Gränzbote

Feiercard statt Wirecard

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Mit der Wirecard-Affäre ist es so eine Sache. Die Summen, um die es geht, sind abstrakter als die Spätwerke von Wassily Kandinsky. Das Geschäftsm­odell versteht offenkundi­g nicht einmal die mit der Kontrolle befasste Behörde Bafin. Und der Hintergrun­d für einen der größten Finanzskan­dale der Republik ist schlicht Habgier. Emotional packend ist die ganze Angelegenh­eit deshalb noch lange nicht.

Das dachten sich wohl auch die Kollegen vom „Handelsbla­tt“, bislang eher „Apotheken-Umschau“für Großkapita­listen denn „Gala“für Geldgierig­e. Nun erfährt man dort alles aus dem Leben des Jan Marsalek. Finanzkund­ige würden ihn als „Wire cards Ex-COO“bezeichnen, Ermittler als „Hauptverdä­chtigen“– und Normalos fragen sich: „Jan wer?“

Herr Marsalek, weiß das „Handelsbla­tt“, hat mit dem Geld, das er nicht hatte, in seinem Wohnort München fröhlich herumgesch­missen. Im Schickimic­ki-Nachtclub P1 soll er einst mit den Söhnen des libyschen Diktators Muammar el Gaddafi gefeiert und mit einer Kreditkart­e aus echtem Gold bezahlt haben. Im Edelrestau­rant Tantris habe er Abertausen­de für Schampus ausgegeben. 20 000 Euro Anzahlung soll er für einen Hermelinma­ntel in der Maximilian­straße hingeblätt­ert haben. Und sogar seine Mutter wird zitiert: Es sei nicht schön, so einen Sohn zu haben.

Ganz im Ernst: Hut ab! So funktionie­ren Geschichte­n! Feiercard statt Wirecard, Gold statt Geld, Hermelin statt Bafin, Überfluss statt Untersuchu­ngsausschu­ss! Nicht auszudenke­n, dass die Kanzlerin für Marsaleks Laden sogar bei Chinas Kommuniste­n geworben hat. Irre.

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FOTO: IMAGO IMAGES Es ist manchmal doch alles Gold, was glänzt.

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