Streit über Verschärfung der Maßnahmen
Ruf nach Homeoffice-Pflicht – Kretschmann für härteren Lockdown, Eisenmann dagegen
BERLIN/STUTTGART (dpa/AFP) An diesem Dienstag beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder erneut über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Bereits vor der Schaltkonferenz wurde deutlich, dass der vorerst bis Ende Januar vorgesehene Lockdown mit Schließungen zahlreicher Einrichtungen voraussichtlich bis Mitte Februar verlängert werden wird. So zeigte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag erfreut über „erste Erfolge“bei der Senkung der Infektionszahlen, jedoch sehe er noch keinerlei Anlass für Lockerungen. Nun gehe es darum, „noch einmal zwei bis drei Wochen“durchzuhalten. Für eine Verlängerung sprachen sich auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sowie BadenWürttembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie dessen bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) aus.
Über eine weitere Verschärfung der Maßnahmen wird jedoch gestritten. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU für die
Landtagswahl im Südwesten, lehnte dies ab. „Die Frage ist für mich tatsächlich: Wo will man weiter verschärfen?“Sie halte es zwar für richtig, über eine Verlängerung des Lockdowns nachzudenken, zu einer möglichen Verschärfung sagte sie allerdings: „Man muss den Maßnahmen ja auch die Chance geben, zu wirken.“Wenig später plädierte indes Ministerpräsident Kretschmann für weitere Verschärfungen. Er werde sich in der Konferenz vor allem dafür einsetzen, dass mehr Arbeitnehmer ins Homeoffice wechseln, hieß es am Montag aus dem Staatsministerium.
Appelle reichten nicht mehr aus, erklärte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Er gehe davon aus, dass sich Bund und Länder auf eine verschärfte Regelung einigen werden: „Die Bereitschaft, da weit zu gehen, ist groß“, erklärte Hoogvliet.
Kretschmann sei auch offen dafür, wie in Bayern eine FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen einzuführen. Zudem wolle der Südwest-Regierungschef mit Bayerns Ministerpräsident Söder noch vor der Konferenz über den Umgang mit dem Grenzverkehr sprechen.
BERLIN - Der Bundesrat hat am Montagnachmittag in einer Sondersitzung die Ausweitung des Kinderkrankengeldes beschlossen. Das sind die wichtigsten Antworten im Überblick:
Was sind Kinderkrankentage?
Wird ein Kind unter zwölf Jahren krank, haben berufstätige Eltern einen Anspruch darauf, für die Pflege freigestellt zu werden. Sie erhalten in diesem Fall als Lohnersatz Kinderkrankengeld. Das beträgt bis zu 90 Prozent des Nettoarbeitslohns.
Was ist jetzt neu?
Die Gesetzesänderung sieht vor, dass berufstätige Eltern Kinderkrankentage 2021 auch dann in Anspruch nehmen können, wenn ihr Kind nicht krank ist. Es ist nun möglich Kinderkrankengeld zu bekommen, wenn zur Eindämmung des Coronavirus die Betreuungseinrichtungen oder Schulen geschlossen sind, wenn Schulferien verlängert werden, die Präsenzpflicht ausgesetzt wird oder auch nur empfohlen wird, die Kinder zu Hause zu betreuen.
Was bedeutet „Aufstockung” der Kinderkrankentage?
Üblicherweise besteht pro Elternteil und Kind für zehn Tage im Jahr der Anspruch auf Kinderkrankengeld. Er wird jetzt auf 20 Tage pro Elternteil und Kind aufgestockt. Alleinerziehende haben Anspruch auf bis zu 40 Tage pro Kind. Elternpaare oder Alleinerziehende mit zwei Kindern haben damit einen Anspruch auf maximal 80 Kinderkrankentage. Bei weiteren Kindern erhöht sich der
Anspruch noch einmal um zehn Tage auf dann maximal 90 Tage – egal, wie viele Kinder in der Familie leben.
Wer hat Anspruch?
