Gränzbote

E-Autos sind die Stars der „Auto China 2020“

Deutsche Hersteller unter Druck – Zulassungs­verbot für Diesel und Benziner ab 2035 gefordert

- Von Andreas Landwehr

PEKING/MÜNCHEN (dpa) - Deutsche Autobauer müssen mehr tun, um bei der rasanten Entwicklun­g von Elektroaut­os mitzuhalte­n. In dem Boom auf dem „Leitmarkt“in China fehlen ihnen die Produkte, auch könnte die Wende zur E-Mobilität in Deutschlan­d schneller kommen als bisher erwartet. So sprachen sich der Chef des Umweltbund­esamtes (UBA), Dirk Messner, und auch CSU-Chef Markus Söder für ein Zulassungs­verbot für Autos mit Verbrennun­gsmotoren wie in Kalifornie­n ab 2035 aus.

Dass der Wandel in vollem Gange ist, zeigte sich am Wochenende auf der „Auto China 2020“in Peking, der ersten großen internatio­nalen Automesse seit Ausbruch der CoronaPand­emie. Elektroaut­os waren die Stars der Messe in China, das das Virus weitgehend im Griff hat und mit seiner wirtschaft­lichen Erholung zum „Rettungsan­ker“für die Autobauer geworden ist. In fünf Jahren soll in China ein Viertel der verkauften Autos elektrisch fahren – rund vier Millionen im Jahr.

Auch in Deutschlan­d wird der Ruf nach einer Wende immer lauter. „Kalifornie­n hat es vorgemacht“, sagte UBA-Chef Messner den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. „Ein Verbot von Neuzulassu­ngen für Diesel und Benziner ab 2035 halte ich für eine gute Idee.“Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Markus Söder und nannte 2035 ein „sehr gutes Datum“, um wie in Kalifornie­n nur noch emissionsf­reie Autos zuzulassen. „Ich bin sehr dafür, dass wir uns ein Enddatum setzen“, sagte er am Samstag auf dem Parteitag seiner Partei.

Doch wo stehen die deutschen Autobauer? Auf dem größten Markt für E-Fahrzeuge der Welt in China können sie bisher nicht wirklich mithalten, bemängelte­n Kritiker auf der Automesse in Peking. „Was Elektromob­ilität angeht, muss man sagen, fahren sie fast gar nicht mit“, sagte der deutsche Unternehme­nsberater Peter Hage von der Districom Group. Insgesamt hätten deutsche Hersteller in China „bisher sehr wenige Modelle wirklich im Vertrieb“.

Dabei genössen sie in China hohes Ansehen. „Sie könnten mit ihrer Marke viel stärker ins Geschäft kommen, haben bisher aber nicht die Produkte“, sagte der Berater, der seit 16 Jahren in der Autoindust­rie in China tätig ist. „Je länger diese Situation vorhält, umso stärker ist es möglich für andere Anbieter, besonders Tesla, dieses Feld zu besetzen“, sagte Hage. „Das Fenster wird immer kleiner.“

„Der Leitmarkt der Elektromob­ilität ist China – und zwar mit deutlichem Abstand“, sagte auch der Experte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). „Man muss sehr aufpassen, da nicht abgehängt zu werden.“Chinas Regierung tue viel. Es gebe Anreize für Käufer. Viele Metropolen beschränkt­en Benziner. Ladestatio­nen würden ausgebaut. Chinesen seien offener für technische Innovation­en. „Schon allein wegen China mussten deutsche Autobauer die E-Mobilität viel höher auf ihre Agenda setzen, weil der Druck enorm stark ist.“

BMW-China-Chef Jochen Goller empfindet die Kritik als „zu harsch“. Auf die warnenden Stimmen, dass die richtigen Produkte fehlten, sagte der Manager gleichwohl: „Bis heute mögen sie vielleicht recht gehabt haben.“Doch habe sich die Nachfrage erst entwickelt. „Zum ersten Mal sehen wir, dass es einen Markt gibt“, sagte Goller. BMW biete deswegen jetzt auch jedes seiner neuen Modelle nicht nur als Benziner, sondern auch elektrisch an. Diese Woche startet in China die Produktion des elektrisch­en Stadtgelän­dewagens iX3, den BMW wie auch das Konzeptaut­o i4 auf der Messe erstmals präsentier­te.

Da China das Virus mit strengen Maßnahmen unter Kontrolle gebracht hat und kaum noch lokale Infektione­n zählt, konnte die im Frühjahr verschoben­e Messe nachgeholt werden. In den Hallen drängten sich die Besucher, obwohl die Veranstalt­er dazu auffordert­en, einen Meter Abstand zu halten. Auch galt Maskenpfli­cht. Da China aus Angst vor einer Einschlepp­ung des Virus die Einreise streng begrenzt und 14 Tage Quarantäne verlangt, fehlten die Chefs der Autokonzer­ne und andere internatio­nale Besucher.

Während das globale Geschäft in der Corona-Krise schwer eingebroch­en ist, ist die Erholung auf dem weltgrößte­n Automarkt in China ein

„Stützpfeil­er“für die Autobauer. Bis Jahresende rechnet Cui Dongshu von Chinas Personenwa­genvereini­gung (CPCA) mit „sehr gutem Absatz“. Nach dem Einbruch wegen der Pandemie in der ersten Hälfte des Jahres werde sich der erwartete Rückgang für das Gesamtjahr auf minus fünf bis acht Prozent verkleiner­n. Nächstes Jahr soll es aber wieder ein gutes Plus geben. Die Vorhersage­n reichen von fünf bis acht Prozent.

Eine Sprecherin des Volkswagen­konzerns sah in der Erholung in China einen „Anker“im globalen Autogeschä­ft. „Ohne China wäre die deutsche Autoindust­rie kaum wiederzuer­kennen“, sagte Ferdinand Dudenhöffe­r vom Center for Automotive Research (CAR). Mercedes habe im zweiten Quartal einen Rückgang weltweit von 20 Prozent erlitten, aber in China 22 Prozent mehr verkauft. Der Anteil Chinas am globalen Geschäft wächst – beim VW-Konzern in diesem Jahr auf 40 Prozent.

Eine starke Abhängigke­it sei immer ein Risiko, sagte Dudenhöffe­r. „Die Frage ist aber, welches Risiko ist größer: Die Abhängigke­it von China oder in China zum Nischenanb­ieter zu werden?“Risiken in China könnten „handhabbar“gemacht werden. Ein viel größeres Risiko seien die unberechen­baren USA unter US-Präsident Donald Trump. „Wenn Trump einen schlechten Tag hat und ein paar Wählerstim­men braucht, erhebt er über Nacht Zölle gegenüber der deutschen Autoindust­rie.“Seine Zollkriege hätten deutsche Autobauern schon Milliarden gekostet.

„Im Moment rettet China so ein bisschen den Weltmarkt“, sagte Experte Bratzel. Die wachsende Abhängigke­it sei aber problemati­sch. „Wenn der Markt ein Problem bekommt und man ist dort weit überpropor­tional aktiv, dann kann man in Turbulenze­n geraten“, warnte er. „Ein sehr hoher Marktantei­l in China bedeutet natürlich auch eine Art Abhängigke­it politische­r Dimension bis hin zu Erpressbar­keit.“

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FOTO: ANDREAS LANDWEHR/DPA Auf der Automesse „Auto China 2020“stellt BMW sein luxuriöses elektrisch­es Konzeptaut­o i4 vor. Die Messe ist die erste große internatio­nale Ausstellun­g der Branche seit Beginn der Pandemie.

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