Kleinste Gemeinde zeigt größtes Interesse
Fast 100 Balgheimer machen mit bei Umfrageprojekt zu Vor- und Nachteilen der Digitalisierung
BALGHEIM - Mit weitem Abstand haben die Balgheimer die größte Beteiligung unter zwölf Gemeinden des Landes an einem wissenschaftlich gut fundierten Umfrageprojekt zur Digitalisierung gezeigt. Mit verhaltenem Stolz eröffnete deshalb Bürgermeister Nathanael Schwarz am Dienstagabend in der Gemeindehalle einen ersten Diskussionsabend mit den interessierten Teilnehmern und dem Projektteam der Fachhochschule Furtwangen. Dreiviertel der Balgheimer, die sich an der Fragebogenaktion beteiligten, sehen den Einsatz digitaler Geräte positiv.
„Ich bin schon neugierig auf die ersten Zwischenergebnisse der 99 gültigen Fragebögen zu diesem Prozess“, sagte Schwarz erwartungsvoll. Und das, was der akademische Mitarbeiter Jan Gruß von der Fakultät „Gesundheit-Sicherheit-Gesellschaft“präsentierte, brachte doch eine aufgeschlossene Haltung der überwiegenden Bevölkerung der Primtalgemeinde gegenüber dem modernen Medium zutage, welches die Gesellschaft umwälzt wie die Erfindung des Buchdrucks.
Die Umfragen, die analog und überwiegend digital erfolgten, zeigten auf, dass 75 Prozent dem Einsatz der digitalen Geräte positiv gegenüberstehen. Aber trotzdem möchten fast alle Teilnehmer der Erhebung auf die wertvollen „analogen“zwischenmenschlichen Begegnungen nicht verzichten. Dessen ungeachtet können sich jedoch 60 Prozent einen Alltag ohne die kleinen „Helferlein“nicht mehr vorstellen. Und nach allgemeinem Befinden hat die aktuelle Pandemie mit der notwendigen körperlichen Distanz die Nutzung der digitalen Medien erheblich beschleunigt.
Die Fragestellungen, wie der einzelne Mensch den Wandel erlebt und empfindet, ergibt in Balgheim ein differenziertes Bild: Während bei manchen eine gewisse Überforderung mit dem rasanten Fortschritt zu beobachten ist, denkt man auch an die sozial schwächeren Familien, die sich die Geräte und Unterhaltungskosten einfach kaum leisten können. Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer befürchtet deshalb eine Zunahme der sozialen Ungleichheit. Auch verliere so mancher Mitmensch den Überblick, denn die Entwicklung verändere doch den gewohnten Alltag zu schnell.
Dass die Digitalisierung eine ungute Förderung der Bequemlichkeit mit sich zieht und die Gefahren der zwischenmenschlichen Entfremdung erhöht, wurde in den sehr sachlichen und gut moderierten Arbeitskreisen mehrfach betont. „Man gewöhnt sich so leicht an, dass man viele Dinge auch recht bequem vom
Sofa aus erledigen kann und die Füße auf den Tisch legt“, wurde deutlich zum Ausdruck gebracht. Im Gesangund Musikverein werden die Gefahren des „Einigelns“bei den digitalen Proben offenkundig. Einem teilnehmenden Senior fällt auf, dass man die Älteren zunehmend von aktuellen Informationen „abhängt“. Dagegen sieht man in der Gemeinde auch durchaus die Chancen für eine größere Bürgerbeteiligung am örtlichen Gemeindeleben. So könnte eine Plattform als Grundlage für eine Blitzumfrage dienen, wenn es um strittige Fragen wie zum Beispiel die Windkraft gehe.
Thomas Teufel, der als Informatiker die Entwicklungen durchaus differenziert beobachtet, machte weitere pragmatische Vorschläge, welche von Moderator Gruß positiv aufgenommen wurden. „Wir müssen die Chancen nutzen, die sich vor Ort bieten. So könnte man doch eine lokale Community organisieren mit klaren Verhaltensregeln, und für die älteren Mitmenschen mit technischen Problemen beim Installieren und Bedienen der neuen Medien kann doch eine kommunale Servicestelle wertvolle Hilfe anbieten.“In diesem Zusammenhang wurde auch die Einrichtung eines Internetcafés angeregt.
Eine Seniorin konnte sich die digitale Sprechstunde der Zukunft nur sehr schlecht vorstellen: „Es gibt auf dem Land doch jetzt schon einen großen Hausärztemangel, woher sollen denn plötzlich die Mediziner noch die Zeit für die Internetsprechstunde hernehmen?“
Eine deutliche Warnung gab es auch vor den vielen GesundheitsApps im Netz. Besser wäre es, wenn erfahrene Ärzte solche Seiten mit geprüften Sicherheitsstandards herausgeben könnten.