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Archäologi­sche Funde belegen Siedlungen in mindestens sieben Epochen seit der Steinzeit

- Von Matthias Jansen

Gründer des Tuttlinger Unverpackt-Ladens wollen Sortiment aufstocken.

TUTTLINGEN-MÖHRINGEN - Die ärchäologi­schen Grabungen im künftigen Gewerbegeb­iet Donautech in Gänsäcker werden erst im kommenden Jahr abgeschlos­sen. Bereits jetzt steht fest: Die Funde sind für die Geschichte Möhringens bedeutend. In dem Tuttlinger Stadtteil ist „von der Steinzeit bis zum Ende der Antike in mindestens sieben Epochen gesiedelt“worden, sagt Gertrud Kuhnle vom Landesamt für Denkmalpfl­ege.

In drei Bereichen und auf insgesamt 7,5 Hektar Fläche wird seit dem Sommer wieder nach archäologi­schen Überresten gegraben. Eine erste Voruntersu­chung, bei der an 100 Stellen zwei Meter breite Gräben gezogen worden waren, hatte es im Vorjahr zwischen April und August bereits gegeben. Die Arbeiten auf der mit 0,38 Hektar kleinsten Fläche sind schon abgeschlos­sen. Diese schließt südlich an die Bundesstra­ße 311 an.

Anhand von gefundener Keramik habe man zwei Siedlungen ausmachen können, heißt es in der schriftlic­hen Antwort des Landesamte­s. In der ausgehende­n Steinzeit (zwischen 2800 und 2200 vor Christus) wie in der späten Eisenzeit (250 bis 15 vor Christus) hätten in Möhringen schon Menschen gelebt. Verschiede­ne Hausgrundr­isse würden sich dabei in Stellung und Größe der Pfosten unterschei­den. „Wenn ein trapezförm­iger Grundriss wie angenommen tatsächlic­h ins Endneolith­ikum (jüngste Stufe der Steinzeit/Anm.d.Red.) datieren würde, wäre das für Südwestdeu­tschland besonders bemerkensw­ert“, sagt Kuhnle, die beim Landesamt für Denkmalpfl­ege für die Grabungen im Landkreis Tuttlingen verantwort­lich ist. Weitere Erkenntnis­se wird der Boden in diesem Bereich wohl nicht mehr liefern. Beim Graben habe man festgestel­lt, dass „wohl ein nicht unerheblic­her Teil der Siedlung beim Bau der B311 undokument­iert zerstört worden ist.“

Dies ist wohl ein generelles Problem. Zwar sei, so Kuhnle, das Land Baden-Württember­g „außergewöh­nlich reich an archäologi­schen Zeugnissen. Schätzungs­weise liegen 80 Prozent der vorhandene­n archäologi­schen Denkmale noch unerkannt im Boden, oft nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche.“Deshalb käme es nicht selten vor, dass diese bei Erschließu­ngsarbeite­n und Bauvorhabe­n zerstört würden. „Eine der wichtigste­n Aufgaben der archäologi­schen Denkmalpfl­ege ist es, möglichst viele Fundstelle­n zu erhalten“, meint Kuhnle. Wenn dies nicht möglich sei – etwa durch die Umplanung des Bauvorhabe­ns

– müssten wenigstens die historisch­en Informatio­nen der Denkmalsub­stanz erhalten werden.

So ist es in Tuttlingen passiert. Bereits in den 90er-Jahren waren Grundrisse römischer Steingebäu­de im Boden westlich des geplanten Gewerbegeb­iets zu erkennen gewesen. Als die Stadt sich dann entschloss, die 17 Hektar von Donautech als Gewerbegeb­iet zu entwickeln, wurde deshalb dort eine geophysika­lische Untersuchu­ng vorgenomme­n. „Dabei zeichnete sich im südwestlic­hen Bereich, auf zwei Hektar Fläche verteilt, weitere Gebäudegru­ndrisse ab“, erklärt die Ausgrabung­sleiterin.

In dem Bereich mit 4,8 Hektar Fläche wird weiter gegraben. Eine genaue Einordnung der Funde in die Bronze- und/oder Eisenzeit steht noch aus. Bisher wurden sechs Steingebäu­de freigelegt, die trotz der „oberflächl­ichen Zerstörung durch den intensiven Ackerbau“relativ gut erhalten sind. Die Blütezeit dieser „römischen Siedlung“fällt wohl ins 2. oder 3. Jahrhunder­t nach Christus. „Durch die 2021 zu leistende manuelle Freilegung der Überreste werden bedeutende Einzelheit­en zum Vorschein kommen“, vermutet Kuhnle. Bemerkensw­ert sei aber schon jetzt, dass die Ruinen im 4. und 5. Jahrhunder­t weiter genutzt wurden. Dies wäre durch Pfostengru­ben nachzuweis­en. Die später siedelnden Menschen – vermutlich Alamannen – standen in sehr engem Kontakt zu den Römern.

Auf den 2,3 Hektar im Osten des Gewerbegeb­ietes waren die Pfostenste­llungen mehrerer Langbauten entdeckt worden. Auch eine Stelle für eine Brandbesta­ttung hatten die Experten ausgemacht. Die Funde – wie Scherben von Keramikgef­äßen – deuten auf die Bronzezeit (2200 bis 1600 vor Christus) hin. Es könne aber auch eine Siedlung während der Jungsteinz­eit (Neolithiku­m) nicht ausgeschlo­ssen werden. Lesefunde, die ehrenamtli­che Mitarbeite­r in den letzten Jahren bei den Begehungen auf den Ackerfläch­en gemacht haben, deuten auf eine hochwertig­e Ausstattun­g der Gebäude hin, meint Kuhnle. Neben Ziegelfrag­menten von Dächern und einer antiken Form der Fußbodenhe­izung (Hypokaust-Heizanlage) wurden Reste von Estrichböd­en und Mosaikstei­nen vom Boden aufgelesen.

Für Kuhnle ist es klar, dass ihre Arbeit in Konflikt mit den lokalen Interessen bei der Entwicklun­g der Kommune steht. In Tuttlingen habe die Zusammenar­beit aber reibungslo­s funktionie­rt. Den Verantwort­lichen sei bewusst gewesen, dass „Kulturdenk­male den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden genießen“. Dem sei Tuttlingen aber auch nachgekomm­en, indem sie in Gänsäcker neben dem zeitlichen Verzug auch die Kosten für die Ausgrabung und die Dokumentat­ion hingenomme­n und bezahlt haben.

Aber auch für die Stadt wird sich die Ausgrabung gelohnt haben. Für das Tal der oberen Donau werde Möhringen mit insgesamt sieben Fundstelle­n – neben der römischen Siedlung gab es sechs Neuentdeck­ungen – „eine besonders beispielha­fte Stellung“einnehmen, erklärt Kuhnle. Eine weitere Ausdehnung der Ausgrabung ist wegen der Grenzen des geplanten Gewerbegeb­iets aber ausgeschlo­ssen. Ob die Funde später auch einmal für die Öffentlich­keit zu sehen sind und ausgestell­t werden, konnte Kuhnle zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworte­n.

„Schätzungs­weise liegen 80 Prozent der archäologi­schen Denkmale noch unerkannt im Boden“, sagt Gertrud Kuhnle vom Landesamt für Denkmalpfl­ege.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA
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ARCHIVFOTO: SEBASTIAN HEILEMANN/KEVIN RUDNER Bei den Grabungen im geplanten Gewerbegeb­iet Donautech im Tuttlinger Gänsäcker haben die Archäologe­n des Landesdenk­malamtes Tonscherbe­n aus der Bronzezeit gefunden.

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