Die Angst vor der Steuererklärung
Viele fürchten wegen des Kurzarbeitergelds Nachzahlungen – teils unbegründet
SIGMARINGEN - Viele Menschen in Deutschland sind wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie seit einiger Zeit in Kurzarbeit. Das hat nicht nur unmittelbar Einfluss auf den Geldbeutel, sondern auch im kommenden Jahr – und zwar in Form von Steuerrückzahlungen. Wie viel das jeweils sein wird, lässt sich pauschal nicht sagen, betont Johann Sedlacek, Beratungsstellenleiter des Steuerrings in Laiz. Eine bestimmte Gruppe könnte um eine Rückzahlung herumkommen.
Grundsätzlich, erklärt Sedlacek, ist Kurzarbeitergeld eine Lohnersatzleistung, die die Bundesagentur für Arbeit zahlt. Dadurch sollen Arbeitgeber entlastet und die Jobs ihrer Mitarbeiter erhalten werden, wenn vorübergehend Aufgaben wegfallen. Wer kinderlos ist, bekommt 60 Prozent der Differenz zum üblichen Nettolohn ausgezahlt, wer mindestens ein Kind hat, bekommt 67 Prozent. Das bedeutet, auch wenn jemand weiterhin arbeitet, allerdings durch die Kurzarbeit weniger als üblich, erhält er den Lohn für seinen Arbeitsanteil und 60 beziehungsweise 67 Prozent der Differenz zum vollen Gehalt als Kurzarbeitergeld.
Dabei gibt es eine Sonderregel: Hat ein Arbeitnehmer Kurzarbeit 50 oder weniger, wird das Kurzarbeitergeld erhöht. Derjenige bekommt ab dem vierten Monat 70 beziehungsweise 77 Prozent, ab dem siebten Monat 80 beziehungsweise 87 Prozent, erläutert Sedlacek. Diese Erhöhungen galten ursprünglich bis Ende des Jahres, wurden aber schließlich bis Ende 2021 verlängert.
Komplett geschenkt wird den Arbeitnehmern das Geld allerdings nicht. Es sei zwar steuerfrei, so Sedlacek, aber unterliegt dem Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, es wird dem übrigen zu versteuernden Einkommen zugerechnet. Daraus ergibt sich der Steuersatz, der sich mit steigendem Einkommen erhöht. Wer also ein zu versteuerndes Einkommen hat und Kurzarbeitergeld bezieht, wird 2021 voraussichtlich Steuern zurückzahlen müssen, es sei denn, ausreichend andere Aufwendungen liegen vor, die von der Steuer abgesetzt werden können. Sedlacek betont aber: „Es kommt auf den Einzelfall an, das ist sehr individuell.“Denn wie viel Steuerrückerstattung oder -rückzahlung einen Bürger erwartet, hänge von diversen Faktoren ab, darunter Fahrtkosten, Berufskleidung, Steuerberatungskosten, sonstige Kosten, die für den Job anfallen, Kirchensteuer, Spenden und anderen Abgaben, die Bürger steuerlich geltend machen können. „Keine zwei Menschen haben dieselbe Steuererklärung“, so Sedlacek.
Eine Gruppe allerdings bleibt von Rückzahlungen verschont: Gemeint sind Ledige, die derzeit in ihrem Betrieb Kurzarbeit null haben, also gar keinen Lohn. Sie müssen voraussichtlich keine Steuern zurückzahlen, sagt Sedlacek. Hintergrund ist, dass Kurzarbeitergeld steuerfrei ist. Wer also kein Einkommen, sondern nur Kurzarbeitergeld hat und somit keine Steuern zahlt, muss auch nichts zurückzahlen. Eine Ausnahme gibt es aber: Ehepaare. Hat einer von beiden weiterhin ein reguläres Gehalt, während der andere nur Kurzarbeitergeld bekommt, und haben beide eine Zusammenveranlagung, also eine gemeinsame Steuererklärung, müssen sie womöglich Steuern zurückzahlen. Deshalb, rät Sedlacek, sei eine Einzelveranlagung in dieser Situation womöglich günstiger.
Da Kurzarbeitergeld nach dem Nettolohn berechnet wird, hängt die Höhe des Betrags von der Steuerklasse ab, die auf der elektronischen Lohnsteuerkarte vermerkt ist. Deshalb rät Sedlacek Verheirateten, den in Kurzarbeit befindlichen Partner gegebenenfalls in eine andere Steuerklasse wechseln zu lassen, um mehr Nettolohn zu haben. Das ist möglich, weil Ehepaare zwischen den Steuerklassen III, IV, IV mit Faktor und V wählen können. Seit diesem Jahr ist der Wechsel mehrmals im Jahr möglich.
Wer in diesem Jahr mehr als 410 Euro Lohnersatzleistungen wie Kurzarbeitergeld bekommen hat, müsse übrigens bis 31. Juli nächsten Jahres eine Steuererklärung machen – Menschen, die einen Steuerberater oder einen Lohnsteuerhilfeverein zu Hilfe ziehen, haben Zeit bis Ende Februar 2022. So müssen zwar manche den Weg zum Finanzamt finden, die es ohne Kurzarbeit vielleicht nicht getan hätten. Deshalb ist es laut Sedlacek aber umso wichtiger, bei der Steuererklärung genau zu sein: „Wenn alle steuerlichen Aspekte berücksichtigt werden, müssen viele gar keine Nachzahlung fürchten.“