Oldies gründen erste WG im Kreis
Noch sind nicht alle Zimmer im „Haus am Bächle“belegt – Tagesgruppe liegt auf Eis
FRITTLINGEN - Mit dem „Haus am Bächle“, das im Sommer 2020 eröffnet wurde, hat die Gemeinde Frittlingen unter anderem die Möglichkeit für die erste Senioren-WG im Landkreis Tuttlingen geschaffen. Vier Zimmer in der Wohngemeinschaft warten noch auf ihre Bewohner. Die anderen Wohnungen sind bereits vermietet. Der nächste Schritt ist nun die Einrichtung einer Tagesbetreuung, die derzeit aber noch durch Corona ausgebremst wird.
Für 3,7 Millionen Euro hat die Gemeinde Frittlingen das „Haus am Bächle“an der Kirchgasse gebaut (das „Bächle“ist der Vogelsandbach oder Sulztalbach, der durch den parkartigen Garten am Gebäude vorbei fließt). Es soll Frittlinger Senioren ermöglichen, ihren Lebensabend weiter im Dorf zu verbringen, auch wenn der Ort zu klein ist, um ein Seniorenheim einzurichten. Die vier barrierefreien Wohnungen, die sich in dem Haus befinden, konnte die Gemeinde alle vermieten. „Die Wohnungen waren gleich weg“, berichtet Bürgermeister Dominic Butz.
Die weiteren Komponenten des Gesamtpakets „Haus am Bächle“sind eine Senioren-WG und eine – noch einzurichtende – Tagesbetreuung. Von den elf Zimmern der Senioren-WG sind sieben recht schnell besetzt worden. Ein Ehepaar und fünf alleinstehende Personen im Alter von 78 bis 97 Jahren wohnen hier zusammen. „Die kennen sich teilweise von Kindesbeinen an“, so Anja Benne, Geschäftsführerin des Nachbarschaftshilfevereins Mikado, der die Betreuung der Bewohner übernimmt.
Als Koordinatorin bildet Anja Benne den Schnittpunkt zwischen Mikado (Mithilfe und Kontakte im Dorf e.V.) und den durch den Verein Frida und einen gewählten Sprecher vertretenen Bewohnern der Senioren-WG. Vier WG-Zimmer sind, wie gesagt, noch frei.
„Viele Leute sind noch skeptisch“, vermutet Anja Benne. „Vielleicht auch durch Corona, ich weiß es nicht.“Für viele sei es sicher auch eine „Riesenumstellung“vom eigenen Haushalt in eine Wohngemeinschaft zu ziehen. „Wir gehen aber davon aus“, so Frittlingens Bürgermeister Dominic Butz, „dass die WG in diesem Jahr noch voll wird“.
Die Senioren-WG ist für in Frittlingen lebende oder geborene Senioren gedacht. Voraussetzung ist mindestens Pflegestufe zwei, denn die pflegerischen Leistungen, die die Sozialstation Spaichingen-Heuberg übernimmt, werden über die Pflegeversicherung abgerechnet. Die nicht-medizinische Betreuung wie Hilfe bei der Haushaltsführung, Essenkochen, Einkaufen und anderes, aber auch Zusatzangebote wie Gymnastik, übernimmt der Nachbarschaftshilfeverein Mikado. Auch nachts steht ein Mitarbeiter von Mikado bereit.
Die Miete für ein Zimmer inklusive Betreuung und Haushaltsgeld für
Essen und Dinge des täglichen Bedarfs kostet 2100 Euro (zusammengesetzt aus – je nach Zimmergröße – zirka 550 Euro Zimmermiete, 1300 Euro für die Betreuung durch Mikado und 250 Euro Haushaltsgeld). Der Abmangel, der dadurch entsteht, dass noch nicht alle Zimmer vermietet sind, wird von der Vermieterin, der Gemeinde, getragen.
Die Haushaltskasse wird aber von der selbstbestimmten WG-Gemeinschaft selbst geführt und vom gewählten Bewohnersprecher Josef Bader sorgfältig dokumentiert.
Der Tag der WG im „Haus am Bächle“beginnt mit dem gemeinsamen Frühstück der Bewohner. Danach kann sich jeder in sein eigenes Zimmer zurückziehen oder die Angebote von Mikado nutzen. Zwischen 11 und 11.30 Uhr kommen dann die Bewohner wieder zusammen, um bei der Zubereitung des gemeinsamen Mittagessens mitzuhelfen, das um 12.30 Uhr auf dem Programm steht. Was in der Woche auf den Tisch kommt, machen die Bewohner jeweils am Freitag der Vorwoche untereinander aus. Nach dem Essen ist dann bis 15 Uhr Mittagsruhe.
Außerdem will der Verein Frida wöchentliche Unterhaltungsprogramme durch die örtlichen Vereine oder gelegentliche altersgerechte Ausflüge anbieten. „Aber das ist ja zur Zeit mit Corona Essig“, wie FridaVorsitzender Manfred Mattes feststellt.
Derzeit dürfen wegen Corona nur Angehörige die WG-Bewohner besuchen und auch das nur unter Einhaltung eines strengen HygieneKonzepts mit Maske und Desinfektionen. Demnächst soll ein mobiles Impfteam den WG-Besuchern Covid-Schutzimpfungen verabreichen.
Die Frittlinger Wohngemeinschaft im „Haus am Bächle“ist die erste selbstverwaltete Senioren-WG im Landkreis Tuttlingen. Selbstbestimmtes Wohnen für Senioren ist angesichts der wachsenden Zahl älterer Menschen aber ein Trendthema.
Wurmlingen etwa plant eine ähnliche Einrichtung. Das „Haus am Bächle“hat seinerseits Vorbilder in ähnlichen Senioren-WGs, etwa in Bötzingen im Kaiserstuhl, die sich die Verantwortlichen von Gemeinde, Frida und Mikado zuvor angesehen haben, und mit der man nach wie vor in regem Kontakt ist, um Erfahrungen – zum Beispiel im Umgang mit Corona – und Tipps auszutauschen.