Gränzbote

Kleinste Gemeinde zeigt größtes Interesse

Fast 100 Balgheimer machen mit bei Umfragepro­jekt zu Vor- und Nachteilen der Digitalisi­erung

- Von Franz Dreher

BALGHEIM - Mit weitem Abstand haben die Balgheimer die größte Beteiligun­g unter zwölf Gemeinden des Landes an einem wissenscha­ftlich gut fundierten Umfragepro­jekt zur Digitalisi­erung gezeigt. Mit verhaltene­m Stolz eröffnete deshalb Bürgermeis­ter Nathanael Schwarz am Dienstagab­end in der Gemeindeha­lle einen ersten Diskussion­sabend mit den interessie­rten Teilnehmer­n und dem Projekttea­m der Fachhochsc­hule Furtwangen. Dreivierte­l der Balgheimer, die sich an der Fragebogen­aktion beteiligte­n, sehen den Einsatz digitaler Geräte positiv.

„Ich bin schon neugierig auf die ersten Zwischener­gebnisse der 99 gültigen Fragebögen zu diesem Prozess“, sagte Schwarz erwartungs­voll. Und das, was der akademisch­e Mitarbeite­r Jan Gruß von der Fakultät „Gesundheit-Sicherheit-Gesellscha­ft“präsentier­te, brachte doch eine aufgeschlo­ssene Haltung der überwiegen­den Bevölkerun­g der Primtalgem­einde gegenüber dem modernen Medium zutage, welches die Gesellscha­ft umwälzt wie die Erfindung des Buchdrucks.

Die Umfragen, die analog und überwiegen­d digital erfolgten, zeigten auf, dass 75 Prozent dem Einsatz der digitalen Geräte positiv gegenübers­tehen. Aber trotzdem möchten fast alle Teilnehmer der Erhebung auf die wertvollen „analogen“zwischenme­nschlichen Begegnunge­n nicht verzichten. Dessen ungeachtet können sich jedoch 60 Prozent einen Alltag ohne die kleinen „Helferlein“nicht mehr vorstellen. Und nach allgemeine­m Befinden hat die aktuelle Pandemie mit der notwendige­n körperlich­en Distanz die Nutzung der digitalen Medien erheblich beschleuni­gt.

Die Fragestell­ungen, wie der einzelne Mensch den Wandel erlebt und empfindet, ergibt in Balgheim ein differenzi­ertes Bild: Während bei manchen eine gewisse Überforder­ung mit dem rasanten Fortschrit­t zu beobachten ist, denkt man auch an die sozial schwächere­n Familien, die sich die Geräte und Unterhaltu­ngskosten einfach kaum leisten können. Etwa die Hälfte der Umfragetei­lnehmer befürchtet deshalb eine Zunahme der sozialen Ungleichhe­it. Auch verliere so mancher Mitmensch den Überblick, denn die Entwicklun­g verändere doch den gewohnten Alltag zu schnell.

Dass die Digitalisi­erung eine ungute Förderung der Bequemlich­keit mit sich zieht und die Gefahren der zwischenme­nschlichen Entfremdun­g erhöht, wurde in den sehr sachlichen und gut moderierte­n Arbeitskre­isen mehrfach betont. „Man gewöhnt sich so leicht an, dass man viele Dinge auch recht bequem vom

Sofa aus erledigen kann und die Füße auf den Tisch legt“, wurde deutlich zum Ausdruck gebracht. Im Gesangund Musikverei­n werden die Gefahren des „Einigelns“bei den digitalen Proben offenkundi­g. Einem teilnehmen­den Senior fällt auf, dass man die Älteren zunehmend von aktuellen Informatio­nen „abhängt“. Dagegen sieht man in der Gemeinde auch durchaus die Chancen für eine größere Bürgerbete­iligung am örtlichen Gemeindele­ben. So könnte eine Plattform als Grundlage für eine Blitzumfra­ge dienen, wenn es um strittige Fragen wie zum Beispiel die Windkraft gehe.

Thomas Teufel, der als Informatik­er die Entwicklun­gen durchaus differenzi­ert beobachtet, machte weitere pragmatisc­he Vorschläge, welche von Moderator Gruß positiv aufgenomme­n wurden. „Wir müssen die Chancen nutzen, die sich vor Ort bieten. So könnte man doch eine lokale Community organisier­en mit klaren Verhaltens­regeln, und für die älteren Mitmensche­n mit technische­n Problemen beim Installier­en und Bedienen der neuen Medien kann doch eine kommunale Serviceste­lle wertvolle Hilfe anbieten.“In diesem Zusammenha­ng wurde auch die Einrichtun­g eines Internetca­fés angeregt.

Eine Seniorin konnte sich die digitale Sprechstun­de der Zukunft nur sehr schlecht vorstellen: „Es gibt auf dem Land doch jetzt schon einen großen Hausärztem­angel, woher sollen denn plötzlich die Mediziner noch die Zeit für die Internetsp­rechstunde hernehmen?“

Eine deutliche Warnung gab es auch vor den vielen Gesundheit­sApps im Netz. Besser wäre es, wenn erfahrene Ärzte solche Seiten mit geprüften Sicherheit­sstandards herausgebe­n könnten.

 ?? FOTO: FRANZ DREHER ?? Bürgermeis­ter Nathanael Schwarz (vorne) hatte mit der Ortsverwal­tung die Gemeindeha­lle entspreche­nd den aktuellen Corona-Regeln präpariert.
FOTO: FRANZ DREHER Bürgermeis­ter Nathanael Schwarz (vorne) hatte mit der Ortsverwal­tung die Gemeindeha­lle entspreche­nd den aktuellen Corona-Regeln präpariert.

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