Frost bereitet Rehen keinen Frust
Aufbau ihres Fells schützt Tiere am Gauger auch bei Minustemperaturen – Mehr Probleme im Hochsommer
TROSSINGEN - Das Wildgehege am Gauger bietet derzeit optisch ein Wintermärchen. Für das Damwild stellen der viele Schnee und die eisige Kälte kein Problem dar, sagt Stephan Schmitt, der sich um das Gehege kümmert. Die Tiere bleiben das ganze Jahr über draußen. Mit der Hitze im Sommer hätten sie mehr zu kämpfen als mit den herrschenden frostigen Temperaturen.
„Den Tieren gefällt es sogar, sich in den Schnee zu legen“, sagt Schmitt. „Sie haben ja einen Unterstand, aber da gehen sie kaum drunter.“Statt eines geschlossenen Stalls würden sich die Rehe lieber in die weiße Pracht platzieren. Für sie seien auch nächtliche Minusgrade noch akzeptabel. „Und wenn es noch kälter wird, legen sie sich aneinander und wärmen sich gegenseitig.“
Wesentlicher Grund für das winterliche Wohlbefinden des Wilds ist der Aufbau ihrer Haare. „Die sind innen drin hohl, so können die Tiere Wärme speichern“, erläutert der 28Jährige. Der Haaraufbau ist wärmedämmend: 90 Prozent der Haare sind mit luftgefüllten Hohlräumen ausgefüllt. Zwischen diesen sogenannten Röhrenhaaren kann sich ein natürliches Luftpolster bilden; dieses bietet mit den Luftkammern in der Marksubstanz der Haare einen ausgezeichneten Kälteschutz. Ein weiterer Frostschutz ist, dass sich Wildtiere Fettreserven für kühle Tage anfressen.
„Temperaturen, die für Damwild gefährlich würden, wird es hier nicht geben“, sagt Schmitt. Dieses stamme ursprünglich aus nördlicheren Regionen,
in denen es bis zu minus 30 oder 40 Grad kalt werden könnte. „Deshalb ist es für die Tiere hier bei uns auch im Winter problemfrei.“Schwieriger seien ob ihres Fells für sie dagegen hohe Temperaturen im Sommer: „Schon bei 25 bis 30 Grad Celsius liegen sie nur träge rum – der Sommer ist für sie unangenehmer als der Winter.“
Auch hoher Schnee im Gehege stelle für das Damwild keine Hürde dar. „Die Tiere packen bis zu einem
Meter, sie sind recht robust“, sagt Stephan Schmitt. „Sie laufen hintereinander her, dadurch entsteht ein Weg.“So haben sie von einem Lagerplatz unter Bäumen eine Schneise zu einer Futterkrippe geschlagen. Den unteren Teil des Geheges, wo die Rehe ihr Futter bekommen, hat Schmitt jedoch selber vom hohen Schnee freigeräumt. Der wärmere Unterstand stünde stets für die Tiere offen, „aber sie gehen zumeist nur zum Fressen darunter“.
In diesem sind im Winter auch die vier Goldfasane und das Pfauenpärchen aus den ans Gehege angrenzenden Volieren untergebracht. Lediglich die Wildtauben blieben auch in der Winterzeit in den Volieren, erläutert Schmitt. Die Vögel hätten im Unterstand zwei eigene Stallungen mit Stroh und Heu.
An die 45 Rehe seien derzeit im Gehege, sagt Stephan Schmitt. Und, neben einigen Einjährigen, lediglich ein Hirsch. „Mit mehr würde es in Gefangenschaft nicht gut gehen“, erläutert er. Bei der Brunft im Herbst würde jeder Hirsch sein Revier verteidigen. „Dann kann es passieren, dass sich ihre Geweihe verkeilen und sich die Hirsche gegenseitig verletzen.“Dies habe sogar schon zum Tod von Tieren geführt. „Es wäre schon attraktiv mit mehreren Hirschen im Gauger-Gehege“, sagt Schmitt. Er überlege, ob ein zweiter hinzukomme, der dann kastriert würde.
Seit vier Jahren kümmert er sich um das Gehege – als Nachfolger seines Großvaters Paul Jung, der viele Jahre ehrenamtlich die Tiere versorgte. „Ich war schon als Junge mit meinem Opa voll dabei“, sagt Schmitt. Das Gelände gehöre der Stadt, er bekomme einen Teil seiner nebenberuflichen Tätigkeit von dieser entlohnt. Im Hauptberuf schafft er im Möbelhaus Fetzer in Aldingen; jeden Tag sei er zwei bis drei Stunden am Gauger. So musste er vor ein paar Tagen einen umgestürzten Baum entfernen, der auf den Zaun des Wildgeheges gefallen war. Oder er trägt dafür Sorge, dass die Tiere zusätzliches Wasser bekommen, wenn im Hochsommer schon mal der Teich mit Trinkwasser austrocknet. Ein zeitlicher Einsatz, den längst nicht jeder freiwillig leisten würde – „aber für mich ist das Erholung“, sagt der 28-Jährige.