Zeitzeugin: Über Deportationen gab es nur Gerüchte
Ausstellung „Verlegt nach unbekannt“noch bis Samstag in Geisingen - Erinnerung an getötete Heimbewohner
GEISINGEN - Noch bis Sonntag, 25. Oktober, ist die Ausstellung „Verlegt nach unbekannt“in der evangelischen Markuskirche in Geisingen zu sehen. Der Kreisarchivar des Schwarzwald-Baar-Kreises, Clemens Joos, hat diese Ausstellung zusammengestellt. Anlaß ist die erste Deportation von Bewohnern des Geisinger Pflegeheims Anfang Oktober 1940.
Nach dem ersten Transport folgten weitere, bis ins Jahr 1945. Insgesamt wurden 66 Personen aus der damaligen Geisinger Kreispflegeanstalt abtransportiert. Nicht alle wurden, wie die ersten 16 Deportierten, in der Tötungsanstalt in Grafeneck umgebracht, einige überlebten die NS-Herrschaft in anderen Einrichtungen. Lange Zeit hatte die Heimverwaltung einen Mantel des Schweigens über die unrühmliche Geschichte gelegt.
Zeitzeugen gibt es mittlerweile nicht mehr viele. Irma Kindler aber ist eine von Ihnen. Sie kann sich noch an die Zeit erinnern, die sie als Jugendliche miterlebt hat. „Ja, von Bussen habe ich gehört“, sagt sie. Es habe auch Gerüchte gegeben, dass da etwas seltsames vorging. „Man hat gewusst, dass etwas anders ist, man hat aber nie etwas genaues erfahren“, so Irma Kindler. Die 94-Jährige hat noch viele Unterlagen und Tagebücher aus der damaligen Zeit.
Sie ist im Gasthaus Hecht groß geworden und hat dort als junges Mädchen die Gäste bedient. Aber mitbekommen, was tatsächlich passiert ist, habe kaum jemand, erinnert sie sich. Man habe nur getuschelt. Außerdem seien viele auf der Linie der Nationalsozialisten gewesen. Erst als die ersten Gefallenen zu beklagen waren, habe sich das – wenn auch oft heimlich – geändert.
So gut wie nichts mitbekommen habe die Bevölkerung auch von den Hunderten Toten, die in den Heimen systematisch gesteuert verhungert sind. Auch dazu habe man nur getuschelt, erinnert sich Irma Kindler.
Die Einrichtung war zu dieser Zeit überbelegt, Nahrungsmittel aus der Landwirtschaft wurden teilweise von den Franzosen requiriert und standen den Heimbewohnern nicht mehr zur Verfügung. Einige Hundert der bis zu 500 Heimbewohnern sind an Unter – und Mangelernährung gestorben.