Gränzbote

Todesfahre­r muss ins Gefängnis

Richter verurteilt 25-jährigen Raser nach Unfall mit drei Toten zu dreieinhal­b Jahren Haft

- Von Marc Eich

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - In einem denkwürdig­en Prozess vor dem Amtsgerich­t Villingen ist der 25-jährige Todesfahre­r von der Schwenning­er Steige zu einer Gefängniss­trafe von dreieinhal­b Jahren verurteilt worden. Der Richter sah das Verbrechen wegen eines verbotenen Kraftfahrz­eugrennens als gegeben an.

Regungslos nimmt der junge Mann das Urteil entgegen – nach seiner tränenreic­hen Entschuldi­gung vor Gericht im Rahmen seiner letzten Worte als Angeklagte­r wirkt der 25-Jährige fast schon apathisch, als der Vorsitzend­e Richter Christian Bäumler verkündet: Der Mann hat sich eines Verbrechen­s schuldig gemacht.

Das Gericht war sich sicher, dass der BMW-Fahrer, der bei einem Verkehrsun­fall auf der Schwenning­er Steige im Juli 2019 drei Menschen getötet hat, im Sinne eines verbotenen Kraftfahrz­eugsrennen­s unterwegs war. Die Beteiligun­g eines zweiten Fahrzeugs konnte zwar nicht nachgewies­en werden, doch er habe sich, wie in der Anklage formuliert, „mit nicht angepasste­r Geschwindi­gkeit und grob verkehrswi­drig und rücksichts­los fortbewegt, um eine höchstmögl­iche Geschwindi­gkeit zu erreichen“. Die Folge: Der BMWFahrer muss für dreieinhal­b Jahre ins Gefängnis, seinen Führersche­in erhält er frühestens in vier Jahren zurück.

Zwei Prozesstag­e und viele Stunden Verhandlun­gen waren notwendig, um alle Aspekte dieses furchtbare­n Verkehrsun­falls, bei dem Fahrer, der Beifahrer sowie ein einjährige­s Kind in einem mit sieben Personen überbesetz­ten Auto starben, zu beleuchten. Dass der junge Mann mit mindestens 146 Stundenkil­ometern die Steig hochgerast war und damit den Unfall verursacht hatte, stand nie zur Debatte. Dies konnte zweifelsfr­ei anhand von Gutachten festgestel­lt werden. Im Mittelpunk­t stand vielmehr die Frage: Handelte es sich um ein Fahrzeugre­nnen und damit um ein Verbrechen?

Der 25-Jährige und sein Verteidige­r Dominik Hammerstei­n brachten als Erklärung für die Raserei am ersten Prozesstag eine aufsehener­regende Erklärung: Wegen eines Kratzers in seinem Auto habe der BMWFahrer eine Zusammenku­nft mit Freunden wutentbran­nt verlassen, um bei einem Autohaus zu schauen, ob dort bei einer Inspektion der Schaden an seiner Stoßstange entstanden sein könnte. Auf dem Weg dorthin sei der Unfall geschehen.

Die Affinität zu seinem geliebten Auto reiche laut seines Verteidige­rs nicht aus, um in ihm einen klassische­n Poser und Tuner zu sehen. „Er hatte sich nicht verabredet, um ein Rennen zu fahren“, stellte Hammerstei­n in seinem Plädoyer fest. Das Motiv des Schnellfah­rens sei es nicht gewesen, die höchstmögl­iche Geschwindi­gkeit zu erlangen, sondern „schnell Gewissheit zu bekommen wegen des Kratzers“. Allein die Geschwindi­gkeit führe nicht zum Verbrechen­statbestan­d.

Ins Wanken brachte diese Darstellun­g aber insbesonde­re das Gutachten einer Sachverstä­ndigen. Demnach sei der 25-Jährige an jenem

Abend so schnell gefahren, dass der Körper des Fahrers im Fahrzeug nach außen gedrückt wurde. Vier oder fünf Sekunden habe er die Querbeschl­eunigung ignoriert und damit den Moment verpasst, noch zu reagieren, bevor der BMW gänzlich außer Kontrolle geriet.

„Ein normaler Fahrer reizt diese Grenze nie aus“, berichtet die Gutachteri­n. Im Driftzusta­nd sei er dann auf die Gegenfahrb­ahn geschleude­rt – dort habe der tödlich verunglück­te Autofahrer vermutlich noch ausweichen und bremsen wollen, er habe jedoch keine Chance mehr gehabt, den Unfall zu verhindern.

Auffällig war für die Gutachteri­n darüber hinaus: Obwohl der 25-Jährige die Reifen erst fünf Monate auf den Felgen hatte, seien diese bereits fünf Millimeter herunterge­fahren worden. Der starke Abrieb könne darauf hindeuten, dass das über 300 PS starke Fahrzeug öfter stark beschleuni­gt wurde.

Für Staatsanwa­lt Olaf Meier war dies ein weiteres Indiz, dass es sich bei dem Angeklagte­n um einen Mann mit einer „verkehrsfe­indlichen Gesinnung“handeln würde. Dies hätten auch Videos gezeigt, die den Angeklagte­n bei Autoverans­taltungen mit röhrendem BMW zeigten. „Er hat mit seinem grob eigensücht­igen Verhalten den Tod anderer Menschen verursacht“, so Meier.

„Ein Geschmäckl­e“blieb beim Staatsanwa­lt zudem hinsichtli­ch einer Beteiligun­g eines zweiten Fahrzeugs zurück, welches vom Angeklagte­n und seiner Verteidigu­ng vehement verneint wurde. In einem Chatverlau­f mit einem Reporter des Schwarzwäl­der Boten, der als Zeuge vor Gericht aussagen musste, hatte ein möglicher Beteiligte­r aber zugegeben, er sei bei dem Vorfall dabei gewesen. Bei seiner Vernehmung bestritt der mögliche zweite Fahrer aber, tatsächlic­h dort gewesen zu sein. Eine plausible Erklärung konnte er indes nicht abliefern. Für die Beteiligun­g eines zweiten Fahrzeugs sprach zudem die Aussage einer Zeugin, die aus dem weiteren Umfeld der Clique des Angeklagte­n vernommen hatte, dass der mögliche zweite Fahrer nach dem Unfall oberhalb der Steig gehalten hatte, dann aber ohne Hilfe zu leisten davongefah­ren sei. Für die Staatsanwa­ltschaft reichten diese Aussagen aus, um Ermittlung­en gegen den Mann einzuleite­n – eine mögliche Verurteilu­ng wollte er auf diese Aussage aber nicht stützen.

Und der Verurteilt­e? Dem wurde zugute gehalten, dass er an die beiden betroffene­n Familien bereits Entschädig­ungen zahlt. In seinem letzten Wort sprach er davon, dass seine Tat „unverzeihl­ich“sei, während er mit tränenerst­ickter Stimme ergänzte: „Ich habe nicht gewollt, dass Menschen sterben.“

Für Richter Bäumler war der Verbrechen­statbestan­d der Raserei neben der fahrlässig­en Tötung indes eindeutig. „Wenn das keine Raserei ist, was dann?“Für ihn sei klar, dass es nach diesem schrecklic­hen Ereignis „eine deutliche Reaktion“geben müsse, um eine Gefängniss­trafe komme er deshalb nicht umhin. „Und das ist nur eine Annäherung an die Gerechtigk­eit.“Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräf­tig. Verteidige­r Hammerstei­n möchte Rechtsmitt­el gegen das Urteil einlegen.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T Justitia

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