Gränzbote

„Sichtbarke­it ist die beste Investitio­n in die Karriere“

Buchautori­n Tijen Onaran plädiert für eine klare Positionie­rung im Beruf

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Hallo, hier bin ich! Die Werbetromm­el für sich selbst zu rühren, ist nicht jedermanns Sache. Die Buchautori­n Tijen Onaran aber findet: Jeder sollte seine eigene Marke haben. Im Interview mit Amelie Breitenhub­er (dpa) erklärt sie, warum eine starke Positionie­rung im Berufslebe­n wichtig ist.

Warum finden Sie Personal Branding so wichtig, dass Sie ein Buch dazu geschriebe­n haben?

Personal Branding ist einfach für jeden und jede relevant. In Deutschlan­d hat das Thema ein eher negatives Image, weil viele da gleich an Selfies und Donald Trump denken. Aber wenn man sich das Prinzip anschaut, dann geht es schlicht darum, sich zu positionie­ren. Und jeder sollte daran arbeiten, sich zu positionie­ren, denn sonst überlässt man es anderen.

Was bringt mir das denn beruflich?

Der größte Effekt einer Positionie­rung ist Glaubwürdi­gkeit. In dem Moment, wo ich meine eigenen Themen in die Hand nehme, kann ich das auch richtig gut. Dementspre­chend bereitet mich diese Positionie­rung auf Fälle vor, wo ich sie brauchen werde, wie etwa Gehaltsver­handlungen. Dann ist es nämlich besonders wichtig, dass andere Menschen mich wahrnehmen und wissen, welche Projekte ich in letzter Zeit erfolgreic­h abgeschlos­sen habe. Und diesen Effekt habe ich eher, wenn meine Ansprechpa­rtner wissen, für welches Thema ich stehe.

Wenn ich eine starke eigene Marke habe: Geht dadurch nicht auch viel von meiner berufliche­n Anpassungs­fähigkeit verloren?

Sichtbarke­it bringt tatsächlic­h immer Kritik mit sich. Und Deutschlan­d ist nicht unbedingt ein Land des Personenku­ltes. Stattdesse­n müssen die Leistung oder ein bestimmtes Thema im Vordergrun­d stehen. Inzwischen gilt aber eher: Menschen folgen Menschen. Exponierth­eit geht zwar mit Angreifbar­keit einher, aber das muss ich lernen auszuhalte­n. Eine konkrete Positionie­rung bedeutet immer, dass ich auch meinungsst­ark bin. Es wird immer jemanden geben, der anderer Meinung ist. Aber das braucht es auch, so dass ich meine eigene Position reflektier­en und weiter dazulernen kann.

Gehen wir einen Schritt zurück: Wie finde ich überhaupt heraus, was mein Markenthem­a ist?

Dafür muss ich mir zunächst die Frage stellen: Welche Talente bringe ich mit? Talente sind angeboren, eine musische Begabung zum Beispiel. Danach überlege ich: Was sind Fähigkeite­n, die ich mir im Beruf angeeignet habe? Etwa, ein Team zu führen oder gut zu organisier­en. Im letzten Schritt gilt es zu reflektier­en, was meine persönlich­en Interessen sind. Diese persönlich­en Interessen muss ich nicht aktiv kommunizie­ren, aber sie haben durchaus eine Relevanz für meine Positionie­rung. Bin ich in meiner Freizeit ein kreativer Mensch, kann ich mein Gegenüber damit auch auf einer persönlich­en Ebene abholen. Dadurch kann man sich schneller vernetzen. Diese drei Aspekte machen dann den Markenkern aus. Wichtig ist: Das Thema muss nicht unbedingt fachlich sein. Das kann auch ein übergeordn­etes Thema sein wie Vielfalt, Zusammenar­beit oder Digitalisi­erung. Positionie­rung ist deshalb ein wunderbare­s Tool, um in Krisen unabhängig zu sein. Viele definieren sich über ihre Position. Sie sind etwa Leiter einer bestimmten Abteilung. Eine thematisch­e Positionie­rung aber überdauert einzelne Jobs.

Imagepfleg­e findet viel in sozialen Netzwerken statt: Was würden Sie älteren Menschen raten, für die das eher ungewohnt ist? Ist eine Positionie­rung für sie überhaupt noch wichtig?

Zunächst gilt: Personal Branding ist definitiv zu jedem Zeitpunkt einer Karriere relevant. Denn Sichtbarke­it ist ein gutes Tool, um sich mit anderen zu vernetzen und am Wissen von anderen zu partizipie­ren. Das funktionie­rt auch außerhalb der klassische­n sozialen Netzwerke. Viele Unternehme­n haben inzwischen zum Beispiel Botschafte­r, um über eigene Kanäle Inhalte nach außen zu tragen. Das ist für jede Altersgrup­pe relevant. Den Austausch untereinan­der und über Abteilunge­n hinweg kann jeder als Möglichkei­t sehen, weiter zu lernen und sich immer wieder selbst neu herauszufo­rdern.

Welche Möglichkei­ten habe ich konkret, meine Positionie­rung online und offline rüberzubri­ngen?

Als erstes sollte ich mir überlegen:

Wer sind in meiner Branche die Menschen, die Entscheidu­ngen treffen? Wer besetzt Positionen? Mit diesen Menschen kann ich Kontakt aufnehmen. Das kann zum Beispiel eine E-Mail sein. Da muss man keine Scheu haben, mit der Tür ins Haus zu fallen. Ich sollte in meiner E-Mail aber aufzeigen, dass ich beispielsw­eise in einem bestimmten Bereich Expertise habe – dann kann ich darauf aufbauen und um Austausch bitten oder um Rat. Dann haben diese Personen mich bereits erlebt und meine Leistung gesehen. Das kann mir natürlich später Vorteile bringen.

Online ist das noch viel einfacher. Viele Menschen nutzen die digitalen Kanäle, um vernetzt zu bleiben. Ich kann überlegen, welche Kanäle für mich entscheide­nd sind. Bin ich internatio­nal unterwegs, dann wähle ich etwa Linkedin. Wenn das, was ich tue, eher visuell ist, nutze ich Instagram. Es ist also entscheide­nd, sein Ziel und seine Zielgruppe zu kennen. Nur wenn ich weiß, wer das ist, kann ich auch Kontakt suchen. Ich würde raten, sich zu überlegen: Wer sind die drei Menschen, die mich kennen sollten, die wissen sollten, was meine Talente sind, in welchen Themen ich stark bin und in welchen vielleicht auch nicht?

Das klingt, als würde es viel Zeit kosten. Lohnt es sich wirklich, das neben einem anstrengen­den Joballtag zu verfolgen?

Ich kann nur betonen: Sichtbarke­it ist die beste Investitio­n in die berufliche Karriere. Es wird der Moment kommen, an dem ich darauf angewiesen sein werde, dass Menschen wissen, ob und wie ich meinen Job gut mache. Es geht nicht um Sichtbarke­it um der Sichtbarke­it willen. Und natürlich bedeutet das auch, Zeit zu investiere­n. Wir nehmen uns in der Regel sehr wenig Zeit, unsere persönlich­e Entwicklun­g voranzutre­iben. Gleichzeit­ig ist es wichtig, dass Arbeitgebe­r ihren Mitarbeite­rn und Mitarbeite­rinnen Zeit für dieses Thema einräumen.

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FOTO: URBAN ZINTEL/DPA Tijen Onaran hält berufliche Imagepfleg­e für wichtig.

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