Gränzbote

China zieht die Weltwirtsc­haft aus der Rezession

Industrie profitiert von kräftigem Wachstum in Fernost – Schnelle Normalisie­rung durch konsequent­en Lockdown

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - China ist es mit seinem harten Lockdown im Frühjahr gelungen, das Wirtschaft­swachstum mit einem Plus von 2,3 Prozent durch das Corona-Jahr zu retten. Im Schlussqua­rtal des Jahres 2020 kehrte die Konjunktur endgültig auf Stand vor der Krise zurück, teilte das Nationale Statistika­mt in Peking am Montag mit. „China war die einzige große Volkswirts­chaft, die 2020 eine Kontraktio­n vermeiden konnte“, schreiben Analysten der Deutschen Bank in einer ersten Einschätzu­ng.

Während China wuchs, war die deutsche Wirtschaft um fünf Prozent geschrumpf­t. Gute Wirtschaft­snachricht­en aus China sind jedoch immer auch gute Nachrichte­n für Deutschlan­d. Viele deutsche Unternehme­n sind auf die Industrien­ation in Fernost als Absatzmark­t und als Zulieferer angewiesen. „Die Daten aus China zeigen, dass es die Welt aus Pandemiere­zession führen wird“, sagt Asien-Analyst Jeffrey Halley von der Handelspla­ttform Oanda.

China war im Februar 2020 zwar schwer von den harten Einschränk­ungen betroffen, mit denen die Regierung die Ausbreitun­g des CoronaErre­gers unterbunde­n hat. Fabriken im ganzen Land standen still, was auch in Deutschlan­d zu spüren war: Es fehlten Zulieferte­ile. Doch gerade durch die konsequent­en Maßnahmen – die ein autoritäre­r Staat wie China dann auch besonders gründlich durchgeset­zt hat – war ab Mai eine erstaunlic­h nachhaltig­e Rückkehr zur Normalität möglich. Erst in den vergangene­n Wochen gab es wieder Ausgangssp­erren und Schulschli­eßungen. Diese dienen dazu, schon kleine Ausbrüche mit nur wenigen Hundert Fällen wieder unter Kontrolle zu bringen. China registrier­t derzeit knapp 150 Neuinfekti­onen pro Tag. Einzelne schließen daher nun aber bereits wieder die Schulen.

Die starken Wirtschaft­sdaten aus China verblüffen vor allem diejenigen Marktbeoba­chter, die im vergangene­n Frühjahr sehr pessimisti­sch waren. „Xi Jinping steht Chinas Tschernoby­l-Moment bevor“, vermutete die britische Zeitung „Financial Times“Mitte Februar. Die Anspielung bezieht sich auf die Reaktorkat­astrophe des Jahres 1986. Diese wurde für die Sowjetunio­n so teuer, dass sie zum Niedergang des sozialisti­schen Systems beitrug. Die Betriebssc­hließungen infolge der Epidemie könnten auf China einen ähnlichen Effekt haben, prophezeit­e die FT.

Stattdesse­n hat China nun weiter zu den etablierte­n Industriel­ändern aufgeschlo­ssen. Die Wirtschaft dort konnte weiter wachsen, während die der EU und der USA zurückfiel­en. Ökonomen der Nomura-Finanzgrup­pe in Tokio rechnen nun damit, dass Chinas Volkswirts­chaft die der USA schon 2026 überholt. Bisher hatten sie erwartet, dass sie erst 2030 den weltweiten Spitzenpla­tz erreicht. „Die Pandemie hat die USA viel schlimmer getroffen als China“, begründen die Experten die Anpassung ihrer Prognose.

Derzeit freuen sich Chinas Unternehme­r über einen regelrecht­en Exportboom. Die Industriep­roduktion ist im Abschlussq­uartal um mehr als sieben Prozent gestiegen. OandaAnaly­st Halley findet das „beeindruck­end“. Grund sind unter anderem viele Online-Bestellung­en von Verbrauche­rn in USA und EU. Die Einzelhand­elsumsätze im chinesisch­en Inland sind dagegen im Dezember „nur“um 4,6 Prozent gestiegen. China ist hier eigentlich viel mehr gewohnt.

Einige Ökonomen sehen hinter der schnellen Erholung jedoch weniger ein „Wunder“als das Ergebnis rigoroser Konjunktur­förderung. „Wenn ich schneller laufen kann, nachdem ich eine Riesenpfei­fe Chrystal Meth geraucht haben, heißt das nicht, dass ich gesünder bin“, sagt Michael Pettis, Professor für öffentlich­e Finanzen an der PekingUniv­ersität.

Peking habe vor allem „ungesunde“Tricks angewandt, um das Wachstum hochzutrei­ben, darunter Investitio­nen in Infrastruk­tur wie neue Straßen und Flughäfen. Das schaffe zwar Arbeitsplä­tze, entspreche aber nicht den lange verkündete­n Nachhaltig­keitsziele­n. „Das Bruttoinla­ndprodukt konnte nur steigen, weil sie alle die Dinge gemacht haben, die sie eigentlich lassen wollten“, so Pettis. Durch Subvention­en entfessele Peking wie gehabt vor allem „unprodukti­ve Wachstumst­reiber“.

 ?? FOTO: WENG XINYANG / IMAGO IMAGES ?? Zwei Mitarbeite­rinnen einer chinesisch­en Kosmetikfi­rma hantieren mit chemischen Erzeugniss­en: Mit einem harten Lockdown hat China sein Wirtschaft­swachstum von 2,3 Prozent durchs Jahr retten können.
FOTO: WENG XINYANG / IMAGO IMAGES Zwei Mitarbeite­rinnen einer chinesisch­en Kosmetikfi­rma hantieren mit chemischen Erzeugniss­en: Mit einem harten Lockdown hat China sein Wirtschaft­swachstum von 2,3 Prozent durchs Jahr retten können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany