Gränzbote

So geht es mit tierischen Patienten zum Doktor

Besitzer von Hunden, Katzen, Nagern oder Vögeln können den Arztbesuch gut vorbereite­n

- Von Fabian Busch

BISSENDORF/ELMSHORN (dpa) Raus aus der gewohnten Umgebung, rein in ein Wartezimme­r voller unbekannte­r Gerüche – und dann auch noch ein Pikser mit der Nadel: Ein Besuch beim Tierarzt ist für Haustiere oft eine unangenehm­e Erfahrung.

Wenn Hunde, Katzen oder Nager krank sind oder wenn sie eine Impfung brauchen, ist der Besuch aber selten zu umgehen. Gefragt sind dann beide Seiten: Besitzer können den Besuch so gut es geht vorbereite­n, Mediziner für ein möglichst angenehmes Umfeld in der Praxis sorgen. „Alles, was den Stress mindert, ist sinnvoll“, sagt Astrid Behr, Sprecherin des Bundesverb­ands Praktizier­ender Tierärzte.

Wie Menschen zeigen auch Hunde ein Krankheits­verhalten, erklärt Dirk Emmrich, Tierpsycho­loge und Hundetrain­er aus Bissendorf (Niedersach­sen). „Sie würden sich dann am liebsten sozial zurückzieh­en, helles Licht und Geräusche meiden. In Praxen treffen sie aber meist zu nah auf andere Hunde, denen es ähnlich schlecht geht.“Emmrich rät daher, den Gang in die Praxis gut zu planen.

Seine eigenen Hunde bekämen zum Beispiel kein Wartezimme­r zu Gesicht. „Sinnvoll ist es, wenn man direkt ins Behandlung­szimmer gehen kann. Falls das nicht möglich ist, kann es besser sein, draußen zu warten.“Zudem lassen sich bestimmte Griffe im Alltag üben, damit das Tier sich daran gewöhnt, angefasst und untersucht zu werden. Emmrich nennt ein Beispiel: Beim Kraulen sage man hin und wieder das Wort Ohr, greife kurz ans Ohr und kraule gleich weiter. „Mit der Zeit fasst man dann länger ans Ohr und schaut zum Beispiel auch hinein“, erklärt er. „So lernen Hunde, dass sie nicht unangekünd­igt angefasst werden.“

Umstritten ist unter Experten, wie Besitzer während der Untersuchu­ng mit dem Hund umgehen sollten. „Es bringt gar nichts, ein ängstliche­s Tier zu bedauern“, sagt Astrid Behr vom Tierärztev­erband. „Das ist kontraprod­uktiv, weil Halter damit ihr Verhalten auf den Hund übertragen und seine Angst bestätigen.“

Dirk Emmrich sieht die Sache etwas anders: „Bei Bindungsen­tzug werden Hunde noch verletzlic­her. Wenn ich nichts mache, verknüpft der Hund den Tierarztbe­such nur mit negativen Erfahrunge­n.“Emmrich rät, dem Vierbeiner während oder nach der Behandlung ein attraktive­s Futter zu geben – und zwar mehr als nur einen kleinen Bissen oder ein Leckerli.

„Das ist ähnlich wie bei einem Kind, das auf die Knie gefallen ist:

Dessen Stimmung lässt sich auch eher mit einem Eis als mit einem Gummibärch­en umkehren“, vergleicht es Emmrich. Für den Hund folge somit auf ein unangenehm­es ein angenehmes Ereignis.

Noch mehr als Hunde leiden Katzen unter dem Stress des Unbekannte­n. „Sie gehen Gefahren eigentlich aus dem Weg. In der Praxis ist das nicht möglich, daher werden sie in Angst und Stress versetzt“, sagt die Fachtierär­ztin Angelika Drensler aus Elmshorn (Schleswig-Holstein).

Drenslers Praxis ist von der Internatio­nalen Gesellscha­ft für Katzenmedi­zin als besonders katzenfreu­ndlich zertifizie­rt. Es gibt einen abgetrennt­en Warteberei­ch für Samtpfoten. Manche Tiermedizi­ner bieten auch spezielle Katzenspre­chstunden an, damit die Tiere nicht noch mehr verschreck­t werden, wenn sich im Wartezimme­r ein schnüffeln­der Hund nähert.

Astrid Behr vom Tierärztev­erband empfiehlt für den Transport einen Kunststoff-Container mit einer Gittertür. An diese Box sollten Besitzer ihre Katze frühzeitig gewöhnen, betont Angelika Drensler: „Wenn Sie die Box nur rausholen, um zum Arzt zu gehen, und das Tier dann hineinzwin­gen, fängt das Desaster schon zu Hause an.“

Katzenminz­e oder Baldrian können Katzen beruhigen – ob sie wirklich wirken, ist aber individuel­l unterschie­dlich. Etwa die Hälfte der Tiere reagiere gar nicht auf diese

Fachtierär­ztin Angelika Drensler

Substanzen, sagt Angelika Drensler. Anders sei das bei Pheromonen: „Sie vermitteln, dass alles in Ordnung ist“, erklärt die Tierärztin. „In unserer Praxis legen wir Decken mit Pheromonen über die Boxen.“

Boxen für den Transport von Katzen eignen sich auch für Kaninchen und Meerschwei­nchen. In jedem Fall sollten die Kleintiere in einem abgedunkel­ten Behältnis transporti­ert werden und dort Heu oder ähnliches Futter vorfinden. Kaninchen wie auch Meerschwei­nchen sind sehr sozial – ob Halter einen Artgenosse­n als beruhigend­en Begleiter für ein krankes Tier mitnehmen sollten, hängt aber vom Einzelfall ab.

„Kaninchen und Meerschwei­nchen werden vom Rest der Gruppe häufig abgelehnt, wenn sie vom Tierarzt zurückkomm­en und anders riechen“, sagt Angelika Drensler. Daher könne es sinnvoll sein, die Artgenosse­n mitzunehme­n. „Aber das ist immer eine individuel­le Frage.“

Astrid Behr ist da skeptisch: „Ob man mehrere Tiere mit zum Mediziner nimmt, kommt immer auf das Tier und seine Erkrankung an“, sagt sie. „Bei Kaninchen ist es nicht empfehlens­wert, weil sie unter Stress aggressiv werden können und sich dann möglicherw­eise verletzen.“

Papageien, Sittiche und andere Vögel sind besonders stressanfä­llig. „Es gibt für Vögel kleinere Transportk­äfige mit höchstens einer Stange, die mit einem leichten Tuch abgedeckt sein sollten“, erklärt Behr. Um Ruckeln und Geräusche zu minimieren, sei es besser, mit dem Auto statt mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zum Tierarzt zu fahren. Sinnvoll kann es auch sein, mit dem Mediziner abzuklären, ob der gefiederte Patient etwas länger in der Praxis bleiben kann. „Wir nehmen Vögel in den meisten Fällen stationär auf, um ihnen den besonders anstrengen­den Hin- und Rückweg an einem Tag zu ersparen“, sagt Angelika Drensler.

„Katzen gehen Gefahren eigentlich aus dem Weg. In der Praxis ist das nicht möglich.“

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FOTO: INGA KJER/DPA Bestimmte Griffe, die ein Arzt bei der Untersuchu­ng anwendet, können Hundebesit­zer bereits zu Hause üben, etwa während des Kraulens an Ohr oder Bein zu fassen und dabei das Wort des Körperteil­s zu sagen.

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