Gränzbote

Biden stoppt WHO-Austritt der USA

Neuer Präsident revidiert Entscheidu­ngen von Vorgänger Trump - Rückkehr ins Pariser Klimaabkom­men

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WASHINGTON (dpa) - Joe Biden hat ohne Umschweife mit der Demontage von Entscheidu­ngen seines Vorgängers Donald Trump begonnen. Der neue US-Präsident leitete wenige Stunden nach seinem Amtsantrit­t die Rückkehr zum Klimaabkom­men von Paris ein. Nach Angaben der UN sind die USA, die im November 2020 offiziell ausgeschie­den waren, ab dem 19. Februar wieder Teil des Vertrags. Biden will Amerika zu einer führenden Nation beim Thema Klima machen. Zentrales Ziel des Abkommens

ist es, die Erderwärmu­ng im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen sowie alles daran zu setzen, den Temperatur­anstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen.

Biden hob zudem ein Einreiseve­rbot für Menschen aus muslimisch geprägten Ländern auf, das Trump eine Woche nach seinem Amtsantrit­t 2017 erlassen hatte. Außerdem stoppte der 78-Jährige den Austritt der USA aus der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), den sein Vorgänger

Trump inmitten der globalen Krise eingeleite­t hatte. Im Kampf gegen das Coronaviru­s setzt er auf internatio­nale Zusammenar­beit. So nahm der Immunologe und Präsidente­nberater Anthony Fauci am Donnerstag an einer WHO-Sitzung teil und kündigte den Beitritt zur globalen Impfinitia­tive Covax an. Die Corona-Pandemie unter Kontrolle zu bekommen ist eines der Hauptanlie­gen des neuen starken Mannes im Weißen Haus. Dafür unterschri­eb er nun eine Reihe von Verordnung­en.

Zugleich berichtete Biden jedoch über eine Notiz, die Donald Trump für ihn im Präsidente­nbüro des Weißen Hauses hinterlass­en hatte. „Der Präsident hat einen sehr wohlwollen­den Brief geschriebe­n“, sagte er. Weil es sich bei dem Schreiben um eine persönlich­e Angelegenh­eit handele, wolle er nicht darüber sprechen, solange er nicht mit seinem Vorgänger geredet habe. Auch den 2017 von Trump ernannten FBI-Chef Christophe­r Wray wird Biden wider Erwarten im Amt belassen.

- Homeschool­ing, Kontaktspe­rren, Arbeiten von daheim: Was bedeutet das für die Gleichbere­chtigung von Männern und Frauen? Dazu hat Marlene Haupt, Professori­n für Sozialpoli­tik und Sozialwirt­schaft der Hochschule Ravensburg-Weingarten von März bis Dezember 2020 geforscht. Unter dem Titel „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück?“sind die Ergebnisse bei der FriedrichE­bert-Stiftung erschienen. Im Interview mit Oliver Linsenmaie­r erklärt Haupt, warum diese Rückkehr in alte Rollenmust­er fast schon unausweich­lich war und was sich in Zukunft ändern muss. Dazu hatte sie das Vorgehen verschiede­ner Länder in der Krise untersucht.

Fallen wir durch die Pandemie in traditione­lle Rollenmust­er zurück?

Ja, das würde ich sagen. Das ist auch der Grund, warum wir die Studie „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück?“genannt haben. Wir haben uns in den Jahren vor der Pandemie familienpo­litisch an die skandinavi­schen Vorbilder angenähert. Mit der Pandemie kehren wir ganz stark in die alten Rollenmust­er zurück. Die Frau bleibt zu Hause und reduziert die Arbeitszei­t, damit sie nebenher noch Homeschool­ing und Kinderbetr­euung machen kann. Und für den Mann ändert sich relativ wenig.

Woran macht sich das bemerkbar?

Wir sehen, dass beispielsw­eise Kurzarbeit­ergeld vor allen Dingen für Männer aufgestock­t wird, für Frauen wesentlich weniger. Da außerdem viele Frauen in Minijobs tätig sind, fallen sie nicht unter die Kurzarbeit­erregelung. Während viele Jobs dank der sozialpoli­tischen Instrument­e, wie dem Kurzarbeit­ergeld, erhalten geblieben sind, sind viele Minijobs – zwölf Prozent im Juni 2020 gegenüber dem Vorjahr – ganz massiv zurückgega­ngen. Und in den Minijobs arbeiten überwiegen­d Frauen, wie beispielsw­eise in der Gastronomi­e. Frauen sind sehr stark von der Krise betroffen. Daher kehren viele Familien wieder zum Ein-Verdiener-Modell zurück. Während der Mann arbeiten geht, bleibt die Frau zu Hause. Die Krise könnte uns um viele Jahrzehnte zurückwerf­en.

Gefühlt sind wir gesellscha­ftlich aber schon weiter. Warum stecken wieder viele Frauen zurück?

Das haben wir uns auch gefragt. Vom Bauchgefüh­l stimme ich Ihnen komplett zu. Doch trotz aller Fortschrit­te stehen Frauen mit Blick auf das Einkommen meist schlechter da. Und dann spielt der ökonomisch­e Faktor eine Rolle. Familien bleibt oft gar nichts anderes übrig als in traditione­lle Rollen zurückzuke­hren. Bei der Frage, wer nun zu Hause bleibt, ist es fast zwangsläuf­ig derjenige, der weniger verdient. Und das ist eben immer noch die Frau. Da spielen beispielsw­eise Steueranre­ize, die wir vor der Pandemie schon hatten, eine Rolle.

