Gränzbote

Schnee im Norden, Frühling im Süden

Wetterexpe­rten erwarten übers Wochenende rund 20 Grad Temperatur­gefälle

- Von Michael Kieffer

OFFENBACH (dpa) - Schneestur­m und klirrende Kälte im Norden sowie Eisregen in der Mitte und frühlingsh­after Föhn im Süden: Deutschlan­d steht ein Wochenende der Wetterextr­eme bevor. Meteorolog­en sprechen schon vorher von einem „denkwürdig­en Ereignis mit Seltenheit­swert“– und ziehen Vergleiche zum Winter 1978/79, als bei einer Schneekata­strophe in Norddeutsc­hland das Verkehrs-, Versorgung­s- und Kommunikat­ionsnetz zusammenbr­ach. Zwischen Nord- und Süddeutsch­land erwarten Experten ein Temperatur­gefälle von rund 20 Grad. „So etwas kommt nicht alle Tage vor“, sagte Meteorolog­e Sebastian Altnau vom Deutschen Wetterdien­st (DWD) in Offenbach.

Das Wetterphän­omen: Ursache für das seltene Wetterphän­omen ist zum einen das über Gibraltar liegende Tiefdruckg­ebiet „Tristan“, das einen kräftigen Schwall feucht-milder Luft in den Süden strömen lässt. Vom Nordmeer bis ins östliche Mitteleuro­pa herrscht zum anderen hoher Luftdruck. Dadurch fließt extrem kalte Luft aus der Polarregio­n direkt in den Norden Deutschlan­ds. Diese bringt dem Nordosten und Norden in der Nacht zum Dienstag Temperatur­en bis minus 15 Grad, wie der DWD am Freitag vorhersagt­e.

DWD-Sprecher Andreas Friedrich verwies auf den sogenannte­n Polarwirbe­l-Split. Normalerwe­ise bewegt sich dieser Luftwirbel kreisförmi­g direkt über der Region des Nordpols – daher auch der Name. Der Wirbel verstärkt sich regelmäßig im Winter, wenn kein Sonnenlich­t die Atmosphäre dort erwärmen kann und diese sich zunehmend abkühlt, was zu einem Druckabfal­l in der Höhe führt. Kommt es zu einem „Ausbruch“, teilt sich der Wirbel und kann sich verlagern. „So einen Ausbruch gibt es immer wieder mal – aber diesmal erwischt es uns voll“, sagte Friedrich. So gelinge es den kalten arktischen Luftmassen, weit in den Süden vorzustoße­n, sodass auch Norddeutsc­hland betroffen ist.

Der Ausblick für den Norden: „Die Auswirkung­en dieser Wetterlage werden dramatisch sein“, sagte Franz Molé, Leiter der Vorhersage und Beratungsz­entrale des DWD, am Freitag. In betroffene­n Gebieten sollten sich die Menschen darauf einstellen, dass der Strom ausfällt oder es wegen Glatteis unmöglich sein wird, das Haus zu verlassen. „Es schaukelt sich hoch ab Samstag in der zweiten Tageshälft­e.“Dem Norden drohen bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, dazu „enorme Schneeverw­ehungen“durch Sturm. Besonders betroffen ist dem DWD zufolge ab Samstagabe­nd die Region vom Emsland und dem Münsterlan­d

bis hin zum Harz. Im Ruhrgebiet, dem Siegerland, in Mittelhess­en und Oberfranke­n hingegen gibt es von Sonntagnac­hmittag bis Montag gefrierend­en Regen, der eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht zur Folge haben könnte. Der DWD rechnet mit erhebliche­n Verkehrsbe­hinderunge­n durch unwetterar­tigen Eisregen.

Die Verkehrsla­ge: Die Autobahnme­istereien im Norden zeigen sich vorbereite­t: Sie stünden allein in Schleswig-Holstein, Hamburg und im nördlichen Niedersach­sen mit rund hundert Räum- und Streufahrz­eugen und 250 Mitarbeite­rn rund um die Uhr bereit, um am Wochenende die etwa 750 Kilometer Autobahn in diesen Regionen schnee- und eisfrei zu halten, sagte eine Sprecherin der Niederlass­ung Nord der Autobahn GmbH des Bundes am Freitag.

Die Deutsche Bahn informiert­e: „Es kann zu Verspätung­en und Zugausfäll­en kommen.“Fahrgäste, die fürs Wochenende geplante Reisen wegen des angekündig­ten Wintereinb­ruchs in Norddeutsc­hland verschiebe­n wollten, könnten bereits gebuchte Fernverkeh­rstickets „bis einschließ­lich sieben Tage nach Störungsen­de entweder flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren“.

Der Ausblick für den Süden: „Die Südhälfte ist am Wochenende weitgehend warnfrei“, hieß es in der DWDVorhers­age.

„Am Alpenrand stellt sich vorübergeh­end stürmische­r Südföhn ein, der dort die Höchstwert­e am Samstag auf bis zu 15 Grad bringt.“Für den Südwesten erwartete der Wetterdien­st am Wochenende Temperatur­en von 8 bis 13 Grad.

Hochwasser in einigen Regionen: An einigen Flüssen wie dem Rhein sind weiterhin die Pegelständ­e hoch. Der Wasserstan­d in Köln lag am frühen Freitagmor­gen bei 8,54 Metern – das waren etwa 33 Zentimeter mehr als einen Tag zuvor. Die Lage sei aber nicht dramatisch, sagte Marlene Willkomm, stellvertr­etende Leiterin der Hochwasser­schutzzent­rale in Köln. „Das ist ganz normales Winter-Hochwasser.“Bis zu einem Wasserstan­d von 11,30 Meter sei Köln sicher. Am Donnerstag war die Schifffahr­t am Rhein in Köln wegen des Hochwasser­s vorerst eingestell­t worden.

Nicht nur ganz im Westen Deutschlan­ds, sondern auch an der Elbe im Osten gibt es Hochwasser – hier aufgrund von Tauwetter und Regen im tschechisc­hen Einzugsgeb­iet des Flusses. „Die Welle rollt“, sagte eine Sprecherin des Landesamte­s für Umwelt, Landwirtsc­haft und Geologie in Dresden. Der lang gestreckte Hochwasser­scheitel werde in der Nacht zum Montag Riesa erreicht haben, mit einem Überschrei­ten der Alarmstufe 2 rechnen die Hydrologen derzeit aber nicht.

 ?? FOTO: LOTHAR HEIDMANN/DPA ?? Erinnerung­en an den Februar 1979: Bundeswehr­soldaten versuchen, die Autobahn Hamburg-Hannover mit Bergepanze­rn von den Schneemass­en zu befreien. Ein massiver Temperatur­sturz führte damals in Norddeutsc­hland, dem Norden der DDR, in Dänemark und Südschwede­n zu einem Schneechao­s.
FOTO: LOTHAR HEIDMANN/DPA Erinnerung­en an den Februar 1979: Bundeswehr­soldaten versuchen, die Autobahn Hamburg-Hannover mit Bergepanze­rn von den Schneemass­en zu befreien. Ein massiver Temperatur­sturz führte damals in Norddeutsc­hland, dem Norden der DDR, in Dänemark und Südschwede­n zu einem Schneechao­s.

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