Heiligabend getrennt und doch gemeinsam speisen
Marion Boetel will statt der üblichen Firmenpräsente lieber ein warmes Essen spendieren und freut sich über Tipps
SPAICHINGEN - „Für meine Geschäftspartner macht es vielleicht nicht so den Unterschied, ob sie die 46. Weinflasche nicht bekommen, aber für jemand Älteren, der nicht viel hat, macht es schon einen Unterschied, ob er ein feines Essen an Heiligabend bekommt.“Marion Boetel, Geschäftsführerin der Firma Merkt Heiztechnik, möchte in diesem speziellen Jahr eine spezielle Verbindung herstellen in ihrer Heimatstadt und hat deshalb zusammen mit ihrer Tochter Eve einen Plan geschmiedet.
Die Idee ist folgende: Nachbarn oder Bekannte, die jemanden kennen, der aufs Geld achten muss und vielleicht sich in diesem Jahr wegen fortgeschrittenen Alters auch eher an Weihnachten zurückzieht, können sich melden (siehe unten stehenden Kasten). Die Firma Merkt hat bereits mit der Metzgerei/Gaststätte Hoffnung gesprochen: Diese bereitet ein Heiligabendessen - vielleicht traditionell Würstchen mit Kartoffelsalat, vielleicht aber auch etwas anderes Leckeres - vor, dass dann am Vormittag als Überraschungsgeschenk kontaktlos vor die Tür gestellt wird.
Das besonders schöne an dieser Idee: So wissen sich Menschen, die vielleicht älter, vielleicht nicht gut betucht, vielleicht wegen Corona ein bisschen einsamer, an Heiligabend miteinander verbunden, wie quasi an einer großen Tafel mit demselben leckeren Essen.
Wie kommen eine Geschäftsfrau und eine 20-jährige angehende Studentin auf eine solche Idee?
„Wir haben so viel Hilfe bekommen, als uns das Haus abgebrannt ist und wir praktisch mit nichts dastanden, und das von wildfremden Leuten, dass wir das auch gern weiter geben wollen“, sagt Marion Boetel. Die Familie ist erst in diesem Jahr ganz nach Deutschland zurück gekehrt. Sie hat zuvor in Californien, genauer Malibu bei Los Angeles, gelebt. Boetel hat schon mehrere Jahre zwischen den Welten gependelt, seit sie zuerst zusammen mit ihrem heute 82-jährigen Vater Herold Merkt, dann allein die Geschäftsführung der Heizungsbaufirma übernommen hatte.
Die beiden Zwillingstöchter waren regelmäßig in den Ferien in Spaichingen, auch in der Schule, wenn möglich, und haben bei Oma und Opa die Ferien verbracht. Die Oma ist vor einem Jahr verstorben. Boetels Mann ist Amerikaner, sie hat ihn in Schwenningen kennen gelernt und die Familie zog in die USA.
Sie haben noch die Anfänge der Coronazeit in den USA erlebt. Da sei es ganz anderes gewesen, komplette ausgangs- und Reisesperre, Panzer sind vorgefahren, um mögliche Plünderungen zu vermeiden und ähnliches.
Das Haus brannte bei den verheerenden Bränden in Californien ab, ebenso wie Thomas Gottschalks. Die Hilfsbereitschaft sei riesig gewesen, nachdem die Familie aus dem Brand geflohen war.
Jetzt ist die Familie zurück gekehrt. Und: „Es fühlt sich gut an.“
In den USA ist Thanksgiving oft der Anlass, auch an jene zu denken, die wenig oder nichts haben. Dann gibt es ein Festessen für arme Leute, einen kostenlosen Haarschnitt, ein wenig kosmetische Artikel.
Aber natürlich ist Amerika nicht mit Deutschland und seinem funktionierenden Sozialsystem zu vergleichen. Trotzdem: Eine Schilderung
in der Facebookgruppe Spaichinger Stadtgeflüster, als jemand beobachtet hat, dass eine Frau ohnehin nur das Günstigste aufs Band legte und dann nicht genug Geld hatte, aber so gern die Lieblingsleberwurst ihres Mannes kaufen wollte – die hat gezeigt, dass es Menschen gibt, die sich vielleicht über die Geste freuen.
Eve Boetel ist die Aktion sehr wichtig. Vielleicht könne man ja auch ein Kerzlein dazu packen? Sie selbst hilft bei allem mit, Mutter und Tochter verstehen sich. Es sei ihr schon immer ein Bedürfnis gewesen, zu helfen, etwa in ihrer Schule zugunsten gehandicapter Kinder. Für ihr Engagement wurde sie sogar – zu ihrer eigenen Überraschung – als Schülerin mit dem Malibu Citizenship Award, einem ganz besonderen Preis, ausgezeichnet.