Sabrina Wurdak managt die Corona-Pandemie
Das Landratsamt hat eine neue Stelle geschaffen – Insgesamt sind über 100 Menschen im Gesundheitsamt tätig
TUTTLINGEN - Sabrina Wurdak ist Leiterin des Sachgebiets Pandemiemanagement im Tuttlinger Landratsamt. Die 40-jährige Sozialpädagogin trat die neu geschaffene Stelle Mitte Oktober an und gehört damit in Leitungsfunktion dem Gesundheitsamt an. Was genau sind ihre Aufgaben? Und wie schätzt sie die Corona-Situation im Landkreis Tuttlingen ein? Redakteurin Ingeborg Wagner unterhielt sich mit ihr darüber.
Frau Wurdak – wie managt man eine Pandemie? Anders gefragt: Was genau sind Ihre Aufgaben?
Alles Organisatorische rund um Corona gehört in mein Aufgabengebiet, ebenso die Personaleinsatzplanung. Das ist ein sehr breites Feld. Neben dem Stammpersonal im Gesundheitsamt gehören Soldaten, Zollbeamte, Mitarbeiter von den Stadtwerken und vereinzelt aus anderen Ämtern des Landratsamts dazu. Ich muss zudem den Informationsfluss zwischen den Teams gewährleisten und bin Schnittstelle mit allen anderen Ämtern: Personal und Organisationsamt, IT und Katastrophenschutz. Dr. Siegfried Eichin ist der Amtsleiter im Gesundheitsamt, und ich bin für das Sachgebiet Pandemie verantwortlich. Es ist ein gutes Miteinander, wir ergänzen uns.
Wie sind Sie gestartet?
Anfangs ging es vor allem um die Erfassung des Ist-Zustands in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, wie die Strukturen und Prozesse im Haus aufgebaut sind. Der nächste Schritt zielte darauf, uns an die steigenden Corona-Fallzahlen anzupassen und wie wir uns künftig aufstellen wollen. Im Grunde waren wir seit Beginn der zweiten Welle im Oktober immer am Brand löschen.
Sind Sie auch beim Thema Impfen involviert?
Das gehört nicht zum Gesundheitsamt, sondern ist im Amt für Katastrophenschutz angegliedert. Wir haben mit den übrigen Aspekten der Pandemiebewältigung genug zu tun.
Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte das Gesundheitsamt 20 Mitarbeiter, mittlerweile sind es mit allen Aushilfen über 100. Das bringt bestimmt Herausforderungen mit sich.
Die größte Herausforderung ist sicherlich, eine gleichbleibende Qualität der Arbeit zu gewährleisten, unter hohem gesellschaftlichen Druck. Das Team ist nicht nur stark gewachsen, sondern es gab auch jede Menge Fluktuation. Das hat im doppelten Sinne zu einer Extremsituation geder führt. Wir haben es zum einen mit einer Pandemie zu tun mit fast täglich wechselnden gesetzlichen Regelungen, dazu noch ein ständiger Personalwechsel, der verbunden ist mit Einlernen, Wissen weitergeben und jeder Menge Unruhe. Ein großer Druck entsteht auch durch die Arbeitszeiten, die oft von Montag bis Sonntag reichen und ebenso an Feiertagen. Das ist extrem fordernd. Die Mitarbeiter des Gesundheitsamts haben ja auch noch andere Aufgaben außer Corona, denen sie nachgehen müssen.
Wie viele Festangestellte haben Sie im Gesundheitsamt?
Durch Neueinstellungen haben wir den festen Stamm nun auf 48 Mitarbeiter erhöht. Für mich war anfangs sehr überraschend, mit welch hoher fachlicher Expertise die Fallarbeit Covid-Fälle einhergeht. Mehrere Datenbanken müssen parallel geführt werden, ebenso Statistiken. Es gibt eine Meldepflicht an das RKI und das Landesgesundheitsamt mit verschiedenen Programmen und Datenbanken, die sehr diffizil sind. Es braucht ein gutes Hintergrundwissen, um damit zu arbeiten. Das sieht man von außen nicht – dort wundert man sich vielleicht darüber, wieso die im Gesundheitsamt manchmal nicht schneller reagieren.
Sie haben Teams innerhalb des Gesundheitsamts angesprochen. Wie viele gibt es?
Wir sind aufgeteilt in sieben Teams. Ein Team macht zum Beispiel den Befundeingang aus den Laboren, nimmt ihn auf und pflegt ihn ein, ein anderes kümmert sich um die Negativbefunde. Ein großes Team kümmert sich um die positiven Fälle, pflegt die Datenbank und nimmt Kontakt zu den Menschen auf. Sie fragen nach, in welcher Lebenssituation die Menschen sind, wie ihr familiäres und berufliches Umfeld aussieht. Das sind keine fünf MinutenTelefonate, wie man sich vorstellen kann, denn die Betroffenen haben sehr viele Fragen. Das geht nicht nach Schema F und wir haben den Anspruch, dem gerecht zu werden. Ein weiteres Team übernimmt die Terminvergaben, auch für das Abstrichzentrum in Spaichingen. Das Ärzte-Team, neben den Ärzten aus dem Gesundheitsamt sind auch einige Konsiliarärzte im Ruhestand für uns tätig, ist vor allem in der Betreuung der Pflegeheime tätig. Die Hotline beantwortet breit gefächerte Fragen von Bürgern.
