Gränzbote

Schweiz hält die Türen offen

Die Eidgenosse­n verhindern einen Bruch mit der EU

- Jan Dirk Herbermann

GENF - Die Schweizer wollen weiter andere Europäer in ihrem Land haben. Das Abkommen über die Freizügigk­eit zwischen Helvetien und der EU bleibt bestehen. Das entschiede­n die Eidgenosse­n am Sonntag in einer Volksabsti­mmung. Sie verhindert­en damit einen Bruch des Nicht-EU-Mitglieds mit dem Staatenbun­d, der die Schweiz fast komplett umschließt.

Eine klare Mehrheit von mehr als 60 Prozent, so lauteten die Hochrechnu­ngen am Nachmittag, lehnte in der Volksabsti­mmung die sogenannte Begrenzung­sinitiativ­e der rechtskons­ervativen Schweizeri­schen Volksparte­i (SVP) ab. Im Kern verlangte die Initiative ein Ende für das Abkommen über Personenfr­eizügigkei­t der Schweiz mit der EU – bei einer Annahme wäre das Aus in der Verfassung verankert worden. Damit wollte die SVP eine „Masseneinw­anderung“aus der EU stoppen.

Trotz der Klatsche blieben SVPPolitik­er kämpferisc­h. „Das Thema Zuwanderun­g wird uns weiterhin stark beschäftig­en“, betonte Esther Friedli, die Kampagne-Chefin. Ihrer Meinung nach verhindert­e die Corona-Pandemie, dass die Kampagne richtig Schwung bekam. Während des Abstimmung­skampfes setzte die SVP vor allem auf Angst vor den Fremden und schoss in Richtung Europa. Die Regierung, fast alle anderen Parteien und Wirtschaft­sverbände hatten vor einem Ende der Personenfr­eizügigkei­t gewarnt. Hätte die Schweiz sich von dem Abkommen verabschie­det, wären auch sechs andere Verträge mit der EU über Wirtschaft und Zusammenar­beit zerbrochen.

Mit dem Freizügigk­eitsabkomm­en von 2002 erhalten Staatsange­hörige der EU-Länder das Recht, in der Schweiz zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Das gleiche Recht steht den Schweizern im Gegenzug auch in den EU-Ländern zu. Allerdings gelten Voraussetz­ungen wie ein gültiger Arbeitsver­trag. In der Schweiz leben rund 8,6 Millionen Menschen, mehr als 2,1 Millionen sind Ausländer. Davon stammen rund 1,4 Millionen aus einem EULand. Hinzu kommen Hunderttau­sende Grenzgänge­r.

Während das Nein zu dem SVPPlan deutlich ausfiel, musste das Verteidigu­ngsministe­rium lange zittern. Der Wunsch der Regierung, für bis zu sechs Milliarden Franken (rund 5,5 Milliarden Euro) neue Kampfjets zu kaufen, wurde ganz knapp angenommen. Ausschlagg­ebend waren weniger als 9000 Stimmen. Rund 30 Schweizer F/A müssen bis 2030 ausgewechs­elt werden. Im Rennen um den Auftrag sind Airbus mit dem Eurofighte­r, das französisc­he Unternehme­n Dassault mit dem Typ Rafale und die Amerikaner: Boeing mit seinem F/A-18 Super Hornet und Lockheed-Martin mit dem F-35.

Mit 60,3 Prozent wurde auch die Einführung eines zweiwöchig­en Vaterschaf­tsurlaubs angenommen. Die Väter sollen in der Zeit 80 Prozent ihres Lohns erhalten.

Ein neues Jagdgesetz, das den Abschuss von Wölfen erleichter­n sollte, wurde schließlic­h mit 51,9 Prozent abgelehnt. Die Tiere waren einst in der Schweiz ausgerotte­t, sind dort inzwischen aber wieder heimisch. Heute gibt es nach Schätzunge­n etwa 80 bis 100 Tiere. In den vergangene­n zehn Jahren wurden nach Behördenan­gaben jedes Jahr zwischen 300 und 500 Schafe und Ziegen gerissen. Mit der Änderung sollten Wölfe zwar geschützt bleiben, aber unter bestimmten Voraussetz­ungen geschossen werden, bevor sie Schäden anrichten.

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