Ein Wechselbad der Feriengefühle
Den Kanaren tut die jüngste Reisewarnung besonders weh - Zuvor waren sie monatelang eine Urlauberhoffnung
MADRID - Die Christbäume in den Hotelfoyers sind aufgestellt. Die Weihnachtsbeleuchtung in den kanarischen Urlaubshochburgen Maspalomas auf Gran Canaria oder Los Cristianos auf Teneriffa funkelt am Abend. Doch die Hoffnung der Hoteliers, ihre Herbergen wenigstens in den Weihnachtsferien doch noch einigermaßen füllen zu können, schwindet. Denn seit Sonntag an ist wieder eine deutsche Reisewarnung für die Kanarischen Inseln in Kraft. Es könnte somit wieder Stornierungen hageln.
Die kanarische Reisebranche macht zum Jahresende ein Wechselbad der Gefühle durch. „Wie befinden uns seit Monaten auf einer Art Achterbahnfahrt“, sagt Jorge Marichal, der Vorsitzende des regionalen Hotelverbandes. Acht Wochen lang waren die Vulkaninseln im Atlantik eines der wenigen europäischen Ziele, für das keine Reisewarnung galt. Doch nun, kurz vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts, kam der Dämpfer aus Berlin. Und einer der besonders weh tut, denn Deutschland ist der zweitwichtigste Reisemarkt der Inseln.
Seit Wochen locken die Hotelchefs mit Sonderangeboten: Der Kanaren-Winterurlaub ist derzeit so günstig wie noch nie zu haben. „Hotels, in denen normalerweise eine Nacht für zwei Personen 200 Euro kostet, sind jetzt im Dezember schon für 70 Euro zu haben“, berichtet die Inselzeitung „Canarias7“. Die Reservierungen für die Weihnachtsferien seien bisher „nicht schlecht“gewesen, berichtet José María Mañaricúa, ein bekannter Hotelier auf Gran Canaria. „Aber wir wissen noch nicht, wie viele Reisen nun abgesagt werden.“
Die deutschen Tourismuskonzerne sind alles andere als glücklich mit der neuerlichen Reisewarnung. Sie halten diese Negativempfehlung sogar für ungerecht. „Die Entscheidung, eine pauschale Reisewarnung für alle Kanarischen Inseln auszusprechen, ist nicht nachvollziehbar“, sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes. Denn die Lage sei auf den meisten Inseln völlig unter Kontrolle.
In der Tat nimmt Deutschland den pauschalen Inzidenzwert der gesamten kanarischen Inselgruppe als Maßstab, um nun wieder eine Reisewarnung für die „Inseln des ewigen Frühlings“auszusprechen. Die wöchentliche Fallhäufigkeit lag inselweit zuletzt bei 73 Fällen pro 100 000
Bewohner. Doch in Wirklichkeit ist die Lage nur auf Teneriffa bedenklich, wo zuletzt ein Wert von 134 registriert wurde. Und auf der kleinen Insel La Gomera, wo dieser Risikowert auf 148 kletterte.
Auf allen anderen Inseln liegt die 7-Tage-Infektionszahl weit unter dem Risikowert von 50, ab dem Deutschland eine Reisewarnung aussprechen kann. Auf Gran Canaria wurden laut den letzten verfügbaren Daten 29 Fälle pro 100 000 Einwohnern gemeldet. Auf Fuerteventura waren es nur 13 und auf Lanzarote zwölf.
Zum Vergleich: In Deutschland erfasste das Robert-Koch-Institut am Sonntag eine Wocheninzidenz von 192. Damit ist das statistische Infektionsrisiko in Deutschland sehr viel höher als auf den Kanaren. Ähnlich schlecht schneiden im Vergleich mit den Kanaren übrigens auch die deutschen Nachbarländer Österreich, Schweiz und Luxemburg ab.
Vor allem deswegen stemmen sich mehrere große Tourismuskonzerne wie etwa Europas größter Veranstalter Tui gegen die offizielle Warnung und setzen ihr KanarenProgramm fort. „Da die Bundesregierung bestätigt hat, dass eine Reisewarnung kein Reiseverbot ist, bieten wir Ihnen weiterhin die Möglichkeit, mit Reisewarnung auf die Kanaren zu fliegen“, informiert Tui die Kunden auf der Webseite. Auch das Angebot für Mallorca, zusammen mit den Kanaren das wichtigste spanische Reiseziel, wird trotz deutschen Reisevetos aufrecht gehalten.
Tui berichtet, dass die Dezemberbuchungen für die Kanaren, dem beliebtesten Winterziel Europas, bisher erfreulich gut liefen. Das Unternehmen
rechne mit rund 100 000 Urlaubern, die über Weihnachten und Silvester auf die Inseln transportiert werden, teilte Tui-Vorstand Sebastian Ebel dieser Tage mit. Das seien in diesem Corona-Jahr immerhin zwei Drittel des normalen Kundenaufkommens. Doch dies war die Lage vor der Reisewarnung. Man wird demnächst sehen, wie viele Urlauber sich von diesem Veto, das für deutsche Kanaren-Heimkehrer eine Quarantäneund Testpflicht mit sich bringt, abschrecken lassen.
Die bereits seit einem Monat bestehende Pflicht, bei der Einreise auf die Kanaren (und auch auf Mallorca) einen negativen PCR-Test vorzuweisen, scheint jedenfalls den Buchungen weniger geschadet zu haben, als befürchtet. Zumal dieser Test bei Tui wie auch bei anderen Veranstaltern vergleichsweise günstig gleich mitgebucht werden kann. Die Reisefreude ist nach Monaten der persönlichen Corona-Einschränkungen in der Heimat offenbar bei nicht wenigen doch größer, als die Unlust, den Kanaren-Urlaub mit einem Laborbesuch zu beginnen.
Die kanarischen Ferieninseln im Atlantik wie auch die Balearischen Inseln mitsamt Mallorca im Mittelmeer sind übrigens die einzigen spanischen Urlaubsregionen, für die in Spanien derzeit kein Einreiseverbot gilt. Die Ferienregionen an der spanischen Festlandküste sind hingegen in diesen Weihnachtsferien immer noch Corona-Sperrgebiete. Und das heißt leider, dass auch ausländische Touristen und Ferienwohnungsbesitzer nicht an die Costa Brava, Costa Blanca oder Costa del Sol reisen können. Wer es trotzdem wagt, muss mit hohen Strafen rechnen.