Der Quadruple-Gewinner kann doch verlieren
Müde Bayern kassieren beim Wiedersehen mit Sebastian Hoeneß ein 1:4 bei der TSG Hoffenheim
SINSHEIM (SID/dpa) - Bayern-Trainer Hansi Flick zog nach dem Abpfiff seine dunkelblaue Jacke an, schritt ohne sichtbare Emotion zu Sebastian Hoeneß und gab seinem Kontrahenten zur Gratulation eine kurze Umarmung. Das 1:4 (1:2) des müden Quadruple-Gewinners aus München bei der TSG Hoffenheim, die erste Pflichtspielpleite des Rekordmeisters seit fast zehn Monaten, hatte den erfolgsverwöhnten Coach offenbar nicht wirklich überrascht.
„Es war ja klar, dass wir irgendwann verlieren. Wir haken dieses Spiel ab und vertrauen immer noch in unsere Stärke“, sagte Flick durchaus gelassen, nachdem seine Stars abgekämpft den Platz verlassen hatten. Die Supercup-Strapazen rund um das kräftezehrende 2:1 nach Verlängerung gegen den FC Sevilla in Budapest nur drei Tage zuvor hatten die Bayern in Kombination mit einem Defensiv-Desaster in die Knie gezwungen. Dass seine Spieler ausgelaugt waren nach dem Reise- und Spielstress der vergangenen Tage, wollte Flick nur zum Teil gelten lassen. „Ich schiebe das nicht allgemein auf die Müdigkeit. Wir haben es einfach nicht geschafft, entschlossen und zielstrebig Chancen herauszuspielen. Wir haben dem Gegner zu einfach Torchancen ermöglicht und waren im Angriff nicht durchschlagskräftig genug“, urteilte er.
Ermin Bicakcic (16.), Munas Dabbur (24.) und Doppelpacker Andrej Kramaric (77./90.+2, Foulelfmeter) waren für Hoffenheim erfolgreich. Nur Joshua Kimmich (36.) traf für die Münchner, die so die erste Pflichtspielniederlage seit dem 1:2 bei Borussia Mönchengladbach am 7. Dezember
2019 kassierten. Seitdem hatten die Bayern 32 Partien in Folge nicht verloren, in den zurückliegenden 23 Begegnungen waren die Münchner immer als Sieger vom Platz gegangen.
Kritisieren wollte Flick seine Profis nicht: „Von der Einsatzbereitschaft und dem Willen kann ich der Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen. Die Mentalität nach den 120 Minuten von Donnerstag war top.“Das Programm für den FC Bayern bleibt heftig – bereits am Mittwoch steht der nationale Supercup gegen Borussia Dortmund an.
Die von Hoeneß perfekt eingestellten Hoffenheimer nahmen München gar die Tabellenführung ab. Für Trainer Hoeneß, den Neffen von Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß, war die Überraschung ein besonderer Triumph. „Es ist so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagte er. „Die Mannschaft hat gezeigt, was sie kann heute.“Dennoch: „Die Tabelle bedeutet gar nichts, ehrlich gesagt“, betonte der frühere Coach der Bayern-Amateure: „Wir nehmen die Freude mit, aber wir müssen das einordnen.“TSGSportchef Alexander Rosen kündigte indes überglücklich bei Sky an, sich
Hansi Flick nach diesem „geschichtsträchtigen Spiel“durchaus „ein kleines Schlückchen“zu gönnen.
Flick hatte bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte zunächst auf Stürmerstar Robert Lewandowski verzichtet. Anstelle des Polen, der zunächst auf der Reservebank saß, lief der Niederländer Joshua Zirkzee von Beginn an auf. Vor 6030 zugelassenen Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena bestimmten die Gäste, die Ende Februar das von Zuschauerbeleidigungen gegen den Hoffenheimer Mehrheitseigner Dietmar Hopp überschattete Spiel in Sinsheim 6:0 gewonnen hatten, zunächst das Geschehen, wurden dann aber kalt erwischt. Nach einer Ecke von Dennis Geiger traf Bicakcic per Kopf. Wenig später nutzte Dabbur den Aussetzer des französischen Weltmeisters Benjamin Pavard und baute den Hoffenheimer Vorsprung aus.
Als Reaktion auf den Zwei-ToreRückstand riskierten die Bayern frühzeitig sehr viel und entblößten die Abwehr. Den Kraichgauern boten sich so gute Konterchancen. Den Treffer markierte allerdings Kimmich. Auch danach ging es hoch her.
Obwohl die Bayern auf den Ausgleich drängten, war den Münchnern die Müdigkeit anzumerken. Völlig ungewohnt fehlte trotz des eingewechselten Lewandowskis die Durchschlagkraft in der Offensive, die Pässe kamen oft nicht an. TSGTop-Torjäger Kramaric machte mit seinem vierten und fünften Saisontor den Deckel drauf – den Schlusspunkt (und damit auch die Eroberung der Tabellenspitze) setzte er nach einem von Nationaltorwart Manuel Neuer verschuldeten Elfmeter.
„Es war ja klar, dass wir irgendwann verlieren.“