Weniger Besucher, mehr Käufer
Interboot in Friedrichshafen in deutlich kleinerem Umfang – Messe zieht dennoch positive Bilanz
FRIEDRICHSHAFEN - Hans Roleans ist positiv überrascht. In den vergangenen Tagen konnte der Europa-Chef des US-Motorbootherstellers Sea Ray viele Neukunden gewinnen. „Dieses Jahr waren weniger Besucher auf der Interboot unterwegs, dafür war aber die Effizienz viel höher“, sagt er. Im Vergleich zu vergangenem Jahr konnte er 50 Prozent mehr Boote verkaufen. Dass sich manche Aussteller gegen die Messeveranstaltung in Friedrichshafen entschieden haben, wertet er als Fehler.
Die internationale WassersportAusstellung Interboot ist die erste größere Messe, die dieses Jahr in der Region trotz Corona stattgefunden hat. Mit rund 200 Ausstellern und 29 300 Besuchern war der Umfang aber deutlich kleiner. Zum Vergleich: vergangenes Jahr waren rund 83 300 Besucher und 484 Aussteller auf der Interboot. Trotzdem zieht die Messe ein positives Resumee: Aussteller verzeichneten „hervorragende Verkäufe“, die Besucher seien in Hinblick auf die Abstandsregeln diszipliniert gewesen. „Wir freuen uns, dass der Mut von allen belohnt wurde“, sagt Messegeschäftsführer Klaus Wellmann.
Mutig mussten die Aussteller dieses Jahr tatsächlich sein, immerhin hätte die Interboot wegen Corona kurzfristig nicht oder verkürzt stattfinden können. Die Messekosten hätte die Messe nicht zurückerstattet. Ein finanzieller Verlust, den viele Aussteller in Kauf genommen haben – und jetzt froh darüber sind.
„Der Verkauf unserer Produkte bei der Messe war weit über den Erwartungen“, sagt Bernd Flügel, Geschäftsführer von F2, einem Hersteller von Surf- und Paddling-Zubehör. Auch er verzeichnet 50 Prozent mehr Verkäufe als im vergangenen Jahr.
Auf der Messe seien nun mehr Gäste mit „hoher Qualität“unterwegs. „Wer dieses Jahr zur Messe kommt, ist auch wirklich interessiert“, sagt er. Jede zweite Beratung sei zu einem Kaufabschluss geworden. „Im Wintersport haben wir allerdings ein Drittel weniger Produkte verkauft als sonst“, sagt Flügel.
Die vergangenen Monate seien wirtschaftlich eine Achterbahnfahrt für das Unternehmen gewesen. Die Monate März und April seien existenzbedrohend für das Unternehmen
gewesen. Seine Händler wollten keine Waren mehr annehmen. F2 musste Lagerhallen mieten, um die Produkte zu verstauen. „Nach dem Lockdown war die Nachfrage dann so hoch, dass wir fast zwölf Stunden, sieben Tage die Woche arbeiten mussten“, erinnert sich Bernd Flügel.
Damit erfährt das Unternehmen einen Trend, den viele Messebesucher beschreiben: Wassersport und Boote scheinen in Corona-Zeiten beliebter geworden zu sein. „Menschen, die sich sonst ihre Finka in
Spanien gekauft hätten, haben sich bei uns eben für ein Motorboot entschieden“, sagt Hans Roleans. Mit dem könne man nämlich auch in Deutschland Urlaub machen.
Ähnlich sieht es auch Michael Zupritt, Geschäftsführer bei Mizu. Das Unternehmen stellt unter anderem Sportboote her. Die Bootsbranche profitierte seiner Meinung nach von den veränderten Urlaubsbedingungen in diesem Jahr. Viele Besucher, die sich über seine Boote informiert haben, hatten auch wirklich ein Interesse daran, sie zu kaufen. Genaue Verkaufszahlen kann er aber noch nicht nennen. „Es war aber auf jeden Fall die richtige Entscheidung, auf der Messe auszustellen“, sagt Zupritt.
„Code-Zero“-Co-Inhaber Marcin Matla ist die Messe wichtig, um neue Kunden aber auch lokale Vertreiber zu finden. Bisher ist er sehr zufrieden mit den Gesprächen in Friedrichshafen. „Deutschland ist ein riesiger Markt – direkt nebenan“, sagt Matla. Das polnische Unternehmen stellt Taschen aus gebrauchten Segeln her. Die Verkäufe auf der Messe kann „codezero“gut gebrauchen. Denn im Vergleich zum vergangenen Jahr verzeichnet das Unternehmen unterm Strich bisher 50 Prozent Umsatzeinbuße. Positiv bleibt er trotzdem: „Jeder versucht sich an die Situation anzupassen.“