Schweiz hält die Türen offen
Die Eidgenossen verhindern einen Bruch mit der EU
GENF - Die Schweizer wollen weiter andere Europäer in ihrem Land haben. Das Abkommen über die Freizügigkeit zwischen Helvetien und der EU bleibt bestehen. Das entschieden die Eidgenossen am Sonntag in einer Volksabstimmung. Sie verhinderten damit einen Bruch des Nicht-EU-Mitglieds mit dem Staatenbund, der die Schweiz fast komplett umschließt.
Eine klare Mehrheit von mehr als 60 Prozent, so lauteten die Hochrechnungen am Nachmittag, lehnte in der Volksabstimmung die sogenannte Begrenzungsinitiative der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) ab. Im Kern verlangte die Initiative ein Ende für das Abkommen über Personenfreizügigkeit der Schweiz mit der EU – bei einer Annahme wäre das Aus in der Verfassung verankert worden. Damit wollte die SVP eine „Masseneinwanderung“aus der EU stoppen.
Trotz der Klatsche blieben SVPPolitiker kämpferisch. „Das Thema Zuwanderung wird uns weiterhin stark beschäftigen“, betonte Esther Friedli, die Kampagne-Chefin. Ihrer Meinung nach verhinderte die Corona-Pandemie, dass die Kampagne richtig Schwung bekam. Während des Abstimmungskampfes setzte die SVP vor allem auf Angst vor den Fremden und schoss in Richtung Europa. Die Regierung, fast alle anderen Parteien und Wirtschaftsverbände hatten vor einem Ende der Personenfreizügigkeit gewarnt. Hätte die Schweiz sich von dem Abkommen verabschiedet, wären auch sechs andere Verträge mit der EU über Wirtschaft und Zusammenarbeit zerbrochen.
Mit dem Freizügigkeitsabkommen von 2002 erhalten Staatsangehörige der EU-Länder das Recht, in der Schweiz zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Das gleiche Recht steht den Schweizern im Gegenzug auch in den EU-Ländern zu. Allerdings gelten Voraussetzungen wie ein gültiger Arbeitsvertrag. In der Schweiz leben rund 8,6 Millionen Menschen, mehr als 2,1 Millionen sind Ausländer. Davon stammen rund 1,4 Millionen aus einem EULand. Hinzu kommen Hunderttausende Grenzgänger.
Während das Nein zu dem SVPPlan deutlich ausfiel, musste das Verteidigungsministerium lange zittern. Der Wunsch der Regierung, für bis zu sechs Milliarden Franken (rund 5,5 Milliarden Euro) neue Kampfjets zu kaufen, wurde ganz knapp angenommen. Ausschlaggebend waren weniger als 9000 Stimmen. Rund 30 Schweizer F/A müssen bis 2030 ausgewechselt werden. Im Rennen um den Auftrag sind Airbus mit dem Eurofighter, das französische Unternehmen Dassault mit dem Typ Rafale und die Amerikaner: Boeing mit seinem F/A-18 Super Hornet und Lockheed-Martin mit dem F-35.
Mit 60,3 Prozent wurde auch die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs angenommen. Die Väter sollen in der Zeit 80 Prozent ihres Lohns erhalten.
Ein neues Jagdgesetz, das den Abschuss von Wölfen erleichtern sollte, wurde schließlich mit 51,9 Prozent abgelehnt. Die Tiere waren einst in der Schweiz ausgerottet, sind dort inzwischen aber wieder heimisch. Heute gibt es nach Schätzungen etwa 80 bis 100 Tiere. In den vergangenen zehn Jahren wurden nach Behördenangaben jedes Jahr zwischen 300 und 500 Schafe und Ziegen gerissen. Mit der Änderung sollten Wölfe zwar geschützt bleiben, aber unter bestimmten Voraussetzungen geschossen werden, bevor sie Schäden anrichten.