Schnee im Norden, Frühling im Süden
Wetterexperten erwarten übers Wochenende rund 20 Grad Temperaturgefälle
OFFENBACH (dpa) - Schneesturm und klirrende Kälte im Norden sowie Eisregen in der Mitte und frühlingshafter Föhn im Süden: Deutschland steht ein Wochenende der Wetterextreme bevor. Meteorologen sprechen schon vorher von einem „denkwürdigen Ereignis mit Seltenheitswert“– und ziehen Vergleiche zum Winter 1978/79, als bei einer Schneekatastrophe in Norddeutschland das Verkehrs-, Versorgungs- und Kommunikationsnetz zusammenbrach. Zwischen Nord- und Süddeutschland erwarten Experten ein Temperaturgefälle von rund 20 Grad. „So etwas kommt nicht alle Tage vor“, sagte Meteorologe Sebastian Altnau vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach.
Das Wetterphänomen: Ursache für das seltene Wetterphänomen ist zum einen das über Gibraltar liegende Tiefdruckgebiet „Tristan“, das einen kräftigen Schwall feucht-milder Luft in den Süden strömen lässt. Vom Nordmeer bis ins östliche Mitteleuropa herrscht zum anderen hoher Luftdruck. Dadurch fließt extrem kalte Luft aus der Polarregion direkt in den Norden Deutschlands. Diese bringt dem Nordosten und Norden in der Nacht zum Dienstag Temperaturen bis minus 15 Grad, wie der DWD am Freitag vorhersagte.
DWD-Sprecher Andreas Friedrich verwies auf den sogenannten Polarwirbel-Split. Normalerweise bewegt sich dieser Luftwirbel kreisförmig direkt über der Region des Nordpols – daher auch der Name. Der Wirbel verstärkt sich regelmäßig im Winter, wenn kein Sonnenlicht die Atmosphäre dort erwärmen kann und diese sich zunehmend abkühlt, was zu einem Druckabfall in der Höhe führt. Kommt es zu einem „Ausbruch“, teilt sich der Wirbel und kann sich verlagern. „So einen Ausbruch gibt es immer wieder mal – aber diesmal erwischt es uns voll“, sagte Friedrich. So gelinge es den kalten arktischen Luftmassen, weit in den Süden vorzustoßen, sodass auch Norddeutschland betroffen ist.
Der Ausblick für den Norden: „Die Auswirkungen dieser Wetterlage werden dramatisch sein“, sagte Franz Molé, Leiter der Vorhersage und Beratungszentrale des DWD, am Freitag. In betroffenen Gebieten sollten sich die Menschen darauf einstellen, dass der Strom ausfällt oder es wegen Glatteis unmöglich sein wird, das Haus zu verlassen. „Es schaukelt sich hoch ab Samstag in der zweiten Tageshälfte.“Dem Norden drohen bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, dazu „enorme Schneeverwehungen“durch Sturm. Besonders betroffen ist dem DWD zufolge ab Samstagabend die Region vom Emsland und dem Münsterland
bis hin zum Harz. Im Ruhrgebiet, dem Siegerland, in Mittelhessen und Oberfranken hingegen gibt es von Sonntagnachmittag bis Montag gefrierenden Regen, der eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht zur Folge haben könnte. Der DWD rechnet mit erheblichen Verkehrsbehinderungen durch unwetterartigen Eisregen.
Die Verkehrslage: Die Autobahnmeistereien im Norden zeigen sich vorbereitet: Sie stünden allein in Schleswig-Holstein, Hamburg und im nördlichen Niedersachsen mit rund hundert Räum- und Streufahrzeugen und 250 Mitarbeitern rund um die Uhr bereit, um am Wochenende die etwa 750 Kilometer Autobahn in diesen Regionen schnee- und eisfrei zu halten, sagte eine Sprecherin der Niederlassung Nord der Autobahn GmbH des Bundes am Freitag.
Die Deutsche Bahn informierte: „Es kann zu Verspätungen und Zugausfällen kommen.“Fahrgäste, die fürs Wochenende geplante Reisen wegen des angekündigten Wintereinbruchs in Norddeutschland verschieben wollten, könnten bereits gebuchte Fernverkehrstickets „bis einschließlich sieben Tage nach Störungsende entweder flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren“.
Der Ausblick für den Süden: „Die Südhälfte ist am Wochenende weitgehend warnfrei“, hieß es in der DWDVorhersage.
„Am Alpenrand stellt sich vorübergehend stürmischer Südföhn ein, der dort die Höchstwerte am Samstag auf bis zu 15 Grad bringt.“Für den Südwesten erwartete der Wetterdienst am Wochenende Temperaturen von 8 bis 13 Grad.
Hochwasser in einigen Regionen: An einigen Flüssen wie dem Rhein sind weiterhin die Pegelstände hoch. Der Wasserstand in Köln lag am frühen Freitagmorgen bei 8,54 Metern – das waren etwa 33 Zentimeter mehr als einen Tag zuvor. Die Lage sei aber nicht dramatisch, sagte Marlene Willkomm, stellvertretende Leiterin der Hochwasserschutzzentrale in Köln. „Das ist ganz normales Winter-Hochwasser.“Bis zu einem Wasserstand von 11,30 Meter sei Köln sicher. Am Donnerstag war die Schifffahrt am Rhein in Köln wegen des Hochwassers vorerst eingestellt worden.
Nicht nur ganz im Westen Deutschlands, sondern auch an der Elbe im Osten gibt es Hochwasser – hier aufgrund von Tauwetter und Regen im tschechischen Einzugsgebiet des Flusses. „Die Welle rollt“, sagte eine Sprecherin des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Dresden. Der lang gestreckte Hochwasserscheitel werde in der Nacht zum Montag Riesa erreicht haben, mit einem Überschreiten der Alarmstufe 2 rechnen die Hydrologen derzeit aber nicht.