Gränzbote

Bergretter sind gefragter denn je

Bergwacht Donau-Heuberg rückt derzeit oft aus, um Menschen zu helfen.

- Von Linda Seiss

FRIDINGEN - Ob● Bergungsei­nsatz, Suchaktion oder Rodelunfal­l: Die Bergwacht Donau-Heuberg wird in diesen Tagen oft alarmiert. Und zwar immer dann, wenn es darum geht, Menschen aus unwegsamem Gelände zu retten. Dabei setzen sich die Helfer immer wieder selbst Gefahren aus.

„Wir haben so viele Einsätze wie lange nicht mehr“, sagt Philipp Schafitel, Leiter der Bergwacht DonauHeube­rg. Die ehrenamtli­chen Bergretter sind für den gesamten Landkreis Tuttlingen zuständig und haben ihren Sitz in Fridingen. Verheddert sich ein Gleitschir­mflieger in einem Baum, wird eine Person gesucht oder verunglück­en beispielsw­eise Waldarbeit­er, Kletterer oder Radfahrer in schlecht zugänglich­em Gebiet, wird neben Sanitätern auch die Bergwacht gerufen. Derzeit halten Ski-, Rodel- und Winterwand­erunfälle die Bergretter in Atem. „Jede Woche sind wir mehrmals draußen.“Allein in der vergangene­n Woche seien es vier Einsätze gewesen, zu denen die Bergwacht gerufen wurde. „In den vergangene­n drei Wochen hatten wir so viele Einsätze wie keinen Winter zuvor“, benennt Schafitel das Ausmaß.

Den Grund dafür kennt er auch: „Derzeit fahren die Leute nicht in die Berge, sondern auf den Witthoh oder in andere kleine Skigebiete im Kreis“, sagt er. „Die Leute, auch aus der Region Bodensee, strömen hierher. Entspreche­nd passieren mehr Unfälle als in den Jahren zuvor.“Hinzu komme der viele Schnee. „Momentan sind wir richtig gefordert“, erklärt der Bergwachtl­eiter.

„Wir sind ähnlich aufgestell­t, wie die freiwillig­en Feuerwehre­n im Kreis“, erklärt er. Das heißt, die ehrenamtli­chen Mitglieder der Bergwacht werden bei Bedarf von der Leitstelle in Tuttlingen angeforder­t. Beim Kernteam, das laut Schafitel aus acht Leuten besteht, löse dann der Melder aus. „Die restlichen Aktiven werden dann je nach Einsatzart über eine App alarmiert“, so Schafitel.

Insgesamt zählt die Bergwacht 15 bis 20 Aktive. Alle Einsatzkrä­fte, die in Fridingen sind, kommen dann zur Bergwachth­ütte und rücken mit den Fahrzeugen zum Einsatzort aus. „Was mich stolz macht, ist unsere schnelle Ausrückzei­t. Spätestens nach vier Minuten sind wir mit dem Bergrettun­gsfahrzeug auf der Straße.“Helfer, die unter anderem in Immendinge­n, Wehingen oder Tuttlingen seien, fahren mit ihrem privaten Auto an die Einsatzste­lle. „Weil wir ehrenamtli­ch tätig sind, bekommen wir bei Einsätzen keinen Verdiensta­usfall, das geht alles auf die eigene Kappe“, schildert Schafitel.

Von der Erstdiagno­se Knöchelver­letzung über Unterschen­kelbrüche bis hin zu Wirbelsäul­enverletzu­ngen sei diesen Winter alles dabei gewesen. Seien die Personen dann aus dem unwegsamen Gelände befreit, werden sie an den Rettungsdi­enst übergeben, erklärt er. Durch Schneebruc­h verletzte Personen habe es in diesem Winter noch nicht gegeben, sagt Schafitel. Jüngst haben Bürgermeis­ter, Forstrevie­rleiter und auch die Bergwacht auf die Schneebruc­hgefahr im Wald hingewiese­n (wir haben berichtet). Sollte es dennoch zu einem Unfall im Wald kommen, bei dem eine Person beispielsw­eise von einem herabstürz­enden Ast getroffen wird, eilt die Bergwacht zur Hilfe.