Die Aufstockung der Kinderkrankentage gilt für gesetzlich Versicherte, berufstätige Eltern, die selbst Anspruch auf Krankengeld haben und deren Kind unter zwölf Jahre alt ist. Auch das Kind selbst muss gesetzlich versichert sein. Voraussetzung ist außerdem, dass es im Haushalt keine andere Person gibt, die das Kind betreuen kann. Der Anspruch soll auch für Eltern bestehen, die im Homeoffice arbeiten. Außerdem gilt der Anspruch bei Kindern, die eine Behinderung haben – bei ihnen ist das Alter irrelevant. Wer privat krankenversichert ist, muss dagegen den Anspruch auf Entschädigungszahlungen nach Paragraf 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geltend machen.
Darf der komplette Anspruch für die Schul- oder Kitaschließungen verwendet werden?
Ja. Die 20 oder auch 40 Tage können sowohl für die Betreuung eines kranken Kindes verwendet werden als auch für die Betreuung, weil die Schule oder Kita geschlossen, die Präsenzpflicht aufgehoben oder der Zugang eingeschränkt wurde. Ist das Kind krank, muss der Betreuungsbedarf gegenüber der Krankenkasse mit einer „Ärztlichen Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“nachgewiesen werden. Muss ein Kind aufgrund einer Schul- oder Kitaschließung zu Hause betreut werden, genügt eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung.
Wie sieht die Bescheinigung der Betreuungseinrichtung aus?
An den Details dazu arbeiten die Krankenkassen noch. Es soll aber ein entsprechendes Musterformular geben, durch das Eltern die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten nachweisen können, heißt es etwa auf der Homepage der Barmer und der DAK Krankenkasse. Familienministerin Franziska Giffey kündigte an, dass eine Musterbescheinigung erarbeitet würde, die Kitas und Schulen zur Verfügung gestellt werden soll.
Können Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer eine Notbetreuung in Anspruch nehmen?
Die bislang geltende gesetzliche Regelung zum Kinderkrankengeld im Sozialgesetzbuch sieht vor, dass dann ein Anspruch besteht, wenn Eltern der Arbeit fernbleiben müssen, weil sie ein krankes Kind betreuen und keine andere Möglichkeit der Betreuung besteht. Bestehen also theoretisch anderweitige Notfall-Betreuungsmöglichkeiten in Kita oder Schule, würden Argumente dafür sprechen, dass Arbeitnehmer diese auch annehmen müssen. Sicher ist das indes nicht. Denn nach dem Wortlaut der Neuregelung soll bei fehlender Betreuungsmöglichkeit zu Hause bereits die Aussetzung der Präsenzpflicht in der Schule ausreichen. Die Notfallbetreuung ist in den Bundesländern außerdem unterschiedlich geregelt. Besonders kompliziert wird es, wenn Eltern zwar den Anspruch auf Notbetreuung haben, aber an die Eltern appelliert wird, nach Möglichkeiten ihre Kinder
zu Hause zu betreuen. Dies könne zu Konflikten mit dem Arbeitgeber, und gegebenenfalls auch unter Kollegen führen. Es gibt bereits Stimmen, die hier klare gesetzliche Regelungen fordern.
Wie wird die Maßnahme finanziert?
Um die gesetzliche Krankenversicherung bei diesem Mehraufwand zu unterstützen, zahlt der Bund zum 1. April 2021 einen Zuschuss von 300 Millionen Euro in den Gesundheitsfonds. Die tatsächlichen Mehrausgaben hängen jedoch von der Inanspruchnahme der Leistung ab. Ob der Bund nochmal nachlegen muss, wird erst 2022 entschieden.
Gibt es Kritik?
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands Vdk, fordert weitergehende Maßnahmen: „Das Kinderkrankengeld ist für den Krankheitsfall eines Kindes gedacht. Der bisherige Entschädigungsanspruch bei Lohnausfall ist viel zu gering und kompliziert. Eltern sollen sich neben der Kinderbetreuung keine Sorgen um ihre finanzielle Situation machen müssen.“Jutta König, Bundesfrauensprecherin des Sozialverbands Deutschland, plädierte ebenfalls für weitere Schritte: „Der Lockdown im Frühjahr hat gezeigt, dass Hausunterricht und fehlende Notbetreuung für Kinder, insbesondere zu Lasten von Frauen geht. Wir brauchen schnelle und unkomplizierte gesetzliche Regelungen, die verhindern, dass Frauen ihren Beruf aufgeben müssen. Wenn uns das nicht gelingt, drohen wir wieder in alte Rollenmuster zurückzufallen, und das gilt es zu verhindern.”