Geldsegen durch Crowdfunding
Archäologische Funde belegen Siedlungen in mindestens sieben Epochen seit der Steinzeit
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TUTTLINGEN-MÖHRINGEN - Die ärchäologischen Grabungen im künftigen Gewerbegebiet Donautech in Gänsäcker werden erst im kommenden Jahr abgeschlossen. Bereits jetzt steht fest: Die Funde sind für die Geschichte Möhringens bedeutend. In dem Tuttlinger Stadtteil ist „von der Steinzeit bis zum Ende der Antike in mindestens sieben Epochen gesiedelt“worden, sagt Gertrud Kuhnle vom Landesamt für Denkmalpflege.
In drei Bereichen und auf insgesamt 7,5 Hektar Fläche wird seit dem Sommer wieder nach archäologischen Überresten gegraben. Eine erste Voruntersuchung, bei der an 100 Stellen zwei Meter breite Gräben gezogen worden waren, hatte es im Vorjahr zwischen April und August bereits gegeben. Die Arbeiten auf der mit 0,38 Hektar kleinsten Fläche sind schon abgeschlossen. Diese schließt südlich an die Bundesstraße 311 an.
Anhand von gefundener Keramik habe man zwei Siedlungen ausmachen können, heißt es in der schriftlichen Antwort des Landesamtes. In der ausgehenden Steinzeit (zwischen 2800 und 2200 vor Christus) wie in der späten Eisenzeit (250 bis 15 vor Christus) hätten in Möhringen schon Menschen gelebt. Verschiedene Hausgrundrisse würden sich dabei in Stellung und Größe der Pfosten unterscheiden. „Wenn ein trapezförmiger Grundriss wie angenommen tatsächlich ins Endneolithikum (jüngste Stufe der Steinzeit/Anm.d.Red.) datieren würde, wäre das für Südwestdeutschland besonders bemerkenswert“, sagt Kuhnle, die beim Landesamt für Denkmalpflege für die Grabungen im Landkreis Tuttlingen verantwortlich ist. Weitere Erkenntnisse wird der Boden in diesem Bereich wohl nicht mehr liefern. Beim Graben habe man festgestellt, dass „wohl ein nicht unerheblicher Teil der Siedlung beim Bau der B311 undokumentiert zerstört worden ist.“
Dies ist wohl ein generelles Problem. Zwar sei, so Kuhnle, das Land Baden-Württemberg „außergewöhnlich reich an archäologischen Zeugnissen. Schätzungsweise liegen 80 Prozent der vorhandenen archäologischen Denkmale noch unerkannt im Boden, oft nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche.“Deshalb käme es nicht selten vor, dass diese bei Erschließungsarbeiten und Bauvorhaben zerstört würden. „Eine der wichtigsten Aufgaben der archäologischen Denkmalpflege ist es, möglichst viele Fundstellen zu erhalten“, meint Kuhnle. Wenn dies nicht möglich sei – etwa durch die Umplanung des Bauvorhabens
– müssten wenigstens die historischen Informationen der Denkmalsubstanz erhalten werden.
So ist es in Tuttlingen passiert. Bereits in den 90er-Jahren waren Grundrisse römischer Steingebäude im Boden westlich des geplanten Gewerbegebiets zu erkennen gewesen. Als die Stadt sich dann entschloss, die 17 Hektar von Donautech als Gewerbegebiet zu entwickeln, wurde deshalb dort eine geophysikalische Untersuchung vorgenommen. „Dabei zeichnete sich im südwestlichen Bereich, auf zwei Hektar Fläche verteilt, weitere Gebäudegrundrisse ab“, erklärt die Ausgrabungsleiterin.
In dem Bereich mit 4,8 Hektar Fläche wird weiter gegraben. Eine genaue Einordnung der Funde in die Bronze- und/oder Eisenzeit steht noch aus. Bisher wurden sechs Steingebäude freigelegt, die trotz der „oberflächlichen Zerstörung durch den intensiven Ackerbau“relativ gut erhalten sind. Die Blütezeit dieser „römischen Siedlung“fällt wohl ins 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus. „Durch die 2021 zu leistende manuelle Freilegung der Überreste werden bedeutende Einzelheiten zum Vorschein kommen“, vermutet Kuhnle. Bemerkenswert sei aber schon jetzt, dass die Ruinen im 4. und 5. Jahrhundert weiter genutzt wurden. Dies wäre durch Pfostengruben nachzuweisen. Die später siedelnden Menschen – vermutlich Alamannen – standen in sehr engem Kontakt zu den Römern.
Auf den 2,3 Hektar im Osten des Gewerbegebietes waren die Pfostenstellungen mehrerer Langbauten entdeckt worden. Auch eine Stelle für eine Brandbestattung hatten die Experten ausgemacht. Die Funde – wie Scherben von Keramikgefäßen – deuten auf die Bronzezeit (2200 bis 1600 vor Christus) hin. Es könne aber auch eine Siedlung während der Jungsteinzeit (Neolithikum) nicht ausgeschlossen werden. Lesefunde, die ehrenamtliche Mitarbeiter in den letzten Jahren bei den Begehungen auf den Ackerflächen gemacht haben, deuten auf eine hochwertige Ausstattung der Gebäude hin, meint Kuhnle. Neben Ziegelfragmenten von Dächern und einer antiken Form der Fußbodenheizung (Hypokaust-Heizanlage) wurden Reste von Estrichböden und Mosaiksteinen vom Boden aufgelesen.
Für Kuhnle ist es klar, dass ihre Arbeit in Konflikt mit den lokalen Interessen bei der Entwicklung der Kommune steht. In Tuttlingen habe die Zusammenarbeit aber reibungslos funktioniert. Den Verantwortlichen sei bewusst gewesen, dass „Kulturdenkmale den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden genießen“. Dem sei Tuttlingen aber auch nachgekommen, indem sie in Gänsäcker neben dem zeitlichen Verzug auch die Kosten für die Ausgrabung und die Dokumentation hingenommen und bezahlt haben.
Aber auch für die Stadt wird sich die Ausgrabung gelohnt haben. Für das Tal der oberen Donau werde Möhringen mit insgesamt sieben Fundstellen – neben der römischen Siedlung gab es sechs Neuentdeckungen – „eine besonders beispielhafte Stellung“einnehmen, erklärt Kuhnle. Eine weitere Ausdehnung der Ausgrabung ist wegen der Grenzen des geplanten Gewerbegebiets aber ausgeschlossen. Ob die Funde später auch einmal für die Öffentlichkeit zu sehen sind und ausgestellt werden, konnte Kuhnle zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten.
„Schätzungsweise liegen 80 Prozent der archäologischen Denkmale noch unerkannt im Boden“, sagt Gertrud Kuhnle vom Landesamt für Denkmalpflege.