Mit mehr Wohneinheiten gegen den Flächenfraß
Vor allem innerorts versuchen Gemeinden Mehrfamilienhäuser zu ermöglichen
SPAICHINGEN/KREIS - Im wirtschaftlich dynamischen Landkreis Tuttlingen gibt es weiterhin großen Bedarf nach mehr Wohnraum. Andererseits bleibt aber auch der Flächenverbrauch und der Rückgang wertvoller Naturräume und landwirtschaftlicher Flächen ein Problem. Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist die innerörtliche Verdichtung und der Bau von Mehrfamilienhäusern. Doch wie sieht es damit in den Gemeinden aus?
Die Stadt Spaichingen entwickelt gerade das Wohngebiet „HochsteigTal“. Der Bebauungsplan wird im klassischen Bebauungsplanverfahren aufgestellt. Dieses beinhaltet auch eine Umweltprüfung, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Der Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg gibt für Spaichingen einen Wert von 70 Einwohnern je Hektar vor. Allein schon, um diese Vorgabe erfüllen zu können, werde es in diesem Baugebiet eine Mischung von Mehrfamilienhäusern, Reihenhäusern, Doppelhäusern aber auch normalen Einzelhäusern geben, so Bürgermeister Markus Hugger.
Um eine Nachverdichtung geregelt zu erlauben, werde die Stadt in Zukunft bestehende Bebauungspläne ändern und an anderen Stellen neue erstellen. Es könne sein, so Bürgermeister Markus Hugger, „dass wir in manchen Quartieren, wo wir es für verträglich halten, Geschosswohnungsbau zulassen, aber auch in anderen Bereichen nur maßvolle Nachverdichtung mit Einfamilienhäusern.“Außerdem erstelle die Stadt gerade Konzepte, wie der Anteil von Wohnungen mit sozialverträglichen Mietpreisen erhöht werden kann.
Derzeit werden in Aldingen zwei Wohnbaugebiete erschlossen, eines davon im Teilort Aixheim. Dabei sind allerdings ausschließlich Grundstücke für Einfamilienhäuser und einige Flächen für Doppelhäuser vorgesehen. Ob in diesen Objekten Mietwohnungen entstehen, bleibt den Bauherren überlassen.
Die Gemeindeverwaltung Aldingen sieht verdichtetes Bauen mit Mehrfamilienhäusern eher im Ortszentrum. So hat die Gemeinde 2019 eine große Freifläche an der Hölderlinstraße an die Baugenossenschaft Donau-Baar-Heuberg (DBH) verkauft, damit diese – voraussichtlich noch in diesem Jahr – dort drei Mehrfamilienhäuser mit sozialverträglichen 33 Wohneinheiten baut. Weiter ist ein privates Mehrfamilienhaus in der Entwicklungsphase. Die Gemeinde plant darüber hinaus ein innerörtliches Wohngebiet in den kommenden Jahren zu erschließen, dort sollen teilweise Mehrfamilienhäuser, aber auch Einfamilienhäuser entstehen können.
In den vergangenen Jahren hat die Gemeinde Aldingen bereits mehrere ehemals landwirtschaftliche Grundstücke erworben und die Bauernhäuser abgerissen, damit hier unter anderem Mehrfamilienhäuser – mit Schwerpunkt auf altersgerechtes Wohnen – entstehen. Die Gemeinde möchte dazu aber zunächst eine Gesamtstrategie entwickeln.
Die Anzahl der Sozialwohnungen der Gemeinde Aldingen beläuft sich auf 36, teilweise sind es nur Ein-Zimmer-Wohnungen, teilweise auch größere Wohnungen für Familien in einzelnen Gebäuden mit dabei.