Wo sind die Mitarbeiter untergebracht?
Wir haben die einzelnen Teams räumlich verteilt und neue Unterkünfte dazubekommen. Für das Kontaktpersonenmanagement gibt es zwei Außenstellen, eine im alten Landratsamt in der Alleenstraße und die andere im Studio 39 der Tuttlinger Hallen. Dort sind auch die Soldaten, die uns bei der Nachverfolgung helfen, mit einbezogen. Im Luginsfeldweg, in den dortigen Räumen des Gesundheitsamtes und den ehemaligen Räumen der Pflegeschule des Klinikums, sind alle anderen Teams untergebracht.
Ist Ihre Stelle ausschließlich wegen Corona geschaffen worden oder war dies ohnehin geplant als Teil des Katastrophenschutzes?
Nein, sie ist ausschließlich als Unterstützung des Gesundheitsamts in der Corona-Pandemie gedacht.
Nehmen wir an, durch die Möglichkeit der Impfung gelingt es, das Coronavirus einzudämmen auf wenige Fälle und sehr geringe Inzidenz. Was tun Sie dann?
Erstmal würde ich meine Überstunden abbauen. Für mich ist die Stelle der Leitung des Pandemiemanagements eine Herausforderung, ich freue mich, dass ich diese Chance bekommen habe. Was danach kommt, wird man sehen. Natürlich wäre es für die Gesellschaft wünschenswert, dass man meine Stelle bald nicht mehr brauchen sollte.
Danach sieht es nicht aus. Wo sehen Sie in den kommenden Wochen und Monaten die größten Herausforderungen beim Thema Corona?
Das Thema Mutationen ist eines, das wir mit Sorge betrachten, Deshalb schauen wir bei der Einreise momentan auch genauer hin durch die Zwei-Test-Strategie sowie der digitalen Einreiseanmeldung aus Risikogebieten. Wir merken zudem, dass sich die Menschen nach Normalität sehnen und nach Kontakten, jeder wünscht sich die Leichtigkeit im Miteinander zurück. Das macht es uns nicht gerade einfacher, die Einschränkungen der Kontakte und die anderen Regeln zu vermitteln. Insgesamt sind wir im Gesundheitsamt momentan optimistisch, aber dennoch wachsam. Die momentan niedrigen Fallzahlen geben uns die Möglichkeit, etwas durchzuatmen, die Listen der Kontaktpersonen sind eindeutig kürzer geworden. Das ist das Positive. Aber so richtig trauen wir der neuen Situation noch nicht und bleiben bei der personellen Stärke.
War Ihre Stelle von Anfang an als 100-Prozent-Stelle konzipiert?
Ich habe mit 75 Prozent begonnen, aber bereits nach zwei bis drei Wochen gemerkt, dass das bei Weitem nicht reicht. 100 Prozent eigentlich auch nicht, denn ich arbeite auch an den Wochenenden und an den Feiertagen sodass ich immer für die Teams und Mitarbeiter erreichbar bin.
Die Politiker weisen die Unternehmen daraufhin, dass die Menschen möglichst im Homeoffice arbeiten sollten. Haben Sie diese Möglichkeit?
Ja. Ich arbeite zeitweise im Homeoffice, sonst würde ich Job und Familie nicht unter einen Hut bekommen. Das hat jede Menge Vorteile, aber eben nicht nur. Man wechselt den ganzen Tag zwischen Laptop, Herd und Homeschooling hin und her. Die Belastung ist schon enorm, und wir alle können das sicherlich nicht auf Dauer leisten. Doch mir macht die neue Aufgabe großen Spaß, wir sind ein klasse Team und ziehen alle an einem Strang. Es ist schon etwas Besonderes, eine solche Aufgabe zu verantworten. Mir ist es wichtig, den Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen sowie achtsam miteinander zu sein. Humor hilft uns dabei. Vor allem die Mitarbeiter der Hotline müssen sich sehr viel anhören. Sie bekommen das Unverständnis und den Frust der Menschen ab und müssen damit umgehen. Das ist eine große Belastung. Corona ist für uns alle eine Ausnahmesituation, in die jeder sein Bestes beiträgt. Bei allen Sorgen hilft es aber auch, wahrzunehmen, dass es uns trotz allem sehr gut geht, getragen in einem gesellschaftlichen System, in dem Menschlichkeit und Solidarität eine große Rolle spielen.