Dieses Mal wird es riskant für Trump
US-Repräsentantenhaus stimmt für zweites Impeachment-Verfahren gegen den US-Präsidenten
WASHINGTON - Als erster US-Präsident muss sich Donald Trump einem zweiten Amtsenthebungsverfahren stellen. Das US-Repräsentantenhaus entschied dies am Mittwoch (Ortszeit). Die zweite Runde könnte dabei riskant für Trump werden.
Warum wurde das Impeachment beschlossen?
Donald Trump wird „Anstiftung zum Aufruhr“vorgeworfen. Der Präsident, heißt es in der ImpeachmentKlage des Repräsentantenhauses, habe zum Sturm auf das Kapitol aufgewiegelt. Zitiert werden Passagen aus einer Rede, die er am 6. Januar hielt, kurz bevor beide Kammern des Parlaments tagten, um die Ergebnisse des Präsidentschaftsvotums zu beglaubigen. Darin wiederholte er seine Lüge vom massiven Wahlbetrug und rief seinen Anhängern zu: „Wenn ihr nicht wie irre kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben.“Mit seinem Verhalten habe Trump die Sicherheit der USA und ihrer Institutionen höchster Gefahr ausgesetzt, heißt es im Text der Resolution. Er habe die Integrität der Demokratie bedroht und die friedliche Machtübergabe zu stören versucht. Er stelle eine Gefahr für die nationale Sicherheit und die Demokratie dar, falls man ihm erlaube, im Amt zu bleiben.
Trump wird das Weiße Haus am 20. Januar verlassen. Warum dann noch eine Amtsenthebung?
Die Demokraten wollen erreichen, dass er künftig nicht mehr für ein Wahlamt kandidieren kann, zumindest nicht mehr auf Bundesebene. Laut Anklagetext müsse er „disqualifiziert“werden, um in den USA nie wieder „ein Amt der Ehre, des Vertrauens oder des Gewinns“ausüben zu können.
Neben 222 Demokraten haben auch zehn Republikaner für das Impeachment gestimmt. Wie ist das einzuordnen?
Dass es nur zehn Republikaner waren, zeigt, welchen Einfluss der scheidende Präsident in seiner Partei noch immer hat. Es zeigt wohl auch, wie tief die Angst vor der Rache gewaltbereiter Anhänger Trumps sitzt. Folgt man dem Demokraten Jason Crow, fürchteten republikanische Abgeordnete für den Fall eines offenen Bruchs mit Trump um ihr Leben. Einige, so Crow, hätten ihm das am Abend vor der Abstimmung unter Tränen anvertraut.
Nach einer Umfrage des Senders PBS sehen 47 Prozent der republikanischen Parteimitglieder in den Ausschreitungen am 6. Januar keine Revolte, sondern einen legitimen Protest gegen eine manipulierte Wahl. Dass die Basis ihrem Idol Trump die Treue aufkündigt, ist vorerst nicht abzusehen. Andererseits symbolisieren jene zehn Republikaner den Beginn eines Sich-Lösens von dem Mann, der aus der „Grand Old Party“de facto eine Trump-Partei machte. Als das Abgeordnetenhaus im Dezember 2019 zum ersten Mal über ein Impeachment zu entscheiden hatte, gab es keinen Konservativen, der sich gegen den Präsidenten stellte.
Wie geht es jetzt weiter?
Nur der Senat kann Trump für schuldig befinden. In der zweiten Phase des Verfahrens spielen die 100 Senatoren die Rolle von Geschworenen, die wie bei einer Gerichtsverhandlung ein Urteil zu fällen haben. Kläger sind demokratische Abgeordnete, die „Impeachment-Manager“. Wer Trump verteidigt, ist offen. Manche tippen auf Rudy Giuliani, den Ex-Bürgermeister New Yorks. Auch der Zeitplan ist noch unklar.
Ist zumindest absehbar, wann die Verhandlung beginnt?
Definitiv nicht vor dem 19. Januar, wenn die Senatoren aus einer Urlaubspause zurückkehren. Das hat Mitch McConnell, noch für wenige Tage Mehrheitsführer der Kammer, bevor er durch den Demokraten Chuck Schumer abgelöst wird, klargestellt. Schumer drängte auf ein früheres Datum, McConnell lehnte ab. Das bedeutet, dass das Impeachment die ersten Wochen der Präsidentschaft Joe Bidens überschattet.
Wie begründet McConnell sein Zögern?
Nach seinen Worten ist es unmöglich, noch vor der Amtseinführung Bidens am 20. Januar eine „faire und seriöse“Verhandlung zu führen, geschweige denn abzuschließen. Bei den drei Impeachment-Verfahren, die bisher gegen US-Präsidenten angestrengt wurden, habe das Prozedere im schnellsten Fall drei Wochen und im langsamsten drei Monate in Anspruch genommen, betont er. Immerhin
hat McConnell angedeutet, dass er Trump für schuldig befinden könnte: Er wolle sich zunächst alle rechtlichen Argumente anhören, schrieb er an seine Fraktion. Stimmt der Veteran aus Kentucky für eine Amtsenthebung, dürften sich andere Parteigranden anschließen. Dann wäre durchaus denkbar, dass mindestens 17 Republikaner mit den 50 Demokraten des Senats die nötige Zweidrittelmehrheit bilden.
Und wie sieht es Biden?
Der neue Präsident steckt in der Zwickmühle. Auch er hält eine formelle Amtsenthebung Trumps für erforderlich, muss aber damit rechnen, dass der Senat so intensiv damit befasst ist, dass die Zeit für andere Entscheidungen fehlt. Bidens Minister etwa müssen von der Kammer bestätigt werden, was sich nun länger hinziehen dürfte, als es dem künftigen Staatschef lieb sein kann. Auch wichtige Gesetzesvorhaben zur Bekämpfung der Pandemie und zum Ankurbeln der Wirtschaft werden vielleicht nicht so schnell beschlossen, wie es aus Bidens Sicht geboten wäre.