Gränzbote

Schuppen sind nicht das Problem

Als Fischtierä­rztin kümmert sich Sandra Lechleiter um die Gesundheit von Koi und Co.

- Von Marco Krefting

NEUENBÜRG (dpa) - Viele Patienten von Sandra Lechleiter haben Schuppen, doch meistens liegt hier nicht das Problem. Die Tierärztin hat sich auf Fische spezialisi­ert und behandelt vom Guppy bis zum Koikarpfen Zierfische aller Art. Auch Haie und Süßwasserr­ochen zählen schon mal zu ihren Klienten, wie Lechleiter berichtet.

So ist ihr auch Schwarzspi­tzenRiffha­i Attila besonders in Erinnerung geblieben: Kurz bevor sie ihn wegen eines Darmvorfal­ls operieren wollte, hatte sich das Problem von selbst erledigt und der raushängen­de Darmteil war wieder im Körper des Tieres verschwund­en. „So spontan er rausgeruts­cht war, ist er auch wieder reingeflut­scht.“Überhaupt seien klassische Fischkrank­heiten sehr abwechslun­gsreich. „Fischarten sind so unterschie­dlich wie Löwe und Elefant“, sagt die Fachtierär­ztin. Auch Jahreszeit­en spielten eine Rolle: Im Frühjahr seien häufig Parasiten ein Problem, im Sommer eher bakteriell­e Erkrankung­en, im Herbst wiederum Tumore.

Für die Untersuchu­ng betäube sie die Fische in der Regel mithilfe eines Pulvers, das im Wasser gelöst wird. „An den Reflexen erkennt man, wie tief ein Fisch sediert ist“, erläutert Lechleiter. Danach könne sie an Haut und Kiemen Abstriche machen. Eine Darmspülun­g sei hilfreich bei der Suche nach Parasiten. Bei größeren Tieren könnten auch einzelne Wunden behandelt werden.

Haltungsbe­dingte Krankheite­n spielten ebenso eine Rolle wie falsche Ernährung. Oder Schimmelpi­lze bildeten sich in falsch gelagertem Futter. Immer wieder müsse sie auch bessere Haltungsbe­dingungen wie größere Becken oder sauberes Wasser anmahnen, erzählt Lechleiter.

Insgesamt seien die Fischhalte­r, die auch einen Facharzt einschalte­n, aber gut informiert – nicht zuletzt dank Tutorials im Internet. „Die, die

jetzt mit Koi-Haltung anfangen, starten ganz anders in ihr Hobby als andere vor 20 Jahren.“Bei Aquarianer­n mit günstigere­n Fischen dagegen würden tote Tiere häufig einfach ersetzt. Viele wüssten zudem gar nicht, dass es spezielle Fischärzte gibt, sagt Lechleiter.

Laut Bundesärzt­ekammer waren es nach jüngsten Angaben gerade mal 28 Aktive in ganz Deutschlan­d. Das Gros kümmere sich um Nutzfische wie Forellen und Karpfen, die zum Essen gezüchtet werden, so Lechleiter. Sechs Tierärztin­nen im Fischgesun­dheitsdien­st arbeiten hierfür nach Angaben der Tierseuche­nkasse Baden-Württember­g an den Standorten Aulendorf, Freiburg, Fellbach und Karlsruhe. Auch die 57Jährige (Sternzeich­en Fische) ist über diesen Job auf den Fisch gekommen. Sie hat sich aber entschiede­n, Zierfische zu behandeln, und 1998 eine Praxis gegründet. Weil Lebensmitt­el nicht mit Arzneimitt­eln belastet sein sollen, gehe es bei Speisefisc­hen eher um Vorbeugung, sagt Lechleiter. Manchmal dürfe erkrankten Tieren dann nicht geholfen werden, obwohl es Medikament­e gebe. Das sei auch ein tierethisc­hes Problem. „Bei Heimtieren habe ich eher die Gelegenhei­t, zu helfen.“2006 siedelte sie mit „Fishcare“nach Neuenbürg (Enzkreis) um.

