Die Sorgenfalten werden tiefer
Der Landrat zeigt sich besorgt und hofft, dass die verschärften Maßnahmen helfen
TROSSINGEN/SPAICHINGEN/ TUTTLINGEN - „Wir sind auf hohem Niveau stabil“, fasst Tuttlingens Landrat Stefan Bär die Entwicklung der Fallzahlen am Freitagmittag zusammen. Und aus dem Wort „stabil“lässt sich keineswegs ein Hoffnungsschimmer auf Besserung, oder ein „wenigstens etwas“ableiten: Die Coronalage sei kritisch, führt Bär aus. Verschärfte Maßnahmen, die der Kreis schon am Donnerstag und die baden-württembergische Landesregierung am Freitag verkündet hatten, begrüßt er. Er setzt aber auch auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung: „Nicht alles, was rechtlich zulässig ist, ist auch sinnvoll.“
Tuttlingen bleibt Hotspot-Region. Am Freitag registrierte das Gesundheitsamt 57 neue Covid-19-Infektionen. „Immerhin sind darunter 19 enge Kontaktpersonen, die wir ermitteln konnten. Wir hoffen, eine Kette damit durchbrochen zu haben“, kommentierte Bär. Mit einem wirklichen Durchbruch scheint er so schnell aber nicht zu rechnen.
Der Landrat verweist auf den deutlichen Sprung der bundes- und landesweiten Fallzahlen am Freitag. Auch der Blick auf die Entwicklung der Todesfälle im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus bereiten Bär Sorgen.
In den vergangenen Wochen seien besonders viele Menschen mit oder an Covid-19 gestorben. Darunter vor allem Bewohner von Pflegeeinrichtungen. „In den Heimen haben wir in den vergangenen Wochen in Summe 29 Todesfälle gehabt.“Das ist genau die Hälfte aller Verstorbenen.
Die Situation in den Heimen bleibe prekär. Schwerpunkt sei aktuell das Dr. Karl-Hohner-Heim in Trossingen mit 36 bestätigten Fällen. Auch im Haus Wartenberg in Geisingen hätten sich Bewohner und Pflegepersonal noch nicht erholt.
Die Heime seien sensibilisiert, er habe keine Zweifel an der Einhaltung der Hygienekonzepte, betonte Bär. Trotzdem bliebe eine Sicherheitslücke: „Fast 40 Prozent der Fälle aus den Einrichtungen fallen auf die Mitarbeiter. Das ist gefährlich, weil sie nicht 24 Stunden im Heim sind. Sie kommen und gehen, tragen das Virus möglicherweise mit rein und raus.“
Trotz aller Probleme gebe es aber auch positive Nachrichten. „Im EliasSchrenk-Haus sind aktuell weder Mitarbeiter noch Bewohner infiziert.“
Wo die Fälle sonst noch auftauchen? Bleibt undurchschaubar. Von den insgesamt 35 Kreisgemeinden sind regelmäßig deutlich mehr als zehn betroffen. Oftmals mit nur einem oder einer handvoll neuer Fälle.
Rund 100 Menschen arbeiteten aktuell für das Gesundheitsamt. Hinzu kommen zehn Bundeswehrsoldaten, die der Kreis zur Unterstützung angefordert hatte. Sie sollten bis Mitte Januar bleiben. Jetzt steht aber fest: Der Aufenthalt wird um drei Monate verlängert, erklärte Stefan Bär. Auch am Aufbau des Kreis-Impfzentrums arbeite man mit Hochdruck. „Wir tun alles dafür, dass die Sporthalle ab dem 15. Januar betriebsbereit ist.“
Solange es keinen Impfstoff gibt, greifen die Behörden auf strenge Ausgangsbeschränkungen zurück. Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte am Freitag an, dass man das Haus nur noch aus triftigen Gründen verlassen dürfe - tagsüber und nachts. Der Kreis hatte das schon für die Zeit zwischen 21 und 5 Uhr angeordnet. In diesem Fall schlägt aber Landesrecht die Kreisverordnung, weil sie die bestehenden Maßnahmen erweitert.
Ganz genau könne er noch nicht abgrenzen, wann Landes- und wann Kreisrecht gelte, sagt Bär. Dazu müsse man erst noch die Ministerpräsidentenkonferenz abwarten.
Er rechne aber damit, dass einzelne Maßnahmen aus der Kreisverordnung Bestand hätten. Darunter das Alkoholverbot im öffentlichen Raum oder die Maskenpflicht rund um Bildungseinrichtungen und Kirchen. „Soweit ich weiß, sind diese nicht in den Plänen der Landesregierung vorgesehen.“
Der Landrat wertet die Verschärfungen als unumgänglich. „Die Erfahrung aus dem November hat gezeigt: Milde Maßnahmen sind gut gemeint, helfen aber nicht.“
Auf die Frage, ob man Maßnahmen nicht schon früher hätte verschärfen können, reagiert Bär ausweichend: „Corona zeigt uns: Entscheidungen, die man vor vier Wochen getroffen hat überholen sich oftmals durch die Realität.“Aus heutiger Sicht hätte man aber sicher früher härter durchgreifen sollen, sagt der Landrat.
Damit die Verschärfungen jetzt fruchten, komme man an Kontrollen nicht vorbei. „Das wird nur mit flächendeckender Polizeipräsenz gehen.“
Fraglich bleibt, wie das Weihnachtsfest gefeiert werden kann. Aus Sicht des Landrats sind Lockerungen nicht gerade sinnvoll. Denn fachlich seien diese nie begründet gewesen. „Das war eher ein Ansatz, Normalität zu ermöglichen.“Ein Normalzustand scheint gerade aber alles andere als in greifbarer Nähe.