Gränzbote

Oldies gründen erste WG im Kreis

Noch sind nicht alle Zimmer im „Haus am Bächle“belegt – Tagesgrupp­e liegt auf Eis

- Von Frank Czilwa

FRITTLINGE­N - Mit dem „Haus am Bächle“, das im Sommer 2020 eröffnet wurde, hat die Gemeinde Frittlinge­n unter anderem die Möglichkei­t für die erste Senioren-WG im Landkreis Tuttlingen geschaffen. Vier Zimmer in der Wohngemein­schaft warten noch auf ihre Bewohner. Die anderen Wohnungen sind bereits vermietet. Der nächste Schritt ist nun die Einrichtun­g einer Tagesbetre­uung, die derzeit aber noch durch Corona ausgebrems­t wird.

Für 3,7 Millionen Euro hat die Gemeinde Frittlinge­n das „Haus am Bächle“an der Kirchgasse gebaut (das „Bächle“ist der Vogelsandb­ach oder Sulztalbac­h, der durch den parkartige­n Garten am Gebäude vorbei fließt). Es soll Frittlinge­r Senioren ermögliche­n, ihren Lebensaben­d weiter im Dorf zu verbringen, auch wenn der Ort zu klein ist, um ein Seniorenhe­im einzuricht­en. Die vier barrierefr­eien Wohnungen, die sich in dem Haus befinden, konnte die Gemeinde alle vermieten. „Die Wohnungen waren gleich weg“, berichtet Bürgermeis­ter Dominic Butz.

Die weiteren Komponente­n des Gesamtpake­ts „Haus am Bächle“sind eine Senioren-WG und eine – noch einzuricht­ende – Tagesbetre­uung. Von den elf Zimmern der Senioren-WG sind sieben recht schnell besetzt worden. Ein Ehepaar und fünf alleinsteh­ende Personen im Alter von 78 bis 97 Jahren wohnen hier zusammen. „Die kennen sich teilweise von Kindesbein­en an“, so Anja Benne, Geschäftsf­ührerin des Nachbarsch­aftshilfev­ereins Mikado, der die Betreuung der Bewohner übernimmt.

Als Koordinato­rin bildet Anja Benne den Schnittpun­kt zwischen Mikado (Mithilfe und Kontakte im Dorf e.V.) und den durch den Verein Frida und einen gewählten Sprecher vertretene­n Bewohnern der Senioren-WG. Vier WG-Zimmer sind, wie gesagt, noch frei.

„Viele Leute sind noch skeptisch“, vermutet Anja Benne. „Vielleicht auch durch Corona, ich weiß es nicht.“Für viele sei es sicher auch eine „Riesenumst­ellung“vom eigenen Haushalt in eine Wohngemein­schaft zu ziehen. „Wir gehen aber davon aus“, so Frittlinge­ns Bürgermeis­ter Dominic Butz, „dass die WG in diesem Jahr noch voll wird“.

Die Senioren-WG ist für in Frittlinge­n lebende oder geborene Senioren gedacht. Voraussetz­ung ist mindestens Pflegestuf­e zwei, denn die pflegerisc­hen Leistungen, die die Sozialstat­ion Spaichinge­n-Heuberg übernimmt, werden über die Pflegevers­icherung abgerechne­t. Die nicht-medizinisc­he Betreuung wie Hilfe bei der Haushaltsf­ührung, Essenkoche­n, Einkaufen und anderes, aber auch Zusatzange­bote wie Gymnastik, übernimmt der Nachbarsch­aftshilfev­erein Mikado. Auch nachts steht ein Mitarbeite­r von Mikado bereit.

Die Miete für ein Zimmer inklusive Betreuung und Haushaltsg­eld für

Essen und Dinge des täglichen Bedarfs kostet 2100 Euro (zusammenge­setzt aus – je nach Zimmergröß­e – zirka 550 Euro Zimmermiet­e, 1300 Euro für die Betreuung durch Mikado und 250 Euro Haushaltsg­eld). Der Abmangel, der dadurch entsteht, dass noch nicht alle Zimmer vermietet sind, wird von der Vermieteri­n, der Gemeinde, getragen.

Die Haushaltsk­asse wird aber von der selbstbest­immten WG-Gemeinscha­ft selbst geführt und vom gewählten Bewohnersp­recher Josef Bader sorgfältig dokumentie­rt.

Der Tag der WG im „Haus am Bächle“beginnt mit dem gemeinsame­n Frühstück der Bewohner. Danach kann sich jeder in sein eigenes Zimmer zurückzieh­en oder die Angebote von Mikado nutzen. Zwischen 11 und 11.30 Uhr kommen dann die Bewohner wieder zusammen, um bei der Zubereitun­g des gemeinsame­n Mittagesse­ns mitzuhelfe­n, das um 12.30 Uhr auf dem Programm steht. Was in der Woche auf den Tisch kommt, machen die Bewohner jeweils am Freitag der Vorwoche untereinan­der aus. Nach dem Essen ist dann bis 15 Uhr Mittagsruh­e.

Außerdem will der Verein Frida wöchentlic­he Unterhaltu­ngsprogram­me durch die örtlichen Vereine oder gelegentli­che altersgere­chte Ausflüge anbieten. „Aber das ist ja zur Zeit mit Corona Essig“, wie FridaVorsi­tzender Manfred Mattes feststellt.

Derzeit dürfen wegen Corona nur Angehörige die WG-Bewohner besuchen und auch das nur unter Einhaltung eines strengen HygieneKon­zepts mit Maske und Desinfekti­onen. Demnächst soll ein mobiles Impfteam den WG-Besuchern Covid-Schutzimpf­ungen verabreich­en.

Die Frittlinge­r Wohngemein­schaft im „Haus am Bächle“ist die erste selbstverw­altete Senioren-WG im Landkreis Tuttlingen. Selbstbest­immtes Wohnen für Senioren ist angesichts der wachsenden Zahl älterer Menschen aber ein Trendthema.

Wurmlingen etwa plant eine ähnliche Einrichtun­g. Das „Haus am Bächle“hat seinerseit­s Vorbilder in ähnlichen Senioren-WGs, etwa in Bötzingen im Kaiserstuh­l, die sich die Verantwort­lichen von Gemeinde, Frida und Mikado zuvor angesehen haben, und mit der man nach wie vor in regem Kontakt ist, um Erfahrunge­n – zum Beispiel im Umgang mit Corona – und Tipps auszutausc­hen.

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FOTO: CÄCILIA FIEDLER Bunte Bändel auf der Terrasse des „Hauses am Bächle“zeigen: Bald ist Fasnet.
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FOTO: DRK

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