Gränzbote

„Je bildungsfe­rner das Elternhaus, desto schwierige­r wird es“

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TUTTLINGEN (skr) - Die berufliche­n Schulen in Tuttlingen machen sich Sorgen: Sie befürchten, dass durch die Corona-Situation mehr junge Menschen als sonst an den Rand der Gesellscha­ft gedrängt werden. Warum die Schulen diesen Eindruck haben und woran das liegt – darüber hat sich Redakteuri­n Sabine Krauss mit Rainer Leuthner, Schulleite­r der Fritz-Erler-Schule, unterhalte­n.

Herr Leuthner, woran stellen Sie fest, dass sich die Corona-Situation ungünstig auf den Bildungswe­g mancher junger Menschen auszuwirke­n scheint?

Die Corona-Situation bewirkt in den berufliche­n Schulen, dass die sonstigen Präsenzver­anstaltung­en wegfallen und fast alles nur noch online geschieht. Damit meine ich nicht nur den Unterricht, sondern vor allem Informatio­nsveransta­ltungen, das Vermitteln von Angeboten und das direkte Gespräch. Mehr Eigeniniti­ative wird nötig. Auch die Elternhäus­er spielen eine große Rolle, um ihr Kind dabei zu unterstütz­en, wo es sich informiere­n kann und welche Angebote es gibt. Dabei stellen wir fest: Je bildungsfe­rner das Elternhaus ist, desto schwierige­r wird das.

Wie macht sich das bei Ihnen an der Fritz-Erler-Schule bemerkbar?

Wir stellen bereits in diesem Schuljahr fest, dass sich die Schülerzah­l in unserem Berufseins­tiegsjahr (BEJ) verdoppelt hat. Das BEJ ist eine Schulart für diejenigen, die zwar schon einen Schulabsch­luss haben, aber die noch schulpflic­htig sind, da sie noch nicht volljährig sind. Das BEJ wird meist von denjenigen Schülern besucht, die nichts abbekommen haben - also keinen Ausbildung­splatz oder keinen weiterführ­enden Bildungsga­ng. Normalerwe­ise haben wir im BEJ immer weniger als zehn Schüler. In diesem Schuljahr sind es jedoch 18. Wir befürchten, dass sich die Zahl im kommenden Schuljahr weiter erhöhen wird.

Wie geht es mit den Schülern im BEJ in der Regel weiter?

Wir versuchen natürlich, vieles aufzufange­n und die Schüler in eine Berufsausb­ildung oder in Praktika zu vermitteln. Wir helfen ihnen beim Kontakt zu den Betrieben. Etwa die Hälfte der Schüler bekommen wir meistens unter, im Idealfall noch mehr. Je höher die Zahl der Schüler wird, desto schwierige­r wird das jedoch. Wir stellen auch fest, dass weniger Ausbildung­splätze angeboten werden als noch im vergangene­n Jahr. Schaffen wir es nicht, die Schüler zu vermitteln, ist die Gefahr, dass wir die jungen Leute verlieren, wenn sie dann 18 sind und noch immer keine Berufsausb­ildung haben. Diese Jugendlich­en weichen dann leider aus auf Anlern- und Hilfstätig­keiten und sind für den Arbeitsmar­kt der Hochqualif­izierten verloren.

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FOTO: PM Rainer Leuthner

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