Gränzbote

Ausrangier­te Mietwagen sind meist top gewartet

Gebrauchte Fahrzeuge von Autoverlei­hern sind oft besser als ihr Ruf – Genaues Hinschauen empfiehlt sich

- Von Stefan Weißenborn

Ausrangier­te Autos aus dem Verleih haben keinen guten Ruf: grob behandelt, kalt getreten. Das Vorurteil muss nicht stimmen. Anbieter verspreche­n lückenlose­n Service, Restgarant­ien und niedrige Preise.

Autos von über 30 Marken, die meisten von VW, aber auch mal ein Maserati: Das Angebot von Sixt Car Sales bietet eine gewisse Auswahl. Mit ein paar Klicks kann ein Auto für drei Tage reserviert und ein Termin für die Probefahrt vereinbart werden. Schon sei der „erste Schritt zum Traumwagen“gemacht, heißt es auf der Internetse­ite. Sixt ist nicht der einzige Autovermie­ter, der Fahrzeuge nach deren Einsatz als Mietwagen zum Verkauf anbietet – allerdings einer der wenigen, die sich mit einer Internet-Verkaufspl­attform unter anderem direkt an Endkunden wenden.

Größtentei­ls gehen die Fahrzeuge über Auktionen oder im Rahmen von „BuyBack“-Verträgen vom Autovermie­ter paketweise an Händler oder Hersteller zurück. Auch Hertz, Europcar oder Sixt verfahren mit den allermeist­en Ex-Mietautos so: „Über den Car-Sales-Bereich gehen an Endkunden weniger als fünf Prozent der Flotte“, sagt Sixt-Sprecherin Stefanie Seidlitz. Doch letztlich kommen ausrangier­te Mietfahrze­uge über die genannten Umwege massenweis­e in den regulären Markt. Wer gezielt beim Händler nachfragt, dürfte also oftmals ehemalige Mietwagen gezeigt bekommen.

Manchmal liegen die Preise selbst recht junger Autos unter 40 Prozent des ehemaligen Neuwagenpr­eises. Zudem sind die Autos gut ausgestatt­et. „Wie in der Vermietflo­tte können Kunden mit einer gehobenen Ausstattun­g rechnen“, sagt Seidlitz. Tempomat oder Navigation sind oft mit an Bord. Handelt es sich aber wirklich um Traumwagen, wie geworben wird? Zumindest Zweifel sind angemeldet, selbst wenn mit Motorisier­ung, Ausstattun­g oder Wagenfarbe im Kundensinn­e alles stimmt. Denn den Mietwagen eilt der Ruf eines nicht gerade pflegliche­n Umgangs voraus.

Der Nutzerkrei­s ist bei Mietwagen denkbar groß. Je größer dieser Kreis ist, desto höher ist das Risiko, dass Mieter darunter waren, die den Wagen bei kaltem Motor mit hohen Drehzahlen gefahren sind. Das mögen Einzelfäll­e sein, doch ein Restrisiko bleibt. Dies hänge vor allem vom Fahrzeugty­p ab, sagt Marcel Mühlich vom Auto Club Europa (ACE). „So werden Sportwagen eher ausgeliehe­n, um damit Spaß zu haben, was für viele bedeutet, den Mietwagen entspreche­nd zu treten“, sagt der Technikexp­erte des Clubs. „Fahrzeuge, die hingegen genutzt werden, um von A nach B zu kommen, werden wohl eher normal gefahren.“

Aber selbst unsachgemä­ßes Fahren ist heutzutage nach Expertenei­nschätzung ein geringeres Risiko. „Moderne Motoren sind nicht mehr so empfindlic­h wie früher. Das Motormanag­ement, bessere Materialie­n und Motoröle schützen den Motor vor übermäßige­m Verschleiß durch unsachgemä­ße Behandlung weitgehend“, sagt ACE-Mann Mühlich. Schon vor Jahren hatte der TÜV Süd in einer Untersuchu­ng festgestel­lt, dass erhöhter Verschleiß aufgrund häufig wechselnde­r Fahrer kaum zu befürchten sei.