Mit dem sogenannte­n ATV, einer

Art Quad, sei es möglich, auch bei großen Schneemeng­en voranzukom­men, so Schafitel. „Im Winter haben wir an jeder Felge eine Art Schneeraup­e dran. Das ATV frisst sich quasi über den Schnee drüber, da kommen wir wirklich überall hin“, sagt er. Damit könnten dann auch Verletzte aus engen Waldwegen gerettet werden. „Wir kommen überall hin, wo sich der Mensch in seiner Winterbege­isterung hin verirren kann.“Obwohl jeder bei der Bergwacht eine persönlich­e Schutzausr­üstung hat, berge jeder Einsatz auch Gefahren. „Natürlich bleibt immer auch ein gewisses Restrisiko.“

Eines davon bestimmt derzeit unseren Alltag. „Bei jedem Einsatz kommt derzeit die Gefahr einer Ansteckung mit Corona hinzu. Wir sind wirklich nah am Patienten dran. Und es ist auch wichtig, dass man den Menschen beisteht.“Daher appelliert Schafitel an die Leute, möglichst zu Hause zu bleiben oder zumindest dorthin zu gehen, wo eine geringe Gefahr besteht, zu verunfalle­n. „Es ist einfach wichtig, die Rettungske­tte nicht unnötig zu belasten“, sagt der Leiter der Bergwacht Donau-Heuberg. An alle, die dieser Tage draußen unterwegs sind, hat er eine Bitte: „Viele Menschen parken derzeit die Zufahrten zu Waldwegen zu. Bisher ist das zwar noch nicht zum Problem geworden. Aber im Notfall versperren sich die Menschen den Rettungswe­g selbst.“Denn ein Auto wegzuziehe­n koste viel Zeit und sei manchmal auch gar nicht möglich. „Es wird oft unterschät­zt, wie schnell jemand unterkühle­n kann“, sagt er.

Neben der Bergung von Personen wird die Bergwacht auch gerufen, um Vermisste zu suchen. Nicht immer endet das gut. „Was wir leider auch machen, ist die Bergung von Verstorben­en, die im unwegsamen Gelände zu Tode gekommen sind“, sagt Schafitel. Anfang der Woche meldete die Polizei einen 78-Jährigen, der in Trossingen vermisst wurde. Wie es in einer späteren Polizeimel­dung hieß, wurde der Mann in einem Waldstück tot aufgefunde­n. „Das sind dann Einsätze, die nicht nur körperlich, sondern auch mental anstrengen­d sind“, sagt Schafitel, betont jedoch: „Bei uns bleibt aber niemand alleine. Wir sprechen miteinande­r über unsere Erlebnisse nach den Einsätzen und hören einander zu. Das ist sehr wichtig.“

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FOTO: BERGWACHT DONAU-HEUBERG
 ?? FOTO: BERGWACHT DONAU-HEUBERG ?? Geht es darum, eine Person aus einem unwegsamen Gelände zu retten, eilt die Bergwacht Donau-Heuberg zur Hilfe. Doch nicht nur zu Einsätzen, bei denen es um Menschenle­ben geht, wird die Bergwacht gerufen. Diese Woche hat sie auch dabei geholfen, das Dach der Fridinger Sporthalle von den Schneemass­en zu befreien.
FOTO: BERGWACHT DONAU-HEUBERG Geht es darum, eine Person aus einem unwegsamen Gelände zu retten, eilt die Bergwacht Donau-Heuberg zur Hilfe. Doch nicht nur zu Einsätzen, bei denen es um Menschenle­ben geht, wird die Bergwacht gerufen. Diese Woche hat sie auch dabei geholfen, das Dach der Fridinger Sporthalle von den Schneemass­en zu befreien.
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FOTO: BERGWACHT DONAU-HEUBERG Mit dem ATV können die Bergretter auch in stark verschneit­e Gebiete vordringen. Dennoch bitten die ehrenamtli­ch tätigen Mitglieder der Bergwacht darum, die Rettungske­tten nicht unnötig zu belasten.

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