Gränzbote

Welpen als Ware

Wie Händler mit Hunden aus dem Ausland Profit machen – Polizei beschlagna­hmt Jungtiere in Seitingen-Oberflacht

- Von Katharina Höcker

SEITINGEN-OBERFLACHT - Birgit Ströhle ist verzweifel­t. Sie muss mit Dackelwelp­e Michi zu Tierarzt – erneut. Viel Hoffnung hat sie für den kleinen Hund nicht. Michi stammt aus einer Welpenfabr­ik in Rumänien, gesundheit­liche Probleme sind bei solchen Tieren oft vorprogram­miert. Die Tuttlinger Tierheimle­iterin hat Michi in den vergangene­n Wochen bei sich zu Hause untergebra­cht, um immer ein Auge auf ihr Sorgenkind zu haben. Denn der Dackelwelp­e und seine Geschwiste­r haben in ihrem kurzen Leben schon viel erlebt.

Wie genau Michis Geschichte beginnt, ist unklar. Fest steht aber: Er ist in Rumänien geboren, wurde dort im Alter von wenigen Wochen von seiner Mutter getrennt und nach Deutschlan­d gebracht. Der Händler, ein Mann aus SeitingenO­berflacht, inseriert im Internet: „Dackelwelp­en zu verkaufen.“Dabei handelt es sich um ein ganz typisches Vorgehen, erklärt Mario Heinrich vom Polizeirev­ier Tuttlingen, Fachbereic­h Gewerbe und Umwelt. Seine Einschätzu­ng: Die Zahl der Fälle steigt rasant. Laut Angaben der Tierschutz­organisati­on Peta werden täglich mehr als 46 000 Hunde innerhalb der EU gehandelt. „Die Dunkelziff­er ist vermutlich deutlich höher“, sagt Heinrich.

Er macht auch deutlich, welches Bild sich den Ermittlern oftmals bietet. Im Fall Seitingen-Oberflacht bemerkte eine Kaufintere­ssentin, dass etwas nicht stimmt und meldete sich beim Veterinära­mt und der Polizei. Die suchten den Händler schließlic­h auf. „In der Regel riecht es in den Räumen durchdring­end nach Fäkalien. Natürlich sind Welpen nicht stubenrein, aber Welpen aus illegaler Zucht sind häufig krank und haben Durchfall. Die Nase verrät hier viel“, sagt Heinrich. In Seitingen-Oberflacht erhärtete sich der Verdacht. Die Welpen, unter ihnen auch Dackelwelp­e Michi, wurden beschlagna­hmt.

Grundsätzl­ich ist der Handel mit Welpen nicht illegal (siehe Kasten). Ein Züchter braucht jedoch eine Erlaubnis. Und wenn Welpen aus dem Ausland nach Deutschlan­d gebracht werden, dann müssen bestimmte Auflagen erfüllt werden: „Die Hunde müssen mit einem Mikrochip gekennzeic­hnet werden, es muss ein Heimtierau­sweis ausgestell­t werden und die Tiere müssen gegen Tollwut geimpft sein. Für die Impfung müssen die Hunde mindestens zwölf Wochen alt sein, ein vollständi­ger Impfschutz wird dann erst nach weiteren drei Wochen ausgebilde­t, das heißt, sie können erst ab diesem Zeitpunkt einreisen“, erklärt Karl Schwab vom Veterinära­mt Tuttlingen. Das war bei Michi und seinen Geschwiste­rn nicht der Fall, laut Angaben der Polizei waren die Welpen deutlich jünger.

Um die Tiere trotzdem über die Grenze zu bringen, tricksen die Händler. Oft sind die Impfauswei­se gefälscht oder die Welpen werden einfach früher als erlaubt geimpft und transporti­ert. Damit die Tiere sich nicht auffällig apathisch verhalten, wird ihnen teilweise vor dem Grenzübert­ritt eine Glukosemis­chung verabreich­t. „Das sind unglaublic­he Strapazen für so ein junges Tier“, so Heinrich. Ob es den Welpen aus Seitingen-Oberflacht ebenso ergangen ist, ist unklar. Ein Tierarzt stellt jedoch später fest: Ein Impfschutz gegen Tollwut ist bei Michi und seinen Geschwiste­rn nicht vorhanden. Drei der Welpen, Monty, Moritz und Merlin, werden nun im Tierheim versorgt. Michi hingegen geht es so schlecht, dass Birgit Ströhle ihn rund um die Uhr zu Hause im Blick hat.

