Gränzbote

Sabrina Domscheit lernt Gebärdensp­rache

Die angehende Lehrerin aus Wehingen beschäftig­t sich mit wortloser Kommunikat­ion

- Von Richard Moosbrucke­r

WEHINGEN - „Man kann nicht nicht kommunizie­ren“, postuliert­e schon Paul Watzlawik in seiner Kommunikat­ionstheori­e. Der Wehingerin Sabrina Domscheit (25), frisch gebackene Lehramtsan­wärterin fürs Gymnasium in den Fächern Französisc­h, Philosophi­e/Ethik und Deutsch, ist schon vor Dienstantr­itt bewusst, wie wichtig Kommunikat­ion in der Interaktio­n zwischen Lehrer und Schülern ist.

Wie sag ich`s meinen Kindern? Wie teile ich mich ihnen gegenüber mit? Wie kommunizie­re ich mit ihnen? In der fachwissen­schaftlich­en Ausbildung von Lehramtsst­udenten kommen diese Fragen häufig zu kurz. Sabrina Domscheit hat sich daher schon während ihres fünfjährig­en Studiums Gedanken gemacht, wie es wohl ist, wenn die Kommunikat­ion zwischen Lehrern und Schülern gestört ist, weil es unter ihnen welche gibt, die schlecht oder gar nicht hören können. Wie erreicht man solche Kinder? Wie findet man den Draht zu ihnen und wie teilt man sich ihnen gegenüber mit?

Aus diesem Grunde hat sie ihre Aufmerksam­keit neben ihrem Studium auch auf die Gebärdensp­rache gerichtet, mit deren Hilfe es möglich ist, sich mitzuteile­n, und zwar so, als ob es das Selbstvers­tändlichst­e sei, ohne Worte zu kommunizie­ren.

Interessan­t ist es, dass sie sich jetzt schon, bevor sie auch nur die erste Stunde am Friedrich-WöhlerGymn­asium

in Singen gehalten hat, mit solchen Fragestell­ungen beschäftig­t.

Man erfährt im Gespräch mit ihr, welches sie selbstvers­tändlich mit einer Gebärde eröffnet (siehe 1. Foto), wie sehr diese Frage in ihrer berufliche­n Laufbahn eine Rolle spielen wird.

Das Thema „Inklusion“ist in den letzten Jahren so stark in den Vordergrun­d gerückt, dass Schulen vor großen Herausford­erungen stehen. Nur bestens ausgebilde­tes Personal wird eine inklusive Beschulung möglich machen. Es steht fest, dass gerade Gehörlose oft eine ausgezeich­nete Auffassung­sgabe für sprachlich­e Probleme haben. In einem Buch über die Gebärdensp­rache wird sogar festgestel­lt: „Ihre sprachlich­en Lösungen sind nicht selten von unverwechs­elbarer Eloquenz“. In einer hessischen Gesamtschu­le, so Sabrina Domscheit, habe sie gesehen, wie die Kooperatio­n zwischen hörenden und gehörlosen Kindern praktizier­t wird. Und das habe sie fasziniert und ihre Gedanken in diese Richtung gelenkt.

Bei den fast täglichen Corona-Berichten im Fernsehen hat man gesehen, wie Gebärdensp­rache funktionie­rt, doch längst nicht alle Informatio­nen, die über den Fernsehtic­ker laufen, werden auch in Gebärdensp­rache übersetzt. Da gibt es, das weiß auch Sabrina Domscheit, noch einiges zu tun.

Und wenn man sie richtig verstanden hat, dann will sie in ihrer berufliche­n Laufbahn auch ihren Anteil dazu beisteuern. Mimik, Körperhalt­ung, Hand- und Mundbewegu­ng sind die zentralen Aspekte der Gebärdensp­rache.

Ein gehörloses Kind ist also gerade auf die sichtbaren Signale des Gegenübers angewiesen, um sie zu verstehen. Dabei spielen oft Kleinigkei­ten, die einem nicht behinderte­n Menschen gar nicht auffallen, eine große Rolle, meint Sabrina Domscheit. Sie spüren auch kleinste Vibratione­n, ihre Antennen sind so sensibel, dass sie kleinste, optische und physikalis­che Reize wahrnehmen können.

Von der Grammatik her ist die Gebärdensp­rache ganz anders aufgebaut als die Schriftspr­ache. Zum Beispiel: Der Satz: „Ich esse einen Apfel“, wird in der Gebärdensp­rache: „Ich Apfel essen“. Das Verb rückt also immer an den Schluss des Satzes. Der Fragesatz: „Wann besuchst du mich“wird in Gebärdensp­rache mit: „Du-mich-besuchst-wann?“ausgedrück­t. „Je ausdruckss­tärker das Gesicht mitspricht, desto leichter kann man einen Satz in der Gebärdensp­rache verstehen.

Denkt man jetzt an die Fremdsprac­he „Französisc­h“, dann hat man zwar ähnliche Grundmuste­r, muss aber wieder umdenken, weil die Grammatik eine ganz andere ist als im Deutschen. Es gibt also viel zu tun für Sabrina. Aber ihr Gegenüber hat in diesem Gespräch den Eindruck gewonnen, dass dies für Sabrina Domscheit eine echte Herausford­erung darstellt. Zum Schluss sagt sie kurz „Danke“in der Gebärdensp­rache und der Berichters­tatter hat es sofort verstanden.

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FOTO: MOOSBRUCKE­R Sabrina Domscheit sagt – in Gebärdensp­rache – „Hallo!“(Bild links) und „Danke für das Gespräch“.
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