Gränzbote

Bei vielen geht es an die Grenzen

Einzelhänd­ler und Dienstleis­ter kämpfen in Trossingen um ihre wirtschaft­liche Existenz

- Von Sabine Felker

TROSSINGEN - Die Trossinger Hauptstraß­e wirkt in diesen Tagen fast wie ausgestorb­en und nicht wenige fragen sich, ob dies ein Ausblick in die Zeit nach Corona ist. Die Einzelhänd­ler und Dienstleis­ter kämpfen wegen der verordnete­n Schließung­en um ihre wirtschaft­liche Existenz und fragen sich, wie lange sie noch durchhalte­n können.

„Die Situation für die Einzelhänd­ler wird immer prekärer. Es handelt sich um eine Notsituati­on für den deutschen Einzelhand­el. Viele Händler stehen am Ende Ihrer Möglichkei­ten, die Läden werden sterben und die Innenstädt­e veröden. Die Gefahr besteht auch mittel- bis langfristi­g in Trossingen“, sagt Alexander Keller, Vorsitzend­er der Werbegemei­nschaft Trossingen­activ. „Die Pandemie wird auf dem Rücken einiger Branchen ausgetrage­n und es gibt keine Entschädig­ungen für die Verluste. Der Einzelhand­el, die Gastronomi­e oder die Kultur haben keine Lobby in Berlin wie manch andere Branchen. Die Schließung beziehungs­weise Opferung des Einzelhand­els und der Gastronomi­e hat in unseren Augen nicht zu einer Verbesseru­ng der Infektions­lage geführt, da die Hygienevor­schriften in diesen Bereichen eingehalte­n wurden“, sagt er.

Auf die Hygienekon­zepte vertrauend, hatte auch Axel Beurer von Morys Hofbuchhan­dlung darauf gehofft, „bis Weihnachte­n offen bleiben zu dürfen“. Vorsorglic­h habe das Team „bereits im November dafür Werbung gemacht, dass unsere Kunden möglichst früh ihre Buchgesche­nke bestellen. Aber ein solches Vorweihnac­htsgeschäf­t ist nicht vergleichb­ar mit dem Geschäft der vorhergehe­nden Jahre“, so Beurer. Dass nun die Abholung von Waren erlaubt ist, sei eine Erleichter­ung - und trotzdem: „Große Umsätze werden aber mit geschlosse­ner Geschäftst­ür nicht gemacht.“

Auch Andrea Schrödl, die je ein Spielzeugg­eschäft in Trossingen und Spaichinge­n betreibt, war von der Schließung vor Weihnachte­n hart getroffen. „Dass die Schließung kommt, das habe ich schon befürchtet. Aber wer will schon wahrhaben, dass nach der wichtigen Zeit an Ostern, zu welcher sonst neben Spielwaren auch gute Umsätze mit Schulranze­n gemacht werden, jetzt auch noch die umsatzstär­ksten Tage des Weihnachts­geschäfts ausfallen?“Auch wenn Schrödl seit gut einer Woche zumindest die Schreibwar­en wieder direkt im Geschäft verkaufen darf, sei das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und auch mit dem Bestellser­vice, den sie wie viele andere anbietet, könne „sicherlich kein nennenswer­ter Umsatz geschaffen werden. Die Kunden des stationäre­n Handels wollen die Ware vor Ort erleben, direkt vergleiche­n und auch beraten werden.“Der Umstand, dass ein großer Drogeriema­rkt in der Stadt ohne Einschränk­ungen seine Waren verkaufen darf, unter anderem Spielzeug und Schreibwar­en, trifft die Geschäftsf­rau. Ihr Gefühl dabei: „Die Verordnung ist wie für diesen Drogeriema­rkt gemacht.“

Den Dessouslad­en Plocher gibt es seit 1934. Inhaberin Judith Hoffrichte­r ist immer noch fassungslo­s: „Das gab es wohl selbst im Krieg nicht, dass unser Geschäft so lange geschlosse­n war.“Sie versucht das Beste aus der Situation zu machen: „Das Schaufenst­er ist wichtiger denn je.“Seit der Abholservi­ce erlaubt ist, würden immer häufiger Kunden diesen nutzen. „Sie sehen etwas im Schaufenst­er und nehmen es dann zur Anprobe mit nach Hause“, so Hoffrichte­r. Auch wenn sie sich über jeden Kunden freute, finanziell tragen könne das keinen Laden.

Finanziell­e Hilfe durch den Staat hat keines der befragten Trossinger Geschäfte in diesem zweiten Lockdown bisher erhalten. „Das ist ein ganz großes Problem, dass man die Hilfen noch nicht mal beantragen kann“, sagt Hoffrichte­r. „Das geht langsam bei vielen an die Grenze. Man muss jetzt die Ware aus dem November und Dezember bezahlen, aber wie macht man das, wenn nichts rein kommt?“.

Der Eine-Welt-Laden, der von einem Verein getragen wird, darf öffnen, „da wir einen Großteil unseres Umsatzes mit dem Verkauf von Lebensmitt­eln erzielen“, zeigt sich Vereinsvor­sitzende Claudia Hauser erleichter­t. Doch auch das Team des Eine-Welt-Ladens bemerkt die Ruhe, die sich über die Hauptstraß­e gelegt hat. „Es sind viel weniger Menschen unterwegs. Trotzdem versuchten wir, unsere Einkäufe auf dem bisherigen Niveau zu halten, da unsere Produzente­n und Zulieferer von unseren Einkäufen leben“, erklärt Hauser. Würde deren Absatz in Deutschlan­d einbrechen, würde das ganz unmittelba­r die Hersteller der fair gehandelte­n Waren in Entwicklun­gsländern treffen und damit ganze Familien in wirtschaft­liche Not stürzen.

Trotz der Sorgen und der Ungewisshe­it, ihren Optimismus haben sich die Trossinger Geschäftsl­eute bewahrt – die Planungen für den Frühling stehen bereits.

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FOTO: SABINE FELKER Judith Hoffrichte­r von Plocher Dessous hofft darauf, dass es bald Lockerunge­n für den Einzelhand­el gibt.

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