Auf Corona-Streife statt im Kindergarten?
Mitarbeiter der Stadtverwaltung sollen inkognito bei Kontrollen mithelfen
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Rathausmitarbeiter als eine Art verdeckte Ermittler im Kampf gegen eine zu laxe Erfüllung der Corona-Auflagen in den Kneipen und Lokalen der Doppelstadt – dieser Vorschlag bringt so manchen Gastronomen auf die Palme. Und auch Teile der Rathausbelegschaft sind alles andere als begeistert.
Nach einigen Verstößen gegen die Verordnungen in der Gastronomie in Villingen-Schwenningen sieht sich die Stadt zum Handeln gezwungen. Die Corona-Kontrollen sollen ausgeweitet werden – doch sie sollen nicht nur häufiger stattfinden, sondern auch verdeckt. Und weil das Ordnungsamt ohnehin unter der Last der ihm aufgebürdeten Aufgaben ächzt, sind es ganz normale Verwaltungsmitarbeiter, die ihnen nun unter die Arme greifen sollen. Quasi als verdeckte Ermittler können nun bei der Stadt Villingen-Schwenningen Arbeitende auf „Corona-Streife“durch die Gastronomie im Oberzentrum gehen.
Aus heiterem Himmel trifft diese Maßnahme die Wirte nicht – am 14. September ging ein Rundschreiben an ihre Adressen. Darin schreibt ein Mitarbeiter des Bürgeramtes von so genannten „Testbesuchen“, bei welchen „nicht erkennbar ist“, dass gerade eine Überprüfung erfolgt. Und er kündigt häufigere Kontrollen an als bislang. Weil das Bürgeramt alleine personell nicht in der Lage dazu sei, erhalte es Unterstützung von Beschäftigten anderer Ämter.
Die Stadtverwaltung bestätigte die Ausweitung der Kontrollen auf Nachfrage und betonte: „Das Ziel der Kontrollen ist nicht etwa eine Gängelung unserer eh schon gebeutelten Gastronomie, sondern die Wahrung der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger.“Es gebe eine Menge vorbildlicher Gastronomie-Betriebe in VS, die die Corona-Regelungen erfüllen und danach handeln. „Aber es gibt auch schwarze Schafe, die diese
Regeln noch nicht so streng umsetzen, wie es unbedingt erforderlich wäre. Wir haben dazu auch etliche Hinweise aus der Bevölkerung erhalten.“
Wie hoch die Verwaltungsspitze das Thema einstuft, wird beim Blick auf die Vergütung für den KneipenAufenthalt deutlich: „Es handelt sich hierbei um einen dienstlichen Einsatz, der entsprechend als Arbeitszeit angerechnet wird und die Kosten für Auslagen übernommen werden“, bestätigt Pressesprecherin Madlen Falke. Was in der Mitteilung der Verwaltung geschrieben, nüchtern klingt, sorgte hinter den Kulissen der Rathäuser in Villingen und Schwenningen für Entrüstung. Denn: So würden durch die CoronaKontrollen für den KOD anderswo personelle Löcher aufgerissen.
Laut Falke gibt es für die Kontrollbesuche entsprechende Vorgaben. Insider berichten, die Mitarbeiter könnten pro Abend vier Kneipen für jeweils 30 Minuten aufsuchen – pro Lokalität stehe ihnen ein Getränk zu, das aufs Haus gehe, genauer: aufs Rathaus. Ganz besonders pikant: Durch die Mitarbeiterregelung hätten Kontrollen in Shisha-Bars angeblich erst möglich gemacht werden sollen. Die Belegschaft des KOD bestehe nämlich ausschließlich aus Nichtrauchern, die keine Kontrolle in diesen Etablissements vornehmen würden. Verwaltungsmitarbeiter sollten dort für eine Kontrolle eine Dreiviertelstunde Zeit bekommen. Arbeitszeit versteht sich. Genau das soll der Knackpunkt für den Protest gewesen sein: Geht beispielsweise die Erzieherin abends auf CoronaStreife, fehle diese Arbeitszeit tagsüber im Kindergarten. Vor allem Amtsleiter sollen deshalb gegen den Vorschlag Sturm gelaufen sein. Trotzdem kann die Stadtverwaltung nun bestätigen, dass zivile Kontrollen durch amtsfremde Mitarbeiter vorgenommen werden.
Um die notwendigen Kontrollen in der Menge durchführen zu können, sei um die „freiwillige Unterstützung
von städtischen Mitarbeitern geworben“worden, „die nicht im Bürgeramt beschäftigt sind“. Wie bereits bekannt, könne das Bürgeramt die „Masse an Aufgaben“, durch das vorhandene Personal kaum noch alleine bewältigen. In manchen Fällen ist nun das Tischtuch zwischen Gastwirt und Stadtverwaltung zerschnitten. „Ich traue mich schon gar nicht mehr, Mitarbeiter der Stadt zu bewirten aus Angst, sie finden irgendeinen Fehler“, gesteht einer von ihnen.
Dass Kontrollen grundsätzlich richtig und wichtig sind, steht für den Dehoga-Kreisvorsitzenden Michael Steiger außer Frage. „Eins ist klar: Die Gastronomen haben sich daran zu halten und zwar alle, sonst entsteht eine Wettbewerbsverzerrung“, sagt er im Gespräch. Es sei fatal, wenn nicht ordentlich sitzende Mundschutze neue Fälle auslösten oder Infektionsketten nicht zu stoppen seien, weil die Daten ihrer Kontaktpersonen fehlten. Deshalb stehe er auch als Gastronom voll hinter den Verordnungen. Aber er stellt ebenfalls klar: „Denunziantentum brauchen wir keines.“