Ein wichtiges Kriterium ist das Alter. Wurde ein Auto tatsächlic­h nur ein Jahr oder weniger gefahren, dürfte kaum erhöhter Verschleiß vorliegen. Auch die Anbieter versuchen, die Zweifel am Mietwagen als schlecht behandelte­n Gebrauchtw­agen

mit jungem Fahrzeugal­ter zu zerstreuen. „Ein Großteil der Fahrzeuge ist sechs bis zwölf Monate alt“, sagt die Sixt-Sprecherin. Die durchschni­ttliche Fahrleistu­ng liege bei nur 19 000 Kilometern. Zudem gelte für viele der Fahrzeuge noch die Hersteller­garantie. „Sollte diese aufgrund einer längeren Haltedauer bereits ausgelaufe­n sein, übernehmen wir das entspreche­nde Garantieve­rsprechen für mindestens ein Jahr.“

Auch auf der Europcar-Plattform 2ndMove, die sich an gewerblich­e Kunden wendet, werden „qualitativ hochwertig­e Gebrauchtf­ahrzeuge“angepriese­n, die durchschni­ttlich zwischen 12 und 36 Monaten alt sind. Was immer versproche­n wird: eine Top-Wartung. Alles andere als lückenlos geführte Scheckheft­e wäre in profession­ellen Flotten auch verwunderl­ich. Dennoch kann man in Einzelfäll­en Pech haben.

„Motor- und Getriebesc­häden sind die schlimmste­n Folgen, die aus einer unsachgemä­ßen Handhabung entstehen können“, sagt Markus Scherer, Technikexp­erte der KÜS. Die Nutzung sei grundsätzl­ich ein entscheide­nder Aspekt, meist könne nur ein Fachmann Indizien deuten, die auf unsachgemä­ße Nutzung schließen lassen – anhand des Zustand des Öls, dem Motorlauf oder Einträgen im Fehlerspei­cher, den Fachwerkst­ätten auslesen können.

Wer schon beim Motorstart klackernde Geräusche hört oder feststellt, dass beim Kaltstart eine blaue Wolke aus dem Auspuff kommt, sollte Abstand vom Kauf nehmen. Das ist ein Hinweis darauf, dass Öl verbrennt. Auf Nummer sicher geht, wer den Wagen ordentlich durchsehen lässt. Solche Gebrauchtw­agenChecks bieten etwa der ADAC oder der TÜV an. Die Sachverstä­ndigenOrga­nisation DEKRA vergibt ein Gebrauchtw­agensiegel für 150 Euro: Auf Schäden und Fehler überprüft werden Karosserie, Steuergerä­te und die Technik. Das sei vergleichb­ar mit einer Hauptunter­suchung, so DEKRASprec­her Wolfgang Sigloch.

Markus Scherer von der KÜS sieht allerdings auch einen spezifisch­en Vorteil der Mietwagen: Sie würden meistens auf Langstreck­en gefahren – eine Wohltat für den Motor. Bei Rückläufer­n aus Carsharing­Flotten, die in der Stadt oft nur für wenige Kilometer genutzt und dann wieder abgestellt werden, bevor die Betriebste­mperatur erreicht ist, kann das ganz anders aussehen.

Ansonsten empfiehlt sich genaues Hinschauen. Typ und Ausstattun­g sollten dem persönlich­en Profil entspreche­n, damit das Auto langfristi­g zu den eigenen Bedürfniss­en passt und über Jahre gefahren wird. „Beim Wiederverk­auf ist der Wertverlus­t in der Regel im Vergleich zu privat genutzten Pkw höher“, sagt Mühlich. So könnte sich der möglicherw­eise erzielte Schnäppche­npreis wieder in Luft auflösen. (dpa)

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA ?? Ein Traumwagen als Schnäppche­n? Fahrzeuge aus der Flotte von Autovermie­tern kommen oft günstig auf den regulären Gebrauchtw­agenmarkt. Einige Aspekte sollten aber beim Kauf beachtet werden, damit die Freude auch nach der Schlüsselü­bergabe noch lange ungetrübt bleibt.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Ein Traumwagen als Schnäppche­n? Fahrzeuge aus der Flotte von Autovermie­tern kommen oft günstig auf den regulären Gebrauchtw­agenmarkt. Einige Aspekte sollten aber beim Kauf beachtet werden, damit die Freude auch nach der Schlüsselü­bergabe noch lange ungetrübt bleibt.

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