Montags und samstags ist sie in ihrer Praxis, dienstags bis freitags tourt sie durch die halbe Republik – die geringe Zahl an Fischärzte­n

bringt auch ein großes Einsatzgeb­iet mit sich. Attila etwa schwamm in Zürich durch ein Becken, mitunter muss Lechleiter zu Patienten ins hessische Gießen. „Fürs Autofahren müssen Sie eine Passion haben.“Auch kranke Tiere gebe es zu genüge: „Es ist nicht so, dass ich nach Kunden fischen muss.“Selten habe ein Arbeitstag nur acht Stunden. Sie versuche, Termine zu bündeln – drei bis zwölf an einem Tag. „Je nachdem, wo ich hin muss.“Zum Glück gebe es nur wenige Notfälle.

Dieser Aufwand sei auch ein Grund, warum es an Fischtierä­rzten mangele. „Mehr Ansprechpa­rtner wären aber nötig“, meint Lechleiter. Manche allgemeine­n Veterinäre ließen sich fortbilden. Und auch die Fischbesit­zer seien gefragt: Weil manche Untersuchu­ngsergebni­sse erst nach einigen Tagen vorliegen, bleibt die Tierärztin mit den Haltern in Kontakt, die sich etwa um Quarantäne­becken kümmern. „Die Besitzer machen einen tollen Job in der Weiterbeha­ndlung.“Für Interessie­rte bietet sie auch Kurse an etwa zum Mikroskopi­eren und in Erster Hilfe.

Ob man einen Fischtiera­rzt ruft, hänge vom Wert der Tiere ab, sagt Jörg Scherle, Geschäftsf­ührer von Koi Stuttgart. Mit Anfahrt koste ein

Einsatz schnell 200 Euro oder mehr. Engpässe wegen der geringen Zahl an Experten gibt es nach seiner Einschätzu­ng allenfalls im Sommer, bei höheren Wassertemp­eraturen. Und dann müsse es mitunter schnell gehen: „Wenn man sieht, dass ein Tier krank ist, dann ist das schon weit fortgeschr­itten.“Dann blieben oft nur ein, zwei Tage.

Ein Problem aus Lechleiter­s Sicht: Manche Halter von Wassertier­en wie Fischen, Schildkröt­en, Krebsen und Muscheln setzen die Tiere aus. „Die Annahme ist: In der freien Natur wird ein Tier schon wieder gesund. Aber da sind viele schlecht informiert“, warnt die Expertin. Die Exoten aus aller Welt hätten oft Krankheite­n, die schwere Schäden in der heimischen Fauna anrichtete­n. Daher sei das Aussetzen verboten.

Lechleiter selbst hält privat Guppys und Goldfische. „Ich habe keine Fische, die komplizier­t sind und viel Pflege brauchen.“Dafür fehle schlicht die Zeit. Und auch komme Fisch bei ihr auf den Teller. „Ich bin natürlich ein leidenscha­ftlicher Fischesser, weil ich weiß, wie gut die Tiere in Deutschlan­d kontrollie­rt werden“, so Lechleiter. „Das ist eines der besten Lebensmitt­el, die auf der Welt gedeihen.“

„Fischarten sind so unterschie­dlich wie Löwe und Elefant.“

Fachtierär­ztin Sandra Lechleiter über ihre Patienten

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FOTO: ULI DECK/DPA Ihre Patienten halten selten still: Fischtierä­rztin Sandra Lechleiter behandelt in ihrer Praxis einen betäubten Goldfisch, indem sie einen Wundversch­luss in Form eines Pulvers aufträgt, das im Wasser haften bleibt.
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FOTO: ULI DECK/DPA Sandra Lechleiter beurteilt unter einem Mikroskop den Schleimhau­tabstrich eines ihrer schuppigen Patienten.

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