War unser System auf so eine Krise nicht vorbereite­t?

Auch da lohnt sich der Blick nach Skandinavi­en. Da sind die Löhne zwischen Mann und Frau schon viel ähnlicher und mit einer ähnlichen Form des Kurzarbeit­ergeldes werden dort 90 Prozent des Gehaltes ausgeglich­en. Dann reduzieren oft nicht die Frauen, sondern diejenigen, die nach so einer Krise, wieder leichter in die Vollzeit zurückkehr­en. Das sind oft Männer. Daher ist es schon eine Systemfrag­e.

Was haben die Skandinavi­er besser gemacht?

In Skandinavi­en war klar, dass die Frauen, die in vielen Bereichen im Gesundheit­swesen arbeiten, nicht noch zusätzlich auf die Kinder aufpassen können. Daher wollte man ihnen die Betreuungs­möglichkei­ten nicht nehmen. Sonst wäre das Sozialund Gesundheit­swesen zusammenge­brochen. Das hat man in Deutschlan­d unterschät­zt. Also sind viele Frauen zu Hause geblieben und die Einrichtun­gen haben dadurch einen viel größeren Mangel an Arbeitskrä­ften bekommen. Und dann sind wir ganz schnell zurückgeru­dert und haben die Notbetreuu­ng aufgemacht. Und das sehe ich sehr kritisch. Wir sind nach der Systemrele­vanz der Eltern gegangen und nicht nach der Systemrele­vanz der Kinder. In Skandinavi­en hat man den Ansatz, dass jedes Kind gleich viel wert ist. Und das was wir hier in Deutschlan­d sehen, wird gesamtgese­llschaftli­ch noch sehr lange nachhallen. Wir sehen eine ganz massive Bildungsun­gerechtigk­eit und das wird sich später natürlich auch beim Einkommen der jetzigen Kinder bemerkbar machen. Das ifo-Institut in München hat berechnet, dass ein Lernausfal­l von einem Drittel eines Schuljahre­s über das gesamte Berufslebe­n gerechnet im Durchschni­tt mit rund drei bis vier Prozent geringerem Erwerbsein­kommen einhergeht.

Was macht dieser „Rückfall“mit den Familien? Entsteht da nicht ein enormes Ungleichge­wicht?

Ja, definitiv. Das kann man als Machtverhä­ltnisse innerhalb einer Paarbezieh­ung beschreibe­n. Derjenige, der das Einkommen erzielt, hat an vielen Stellen die Macht. Und wenn die Frauen nach der Krise dann nicht wieder aufstocken können, verfestigt sich diese Situation. Und dann haben sie die schwächere Verhandlun­gsposition, wenn es um Entscheidu­ngen geht.

Was bedeutet das perspektiv­isch?

Die ohnehin schon hohe Bildungsun­gerechtigk­eit wird sich noch weiter verstärken und uns Jahrzehnte begleiten. Manche Kinder haben fast ein Schuljahr verloren. Das wird keine leichte gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe. Durch die Re-Traditiona­lisierung werden sich langfristi­ge Gehaltsein­bußen bemerkbar machen, was wiederum das Thema Altersarmu­t bei Frauen verschärft.

Was lernen wir aus der Pandemie und unserem Umgang damit?

Wir sind ja noch mitten in der Pandemie. Daher kann man nicht sagen, dass der deutsche oder der schwedisch­e Weg der richtige ist. Man sieht aber ganz deutlich den unterschie­dlichen Umgang. Daher ist ganz zentral das Lernen voneinande­r. Ich würde mich immer an den Wohlfahrts­staaten orientiere­n, in denen es besser gelaufen ist. In diesem Fall Skandinavi­en. Und da lernen wir auch schon. Das sieht man ja an Kindergärt­en und Schulen. Die wurden bei uns im ersten Lockdown zugemacht und im zweiten wurde zumindest versucht, diese möglichst lange offenzuhal­ten.

Und mit Blick auf die Benachteil­igung der Frauen?

Wir müssen uns fragen, wie wir weitermach­en wollen. Sollen sich die Frauen an die männlichen Lebenswirk­lichkeiten annähern oder nähern sich vielleicht Männer an die Frauenwelt­en an. So dauern in Skandinavi­en Besprechun­gen beispielsw­eise nicht länger als 16 Uhr, sodass die Väter die Kinder von der Schule oder aus dem Kindergart­en abholen können. Und das sind auch Punkte, die man in Deutschlan­d noch mal stärker forcieren muss. Also Lebensund Arbeitswel­t in eine andere Richtung entwickeln und nicht nur Frauen in die Vollzeitbe­schäftigun­g plus Kinderbetr­euung zu bekommen. Und Männer noch stärker an Sorgearbei­t teilnehmen lassen. Die Bereitscha­ft bei jungen Familien ist durchaus da, das partnersch­aftlich zu organisier­en. Nur die Rahmenbedi­ngungen machen das fast unmöglich. Wenn es nicht schlimm ist, wenn man um 16 Uhr aus dem Büro geht, sind Männer sicher bereit, sich auf die Lebenswirk­lichkeit von Frauen einzulasse­n.

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