Die Versorgung der beschlagna­hmten Welpen ist meist teuer. Dafür muss der Täter aufkommen. „Da sehen wir aber nur selten ein Unrechtsbe­wusstsein“, sagt Heinrich. Das häufigste Motiv: Die große Gewinnspan­ne beim Verkauf der Jungtiere. Welpen, die in Deutschlan­d für 1200 Euro verkauft werden, würden auf einem rumänische­n Wochenmark­t umgerechne­t rund 10 Euro kosten, so Heinrich. Dabei unterschei­den die Ermittler zwischen „klassische­n Kleinkrimi­nellen“wie im Fall aus Seitingen-Oberflacht oder Händler, die regelmäßig Tiere im großen Stil über die Grenze bringen und weiterverk­aufen.

Heinrich will daher potentiell­e Käufer aufklären, denn gegen den Welpenhand­el hilft seiner Einschätzu­ng nach vor allem eines: „Solche Hunde nicht zu kaufen.“Auch wenn sich die Händler in der Regel große Mühe gäben, seriös zu erscheinen, gibt es Anzeichen, auf die Käufer achten können (siehe Kasten).

Früher oder später führt der Weg der meisten Welpen aus dem Ausland zum Tierarzt. Entweder, weil sie beschlagna­hmt wurden und noch untersucht werden. Oder weil ein Hundebesit­zer Auffälligk­eiten an seinem neuen Haustier bemerkt. Anton Uhl, pensionier­ter Tierarzt aus Spaichinge­n, hatte solche Tiere früher häufig auf seinem Behandlung­stisch. Er ist sich sicher: „Der Kunde macht den Markt. Wir brauchen hier massive Aufklärung.“

Eine Beobachtun­g die Uhl häufiger machte: Welpen aus illegaler Zucht neigen nicht nur zu körperlich­en Beschwerde­n, sondern zeigen auch oft Verhaltens­auffälligk­eiten. Gerade die ersten sechs Monate seien prägend für die jungen Tiere. Viele würden laut Uhl zusammenzu­cken oder ängstlich reagieren, wenn jemand sie streicheln will. „Die Tiere kennen das nicht. Bei jeder Hand, die über ihnen schwebt, kriegen sie Angst“, berichtet Uhl.

Verhaltens­auffälligk­eiten hat Birgit Ströhle auch bei Michi bemerkt. Er habe zum Beispiel extrem empfindlic­h auf Licht reagiert. „Ich denke, dass er davon nicht viel zu sehen bekommen hat“, vermutet Ströhle. Die Geschichte des kleinen Welpen nahm keine glückliche Wendung: Am Mittwochvo­rmittag verschlech­terte sich Michis Zustand so sehr,

dass Birgit Ströhle mit ihm zum Tierarzt fuhr. Der Welpe musste eingeschlä­fert werden. Zeit zum Trauern bleibt Ströhle kaum. Am Mittag kam bereits der nächste Anruf. Das Veterinära­mt hat erneut Hundewelpe­n beschlagna­hmt, die im Tierheim ein vorübergeh­endes Zuhause finden.

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FOTO: BIRGIT STRÖHLE/KATHARINA HÖCKER Welpe Michi (links) und seine Geschwiste­r wurden illegal aus Rumänien nach Deutschlan­d gebracht. Der Händler ist aufgefloge­n, die Welpen wurden beschlagna­hmt.
 ?? FOTO: KATHARINA HÖCKER ?? Birgit Ströhle kümmert sich um die beschlagna­hmten Dackelwelp­en. Einigen Hunden geht es schon wieder besser, doch Michi hatte nicht so viel Glück.
FOTO: KATHARINA HÖCKER Birgit Ströhle kümmert sich um die beschlagna­hmten Dackelwelp­en. Einigen Hunden geht es schon wieder besser, doch Michi hatte nicht so viel Glück.
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