass wir immer im Sinne des Fußballs handeln. Auf diesem Weg möchte ich alle mitnehmen.“
Es sind etliche Dinge, die Fritz Keller unbedingt anpacken will – und auch schon zum Positiven verändert hat. „Wir setzen den eingeleiteten Kulturwandel konsequent fort. Wir reden mehr, offener und zielorientierter miteinander“, sagt er. In der DFBZentrale, die bald in die mehr als 130 Millionen Euro teure Akademie im Stadtteil Niederrad umzieht, arbeiten etliche fähige Angestellte. Die Strukturen sind längst professionalisiert. „Die Compliance-Regeln, die wir haben, sind mit die schärfsten, die ich aus der Industrie kenne“, sagt Keller. „Wir sind, was die Lehren aus der
Corona-Krise betrifft, im Dialog mit der UEFA, der Politik, den Topclubs und natürlich auch mit den Fans. Wir sind aber noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.“Fritz Keller macht keinen Hehl daraus, was zukünftig im Sinne des Fußballs passieren muss: Der Sommermärchen-Skandal soll endlich aufgeklärt werden, der DFB ins Machtzentrum des Weltverbands FIFA zurückkehren, und das große Geld zurück zur Basis fließen.
Dem ersten Ziel ist der Verband schon sehr nahe. Eine Detektei hat neue Erkenntnisse ans Licht gebracht, die das Rätsel der Millionenzahlung rund um die WM-Vergabe 2006 nach Deutschland lösen soll. Auch Punkt zwei könnte schon im kommenden Jahr erledigt sein, wenn der DFB wahrscheinlich mit Vizepräsident Rainer Koch ins FIFA-Council zurückkehren wird. Das dritte Vorhaben wird allerdings schwierig – das weiß auch Keller. „Der Fußball darf keine Geldwaschmaschine sein, wie es in bestimmten Ländern der Fall sein könnte. Ich habe keine fertigen Lösungen parat, aber wir haben das bei den internationalen Verbänden und der Politik angesprochen und entsprechende Impulse gesetzt, um gemeinsam welche zu finden“, sagt der DFB-Chef. „Das Geld muss wieder an die Basis – und nicht in die Hände von Beratern und anderen, die es abzweigen. Wir brauchen Regeln auf der internationalen Ebene.“Um sich da einzubringen,, sollte Fritz Keller eigentlich der richtige Mann sein. Hat er doch schon in jungen Jahren die „große, weite, böse Welt“kennengelernt.