Großer Bahnhof – große Fußballmarke?
Fenerbahce Istanbul hofft auf Mesut Özil, doch der spielte sein letztes Punktspiel für den FC Arsenal im März 2020
HAMBURG/ISTANBUL (SID/dpa) Als Mesut Özil lange genug den Fanschal von Fenerbahce Istanbul vor die Linsen der Pressefotografen gehalten hatte, begab sich der Fußball-Weltmeister von 2014 erst einmal pandemiegerecht in Quarantäne. Zurück blieb die spannende Frage, ob der 32-Jährige nach seiner langen Spielpause beim FC Arsenal überhaupt eine Verstärkung für den Traditionsclub vom Bosporus sein kann.
Logistisch jedenfalls ist bereits alles für einen erfolgreichen Restart vorbereitet. Nach der sechstägigen Quarantäne wird Özil bei den „Kanarienvögeln“ein gelbes Trikot mit der Rückennummer 67 tragen. Diese Zahl steht für die Provinz Zonguldak am Schwarzen Meer, aus der einst Özils Eltern nach Deutschland ausgewandert sind.
Nicht nur dort ist der Wechsel des Weltmeisters von 2014 eine große Sache, selbst auf die politische Bühne schaffte es Özil. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte am Montag scherzhaft in Ankara, das Thema sei „sensibler als die Impfung“gegen Covid-19. Zuvor hatte sich Maas’ türkischer Amtskollegen Mevlut Cavusoglu eine Spitze in Anspielung auf das „Erdogate“2018 erlaubt, das letztlich zu Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft geführt hatte.
Özil machte den Fenerbahce-Anhängern unterdessen Hoffnung, dass er schnell helfen kann. „Ich habe in London immer mit der ersten Mannschaft trainiert. Ja, ich habe lange nicht gespielt, aber körperlich bin ich fit, es gibt kein Problem“, sagte Özil auf dem Flughafen Atatürk im Scheinwerferlicht der TV-Kameras. Zuvor hatte er live im türkischen Fernsehen seinen Wechsel offiziell bestätigt. „Gott gab mir die Chance, das Fenerbahce-Trikot zu tragen“, sagte der einstige Real-Madrid-Star in einer TV-Schalte. „Ich bin sehr glücklich, sehr aufgeregt“, betonte Özil, der zwei Herzen in den Vereinsfarben Gelb und Blau getwittert hatte. Er werde das Jersey des Clubs „mit Stolz tragen und alles für das Team geben“. Die Fener-Fans hoffen, dass Özil seinen Beitrag leistet dazu, dass die Meisterschaft nach sieben Jahren Pause wieder zum Istanbuler Renommierclub wandert.
Die türkischen Medien überschlugen sich am Montag vor Begeisterung über den spektakulären Transfer. „Die Fußballmarke Özil ist für Fenerbahce die Erfüllung eines Traums“, titelte „Milliyet“. Und auch beim neuen Arbeitgeber des offensiven Mittelfeldspielers scheint man von einer längerfristigen Zusammenarbeit auszugehen. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll der Vertrag mit dem neuen Hoffnungsträger bis 2024 gültig und mit 14 Millionen Euro dotiert sein. Ein immenser Vertrauensvorschuss für Özil, der für den FC Arsenal zuletzt im März 2020 Jahres in der Premier League aufgelaufen war.
Die Trennung von den Gunners nach siebeneinhalb Jahren in der britischen Hauptstadt ist für Özil aber auch ein privater Neubeginn. Ehefrau Amine Gülse und Töchterchen Eda begleiteten ihn im Privatjet von Fenerbahce-Präsident Ali Koc in die Bosporus-Metropole.
Immerhin: Seine zukünftigen Teamkollegen haben auch für ihren neuen prominenten Mitspieler eine gute sportliche Basis gelegt. In der Süper Lig befindet sich der 19-malige türkische Meister als Tabellenzweiter hinter Besiktas auf ChampionsLeague-Kurs.
Was man von Arsenal nicht behaupten kann. Für den Tabellenelften der Premier League wackelt sogar die Qualifikation für die Europa League erheblich. Aber trotz dieser Misere spielte Özil auch beim aktuellen Teammanager Mikel Arteta keine Rolle. Der Verein war eher froh, seinen Großverdiener endlich von seiner Gehaltsliste streichen zu können.
Einen umstrittenen Großverdiener überdies: „Özils kreativer Geist stand nie in Frage, aber seit Jahren steht er wegen seiner (mangelnden) Bereitschaft, auch ohne den Ball seinen Job zu machen, in der Kritik“, urteilte der „Daily Mirror“. Özil hinterlasse in London ein „widersprüchliches und komplexes Erbe“, schrieb Sky Sports. Für mehr Eindeutigkeit kann er nun in Istanbul sorgen.