In Denkingen wurde das ehemalige Bauhofareal in der Ortsmitte mit mehreren Mehrfamilienhäusern bebaut (teilweise wird noch gebaut). Es handelt sich hierbei um Eigentumsund Mietwohnungen. Die Gemeinde hatte dort im Rahmen der städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen mehrere ältere Gebäude aufgekauft und abgerissen. „Ich denke, das ist ein gutes Beispiel, wie in einer Dorfmitte auch gestalterisch Mehrfamilienhäuser gebaut werden können“, befindet Bürgermeister Rudolf Wuhrer. „Es müssen nicht immer gesichtslose Betonbunker sein.“
Die Gemeinde Denkingen selbst baut in der Hinteren Gasse derzeit ein altes stattliches Bauernhaus in ein Mehrfamilienhaus um. Auch in den kommenden Jahren wolle die Gemeinde erneuern und dabei auch die Anzahl der Wohnungen erhöhen.
Die Gemeinde Frittlingen sieht eine Lösung zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und zur Schaffung von Mehrfamilienhäusern und sozialverträglichen Wohnungen in der (Um-)Nutzung innerörtlicher Flächen und Gebäude. Mit dem Angebot von Mietwohnungen in den Gebäuden Weiherstraße 4 und 6 sowie Kirchgasse 2 komme Frittlingen der gesellschaftlichen Verpflichtung
zur Schaffung von sozialverträglichem Wohnraum nach. Eine Ausweitung dieses Angebots von Mietwohnungen mit sozialverträglichen Mieten sei nicht ausgeschlossen, so Hauptamtsleiter Hans-Georg Maier, sofern es der Gemeinde gelingt, (leerstehende) Gebäude aufzukaufen und – unterstützt durch Zuschussprogramme wie ELR oder städtebauliche Sanierung – in Mietwohnungen umzuwandeln.
Hausen ob Verena will in seinem neueste Bebauungsplan „Griesbaumäcker“auch die Möglichkeit bieten, hier zwei Mehrfamilienhäuser zu erstellen. Auf den restlichen zehn Bauplätzen sollen Einfamilienhäuser in zweigeschossiger Bauweise entstehen.
Dürbheim hat noch das Baugebiet „Pfaffensteig III“, in dem die Gemeinde peu-a-peu alle zwei Jahre einen Bauabschnitt mit jeweils zirka zehn Bauplätzen für Einfamilienhäuser erschließt. Daneben bemüht sich die Gemeinde aber auch, „innerörtliche Potenziale“zu erschließen. „Das heißt“, so erläutert Bürgermeister Andreas Häse, „wir versuchen die Eigentümer von Gebäuden, die sanierungsbedürftig oder nicht seniorengerecht sind, die leer stehen, oder bei denen Dachgeschosse oder nicht mehr genutzte Scheunen zu Wohnraum umgebaut werden könnten, dazu zu motivieren, hier Wohnraum zu schaffen oder dessen Qualität zu verbessern“. Hier gibt es zahlreiche Zuschussmöglichkeiten, so Häse. Insbesondere über das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) sei es in den vergangen Jahren gelungen, 20 Maßnahmen anzustoßen, die mit insgesamt 391 100 Euro bezuschusst wurden. „Derzeit bin ich dabei, Vorschläge für den Gemeinderat zu erarbeiten, wie wir als Kommune den Gebäudeeigentümern noch interessantere Unterstützungsangebote machen können. Daneben ist der Aufkauf eines baufälligen Gebäudes geplant, damit dort über einen Bauträger ein Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen errichtet werden kann. Die Umsetzung hängt jedoch davon ab, ob das unter Denkmalschutz stehende Gebäude abgebrochen werden kann.“
Balgheim ist geprägt von Einfamilienhäusern. In nachverdichteten Bereichen konnten in den vergangenen Jahren aber auch Mehrfamilienhäuser gebaut werden. „Diese Entwicklung begrüße ich“, so Bürgermeister Nathanael Schwarz, „sie ist jedoch oft von den Eigentümern und möglichen Investoren abhängig“. Durch die Baugebiete „Mitten im Dorf“oder „Im Obstgärtle“entstand Bauland ohne Flächenverbrauch im Außenbereich. Dennoch sei der Bedarf an Wohnraum ungebrochen groß, stellt Bürgermeister Schwarz fest.