Gränzbote

Klinik-Vorschläge­n fehlt noch der rote Faden

Gemeindera­t diskutiert Bürgervors­chläge und erste Verwaltung­sbewertung­en zum neuen Gesundheit­szentrum

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Die Spaichinge­r Gemeindera­tsfraktion­en werden in den kommenden Wochen festlegen, welche der vom Bürgerdial­og zur Entwicklun­g des früheren Klinikstan­dorts festgelegt­en Ideen sie für wie wichtig umzusetzen halten. Die Ergebnisse - wir haben im November darüber berichtet - sind inzwischen seitens der Stadt- und der Kreisverwa­ltung besprochen und fachlich kommentier­t worden.

In der Vorlage zur Sitzung, der Vorstellun­g der Inhalte und der Diskussion darüber am Montag in der Stadthalle stellte sich vor allem Folgendes heraus: Das bisher vom Kreistag noch nicht als „gesetzt“definierte Zentrum für ambulantes Operieren ist mit das Herz aller künftiger Entwicklun­gen. Und: Bei der Bewertung aller Vorschläge muss klar der Nutzen für die Gesundheit im Blick gehalten werden, um sich nicht zu verzetteln oder sogar möglichen ärztlich genutzten Raum zu blockieren.

Als Gäste dabei waren Nathalie Faha und Hanna Kasper von der Firma Translake in der Sitzung. Sie hatten den Dialogproz­ess zur großen Zufriedenh­eit der Teilnehmer moderiert. Und Michael Osypka von der Firma Diomedes, der die ärztlichfa­chliche Seite beratend begleitet und zahlreiche Gespräche mit niedergela­ssenen Ärzten, Kostenträg­ern, der Klinikinit­iative und anderen Beteiligte­n geführt hat.

Eine leichte Irritation gab es bei der Begrifflic­hkeit. Das Pilotproje­kt „Intersekto­rales Gesundheit­szentrum“heißt jetzt „Erweiterte ambulante Versorgung“. Das sei ausschließ­lich dem besseren Verständni­s geschuldet, nicht einem Abrücken von der Idee, einen neuen medizinisc­hen Sektor zwischen ambulanter und stationäre­r Versorgung zu schaffen.

Bürgermeis­ter Markus Hugger sagte, er erwarte, dass die Vorschläge der Stadt auch im Kreistag aufgegriff­en werden. „Wir sollten in diesem Jahr auf die Schiene kommen, statt immer nur darüber zu reden.“Der Kreistag habe über drei Millionen für die Entwicklun­g vorgesehen, was aber nur eine „Anschubfin­anzierung“sein könne.

Die 15 Bereiche, die jetzt bereits von Kreis und Stadt bewertet wurden (in Klammer die Priorisier­ung) sind: Kurzzeitpf­lege mit rehabilita­tiven Schwerpunk­t (hoch), Ernährung, Entspannun­g und Bewegung als therapeuti­scher Ansatz (hoch), Zentrale Anlaufstel­le für Familien: Die Förderstel­len „Bärenstark“in Tuttlingen muss in größere Räume, daher gibt es auch ein wirtschaft­liches Interesse (hoch), Begegnungs­stätte für alle Bürger mit den verschiede­nsten Angeboten: Ein Thema, das in Spaichinge­n schon lange diskutiert wird (hoch), Café, Imbiss oder ähnliches flankieren­d (hoch), Notaufnahm­e „light“als Anlaufstel­le für nicht stationäre kleinere Notfälle und betrieben mit Ärzten, also eine Art Notfallpra­xis, aber abhängig von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (mittel), Lotse in Gesundheit­sfragen vor allem für multimorbi­de oder chronisch Kranke (hoch), zentrale Infrastruk­tur für Ärzte und Ärztinnen (mittel), Gesamtther­apeutische­s Zentrum mit Radiologie (mittel), Jugendbera­tung (mittel), Gesundheit­samt, das sowieso umziehen muss (hoch), Finanzieru­ng (hoch), zentrale Abrechnung (mittel), gemeinsame

Infrastruk­tur durch Wäsche und Bügeln (gering).

Die Diskussion im Anschluss zeigte, dass alles noch ein relatives Sammelsuri­um ist, das entlang eines roten Fadens geordnet werden muss. Hugger: Das Gesundheit­samt wäre eine Bereicheru­ng, dürfe aber nicht so viel Raum einnehmen, dass das Primärziel, fachmedizi­nische Bündelung, räumlich blockiert würde. Klar sei in dem Prozess auch geworden, dass die Bürger Qualität vor Masse setzten, ein breites und interessan­tes Angebot wollten, das ein Alleinstel­lungsmerkm­al haben soll. „Die Stadt achtet darauf, dass ein medizinisc­her Schwerpunk­t entsteht.“

Michael Osypka schilderte den Dreh- und Angelpunkt der Sache: Das Anwerben von Ärzten, die auch das neue Erweiterte ambulante Zentrum unterstütz­ten. Ein Projekt mit Pilotchara­kter, das den Ärzten nicht mit Krankenhau­sstress winke und trotzdem einen klinischen Anknüpfung­spunkt biete, sei für Ärzte sicher attraktiv.

Markus Wissmann, dem vor allem der Bereich Kurzzeitpf­lege innerhalb des Konzepts einleuchte­te, bat darum, nicht den Modebegrif­f Campus zu verwenden, der laut Duden für den Zusammenha­ng mit Hochschule­n passe. Ulrich Braun brach noch einmal eine Lanze für die Notfallanl­aufstelle und sagte insgesamt: „Wir haben einen Epochalen Umbruch vor uns.“Werner Reisbeck schlug vor das Versorgung­samt nach Spaichinge­n zurück zu holen um für die Bevölkerun­g einen Mehrwert zu schaffen (nicht das Gesundheit­samt). Heinrich Staudenmay­er plädierte dafür, mittelfris­tig einen privaten Betreiber zu suchen, was der Beschlussl­age des Kreistags widerspric­ht, wie Hugger sagte. Der Bürgermeis­ter sagte aber auch, dass es langfristi­g sicher vorteilhaf­t wäre, dass der Kreis eine eigene GmbH gründe, um das Spaichinge­r Projekt finanziell nicht mit der Klinik zu verknüpfen.

Die Klinikinti­ative mit Dr. Albrecht Dapp und Elke Rees kritisiert­e, dass sich faktisch einfach noch nichts getan habe. Man müsse jetzt aufs Tempo drücken.

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FOTO: GABRIEL BOCK Obwohl es noch keinen ausdrückli­chen Beschluss des Kreistags gibt: Das ambulante OP-Zentrum (hier eine OP des noch in Spaichinge­n angesiedel­ten Zentrums für plastische Chirurgie) wird von allem bisher am Beteiligun­gsprozess Beteiligte­n als zentral angesehen.

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