Der Vorhang bleibt geschlossen
So geht die Theatergesellschaft Liptingen mit der Absage ihrer Aufführung um
Wie die Theatergesellschaft Liptingen mit der derzeitigen Situation umgeht.
EMMINGEN-LIPTINGEN - Der Vorhang bleibt zu, das Scheinwerferlicht aus und auch den Applaus des Publikums gibt es nicht: Der Start ins neue Jahr ist für die Theatergesellschaft Liptingen anders gelaufen als sonst. Obwohl sich schon früh abgezeichnet hat, dass es in Zeiten der CoronaPandemie keine Aufführung geben wird, schwingt bei den Beteiligten Wehmut mit. Ganz auf lieb gewonnene Rituale verzichten mussten sie aber trotz strenger Kontaktbeschränkungen nicht.
„Das ist eine ganz besondere Erfahrung“, sagt Klaus Schönbrunn. Bis im Jahr 2000 stand er noch selbst auf der Bühne. Dann hat er die Regie übernommen. Statt dem üblichen Theater-Trubel um die Weihnachtszeit sah diese auch bei ihm sehr ruhig aus. Wirklich glücklich war er damit aber nicht. „Mich trifft es natürlich schon ganz extrem“, sagt er. „Ich kenne die Weihnachtszeit seit 1991 nicht ohne Theater.“
Dabei habe sich schon früh angedeutet, dass die Theatergesellschaft Anfang 2021 kein Theaterstück präsentieren wird. Während Schönbrunn Anfang September noch ganz normal angefragt hat, welche Schauspieler mitwirken wollen, sei es zur Stückauswahl, die normal im Oktober anstehe, gar nicht gekommen, berichtet er. Innerhalb des Vereins habe man sich besprochen und dann entschieden, gar nicht mit dem Proben anzufangen. „Die Gefahr, dass die Aufführungen nicht stattfinden können oder im schlimmsten Fall aufgrund einer Infektion auch noch ganz kurzfristig abgesagt werden müssen, war uns einfach zu groß.“Der Mehraufwand, der beispielsweise für das Ausarbeiten eines Hygienekonzepts notwendig gewesen wäre, hätte in keinem Verhältnis gestanden, schildert er. „Deshalb haben wir Anfang Oktober gesagt, dass wir dieses Mal eine komplette Nullrunde fahren.“
Eine Entscheidung, die zwar seitens der Beteiligten bedauert, aber auch als richtig empfunden wird. „Es war ja absehbar, dass sich alles zuspitzt“, sagt Michael Beck, der im vergangenen Jahr beim Stück „Stunde der Wahrheit und andere Lügen“als der erfolgreiche Geschäftsmann Robert Spreiz auf der Bühne stand. „Wirklich Hoffnungen gemacht, hatte sich niemand.“
Überlegungen, im Frühjahr oder Sommer eine Alternative anzubieten, habe es zwar gegeben, berichtet Schönbrunn. Diese seien allerdings recht bald wieder verworfen worden. „Die Leute, die mir für Januar zusagen, sind nicht dieselben, die bei einer Aktion im Frühjahr verfügbar wären.“Zudem sei das kein Ersatz für das eigentliche Theaterstück zum Jahresbeginn. Finanziell habe der Verein wegen der Absage keinen allzu großen Schaden erlitten. „Wenn wir nicht aufführen, haben wir davor auch keine Kosten“, erklärt Schönbrunn. Die Fixkosten seien bei der Theatergesellschaft eher gering, anders als bei Vereinen, die eine starke Jugendarbeit leisten, so Schönbrunn. „Das Schaffen im Verein – das fehlt. Sonst können wir aber sagen, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind. Finanziell ist das für uns verkraftbar. Dass wir kein Vereinsleben führen dürfen, ist das, was uns wirklich trifft“, sagt er.
„Man wächst in der Zeit, in der geprobt wird, zusammen wie eine kleine Familie. Das fehlt“, sagt Carina Pfeiffer. Sie ist die Frau, auf die sich die Schauspieler verlassen können. Denn als Souffleuse springt sie ein, sollte es zu Texthängern kommen. Auch Sonja Klöck wäre in diesem Jahr mit von der Partie gewesen. 1991 stand sie das erste Mal für die Theatergesellschaft auf der Bühne, damals noch im Löwensaal, wie sie sich erinnert. Sie versuche, immer im zwei bis drei Jahresrhythmus an den Aufführungen teilzunehmen. „Ich freue mich dann immer besonders. Es war nach der Absage viel Wehmut dabei“, sagt sie.
Anders als Klöck oder andere Schauspieler, die ab und zu ein Jahr aussetzen, ist Schönbrunn seit 20 Jahren ununterbrochen dabei. „Es geht weniger darum, dass man die Proberei vermisst. Man vermisst einfach die Menschen. Man vermisst das gemeinsam auf etwas Hinarbeiten und gemeinsam den Erfolg zu genießen“, erläutert er. Auch Beck, der wie Schönbrunn ein Urgestein der Theatergesellschaft ist und seit knapp 20 Jahren auf der Bühne steht, hat neben dem sozialen Kontakt auch die Zuschauer vermisst. „Es ist immer spannend, die Reaktionen des Publikums zu sehen“, schildert er. Statt Proben und Rampenlicht war auch für Beck Zeit mit der Familie angesagt. Seine Frau ist sonst ebenfalls bei der Theatergesellschaft eingebunden. So sei Zeit geblieben, etwas mit den Kindern zu unternehmen. „Das hat man auf jeden Fall genießen können. Aber das Theater fehlt halt doch“, sagt Beck.
Ganz auf das Theater verzichten musste aber keines der Mitglieder. „Klaus Schönbrunn hat eine Art digitalen Adventskalender gemacht und jeden Tag Ausschnitte von früheren Aufführungen geschickt“, berichtet Beck. „Das war eine richtig tolle Idee und gut, um die Sehnsucht nach dem Theater etwas zu stillen.“Auch sonst haben sich einige etwas einfallen lassen. „Kleine lustige Aktionen haben trotzdem stattgefunden. Es war schön, dass der Kontakt da war“, sagt Beck und berichtet, dass auf das Vereinsgetränk – Jägermeister – nicht verzichtet werden musste. So sei bei einer Aktion jedem Vereinsmitglied ein kleines Fläschchen des Getränks nach Hause gebracht und an Silvester gemeinsam bei einer Videokonferenz getrunken worden, berichtet Schönbrunn. Und auch ein weiterer Brauch wurde digital aufrecht erhalten. Klöck erzählt, dass am eigentlichen Aufführungsabend – wie sonst auch – Wienerle mit Wecken gegessen wurden. „Auf diesem Weg versuchen wir, das Vereinsleben am Laufen zu halten“, sagt Schönbrunn.
Mit welchem Stück sich die Theatergesellschaft dann wieder zurückmelden wird, weiß der Regisseur noch nicht. „Das suche ich dann passend zu den Leuten aus, die mir zusagen“, erklärt er. „Es geht also frühestens im September weiter.“Noch ist zwar unklar, wie sich die Lage entwickelt. Klöck sagt aber stellvertretend für alle Mitwirkenden der Theatergesellschaft: „Natürlich hofft man, dass man 2022 dann wieder auf der Bühne stehen kann.“