Ein Jahr ohne Gesang
So geht es dem Beuroner Chor in der Corona-Pandemie
BEURON/MÜHLHEIM - Fast ein Jahr hat der Beuroner Chor schon auf regelmäßige Proben verzichten: Am 10. März 2020 fand die letzte reguläre Probe statt. Seitdem ist es still geworden im katholischen Gemeindehaus in Mühlheim, in dem die Sänger normalerweise zusammenkommen. Verbote für das Singen und strenge Auflagen machten gemeinsame Chorproben unmöglich. Das war ein harter Schlag für die etwa 60 Sängerinnen und Sänger.
„Was die Gemütsverfassung anbelangt, so kommt in diversen Kontakten immer wieder Traurigkeit, fast Hoffnungslosigkeit bezüglich des Weiterbestehens des Chores, aber auch Ärger und Frust zum Ausdruck“, so Gerhard Kappeler, Vorsitzender des Chors. „Mir persönlich fehlt sowohl das Singen im Chor als auch die Gemeinschaft“, sagt Kappeler. Vielen seiner Chormitglieder geht es ähnlich.
„Für Sänger ist es bitter“, sagt auch Chormitglied Kurt Waizenegger zur aktuellen Situation. Er ist seit 40 Jahren beim Beuroner Chor und singt auch im Mühlheimer Männerchor. Musik spielt für ihn eine große Rolle. Der Mühlheimer hat an Weihnachten im Familienkreis gesungen, doch die Chor-Gemeinschaft fehlt ihm sehr. „Gemeinsam singen ist natürlich etwas anderes als allein zu Hause“, sagt er. Der Mühlheimer hofft, bald wieder ein Publikum mit Gesang erfreuen zu können.
Auch Chormitglied Yvonne Braun vermisst das Singen im Chor. Sie singt zwar auch in der Schola des katholischen Kirchenchores in Mühlheim mit einigen anderen Sängerinnen zusammen. Dennoch fehle ihr die Gemeinschaft und das Zusammentreffen. Eine Probe über eine Videoplattform kann sie sich nicht vorstellen. „Digitale Alternativen habe ich noch nicht versucht, finde sie aber beim Chorgesang schwierig. Die Datenübertragung erfolgt normalerweise mit leichter zeitlicher Verzögerung. Wie soll da ein schöner gemeinsamer Gesang entstehen?“Deshalb hat der Chor einige Versuche unternommen, um trotzdem gemeinsam zu proben. Dirigent Hans-Peter Merz hat sogenannte Registerproben organisiert. Dabei proben die Sänger getrennt nach Stimmlage, also Sopran, Alt, Tenor, Bass jeweils gemeinsam. Im Gemeindehaus Mühlheim war es jedoch schwierig den Abstand einzuhalten, in den Kirchen in Mühlheim und Fridingen war es wiederum viel zu kalt. „Erschwerend kommt hinzu, dass man nur einen Gesamteindruck eines Werkes bekommt, wenn man mit dem ganzen Chor probt“, so Merz.
Ein Versuch, im vergangenen Spätsommer im Freien in der Kirchenruine Maria Hilf auf dem Welschenberg mit Abstand zu proben, wurde nach 30 Minuten durch einen Regenschauer abrupt beendet. Das Fazit des Dirigenten: „So kamen wir schweren Herzens zu dem Schluss, dass wir bis zum Frühjahr diesen Jahres
pausieren.“Durch die Pandemie seien auch viele wichtige Konzerte ausgefallen, bedauert Gerhard Kappeler: Ein großes Mendelssohn-Konzert mit dem Sinfonieorchester der
„So kamen wir schweren Herzens zu dem Schluss, dass wir bis zum Frühjahr diesen Jahres pausieren.“
Dirigent Hans-Peter Merz
Musikhochschule Trossingen im Sommer musste abgesagt werden. Für das Weihnachtskonzert 2020 in der Klosterkirche konnte nichtmal mit den Proben begonnen werden. Dadurch fehlen dem Chor natürlich die Einnahmen. Mit den Eintrittsgeldern finanziert der Beuroner Chor die Chorleitung, Noten, Saalmiete, GEMA und Homepage. „So ist unser finanzielles Polster im Frühjahr 2021 aufgebraucht“, berichtet Kappeler. Ein Antrag auf finanzielle Unterstützung beim Schwäbischen Chorverband im Mai vergangenen Jahres ging dort ein. „Ein kleines Pölsterchen kam aber nie an“, sagt Kappeler. Coronahilfen beim Regierungspräsidium wurden noch nicht beantragt, da die momentanen notwendigen Ausgaben gerade noch gedeckt werden können. Wie es in Zukunft weitergeht, ist unklar: „Wann dürfen wir wieder singen – auf diese Frage bekommen Chöre nicht so schnell eine Antwort von der Politik, denn wir stehen an einer der letzten Stellen im Management der Pandemiepolitik“, so Kappeler. Er fügt hinzu: „Noch nie in meinem Leben war ich in meiner Planung für etwas Gemeinschaftliches so eingeschränkt wie gerade.“Der Vorsitzend kann aktuell nur eins tun: abwarten.