Pizza hui – über den Rest müssen wir reden
Die kulinarischen Geschichtsbücher sagen nichts darüber, warum ausgerechnet in Deutschland ein italienisches Nationalheiligtum, die Sauce Bolognese, mit Spaghetti serviert wird. Die Soße ist in ihrem Ursprung mehr eine Paste als eine Flüssigkeit, die stark eingekochte Essenz von Rindfleisch, Speck und Gemüse, in der Tomaten bis auf ein wenig Mark fast nicht vorkommen. Jemand hat eine gute Bolognese schon mal Rindfleischpesto genannt. Traditionell werden von Kochwasser noch nasse dünne Bandnudeln mit der Bolognese vermischt. Spaghetti haben jedenfalls ihre eigenes kleines Soßenuniversum, das viel südlicher als die Region Bologna angesiedelt ist.
Warum diese lange Einleitung? Weil das Ristorante Alte Post in Hergensweiler, einem Dorf zwischen Wangen und Lindau, all das, was eine gute Bolognese ausmacht, konsequent vermeidet: Die Soße ist so flüssig, dass sie wie Suppe in der aufgequollenen Pasta steht. Die Nudeln selbst sind viel zu lange gekochte Spaghetti, die eigentlich keine Gabel mehr brauchen – ein Strohhalm würde genügen. Die Flüssigkeit schmeckt wie eine dünne Tomatensuppe, in die sich ein paar Hackfleischkrümel verirrt haben. Als Aushängeschild taugt diese Kreation nicht. Daran ändert auch die Petersilie nichts, die aus dem Tiefkühler kommt, was sich leicht an der Farbe erkennen lässt, die sich dunkelolivgrün wandelt, wenn Kräuter beim Tauen Wasser ziehen. Zuvor hatte eine Art Vitello Tonnato zwar für Fragezeichen, aber insgesamt doch für mehr Freude gesorgt. Das sonst übliche Kalbfleisch ersetzt die Alte Post zwar mit einem wenig überzeugenden Putenschinken, doch die Thunfischsoße
Von Erich Nyffenegger
hat wuchtigen Charakter und die Potenz, der Vorspeise geschmackliches Gewicht zu verleihen. Die äußeren Umstände des Menüs definieren sich durch die Kulisse eines schönen Biergartens. Die Bedienung ist zwar ein wenig wortkarg, aber ohne größere Verzögerungen zur Stelle. Der urige Gastraum ist die typischen Kulisse einer Dorfkneipe: grober Dielenboden, helle Wirtshausmöbel. Die volle Eigenbeschreibung der Betreiber ergibt die Formel „Ristorante Alte Post Pizzeria Bistrorante Eiscafé“. Also irgendwie alles – und noch ein bisschen mehr. Auf der Karte erweitert sich das italienische Spektrum daher noch unter anderem um Leberkäse oder Schweinshaxe.
Der Lichtblick in dieser gastronomischen Undurchsichtigkeit aber ist die Pizza – konkret die Tricolore. Ihr dreifaltiger Geschmack beruht auf Tomaten, Parmesan und Rucola. Der aromatische Boden ist der knusprige Teppich, auf dem sich diese erfreuliche Spezialität ausbreitet. Das üppige Format sorgt für sehr auskömmliche Sättigung, die Zubereitung auf
Stein für typischen Geschmack. In Sachen Nudelgericht retten die Penne Quattro Formaggi ein Stück weit die Ehre des Kochs. Die Teigware ist nicht ganz so verkocht wie die Spaghetti, und dem würzigen Schmelz verschiedener Käsesorten in sahniger Soße kann sich der Mensch sowieso schwer entziehen. Damit empfiehlt sich das einfache Haus vor allem für seine Pizza, die es wirklich routiniert beherrscht. Davon abgesehen wird die Alte Post auch wegen der außerordentlich günstigen Preise viele Freunde haben.
Ristorante Alte Post
Dorfstraße 11
88138 Hergensweiler
Tel. 08388-2899990 geöffnet im Sommer täglich ab 11 Uhr, Zeiten variieren außerhalb der Saison, am besten telefonisch nachfragen. Hauptgerichte 5,9019,90 Euro.
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