Welpen als Ware
Wie Händler mit Hunden aus dem Ausland Profit machen – Polizei beschlagnahmt Jungtiere in Seitingen-Oberflacht
SEITINGEN-OBERFLACHT - Birgit Ströhle ist verzweifelt. Sie muss mit Dackelwelpe Michi zu Tierarzt – erneut. Viel Hoffnung hat sie für den kleinen Hund nicht. Michi stammt aus einer Welpenfabrik in Rumänien, gesundheitliche Probleme sind bei solchen Tieren oft vorprogrammiert. Die Tuttlinger Tierheimleiterin hat Michi in den vergangenen Wochen bei sich zu Hause untergebracht, um immer ein Auge auf ihr Sorgenkind zu haben. Denn der Dackelwelpe und seine Geschwister haben in ihrem kurzen Leben schon viel erlebt.
Wie genau Michis Geschichte beginnt, ist unklar. Fest steht aber: Er ist in Rumänien geboren, wurde dort im Alter von wenigen Wochen von seiner Mutter getrennt und nach Deutschland gebracht. Der Händler, ein Mann aus SeitingenOberflacht, inseriert im Internet: „Dackelwelpen zu verkaufen.“Dabei handelt es sich um ein ganz typisches Vorgehen, erklärt Mario Heinrich vom Polizeirevier Tuttlingen, Fachbereich Gewerbe und Umwelt. Seine Einschätzung: Die Zahl der Fälle steigt rasant. Laut Angaben der Tierschutzorganisation Peta werden täglich mehr als 46 000 Hunde innerhalb der EU gehandelt. „Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher“, sagt Heinrich.
Er macht auch deutlich, welches Bild sich den Ermittlern oftmals bietet. Im Fall Seitingen-Oberflacht bemerkte eine Kaufinteressentin, dass etwas nicht stimmt und meldete sich beim Veterinäramt und der Polizei. Die suchten den Händler schließlich auf. „In der Regel riecht es in den Räumen durchdringend nach Fäkalien. Natürlich sind Welpen nicht stubenrein, aber Welpen aus illegaler Zucht sind häufig krank und haben Durchfall. Die Nase verrät hier viel“, sagt Heinrich. In Seitingen-Oberflacht erhärtete sich der Verdacht. Die Welpen, unter ihnen auch Dackelwelpe Michi, wurden beschlagnahmt.
Grundsätzlich ist der Handel mit Welpen nicht illegal (siehe Kasten). Ein Züchter braucht jedoch eine Erlaubnis. Und wenn Welpen aus dem Ausland nach Deutschland gebracht werden, dann müssen bestimmte Auflagen erfüllt werden: „Die Hunde müssen mit einem Mikrochip gekennzeichnet werden, es muss ein Heimtierausweis ausgestellt werden und die Tiere müssen gegen Tollwut geimpft sein. Für die Impfung müssen die Hunde mindestens zwölf Wochen alt sein, ein vollständiger Impfschutz wird dann erst nach weiteren drei Wochen ausgebildet, das heißt, sie können erst ab diesem Zeitpunkt einreisen“, erklärt Karl Schwab vom Veterinäramt Tuttlingen. Das war bei Michi und seinen Geschwistern nicht der Fall, laut Angaben der Polizei waren die Welpen deutlich jünger.
Um die Tiere trotzdem über die Grenze zu bringen, tricksen die Händler. Oft sind die Impfausweise gefälscht oder die Welpen werden einfach früher als erlaubt geimpft und transportiert. Damit die Tiere sich nicht auffällig apathisch verhalten, wird ihnen teilweise vor dem Grenzübertritt eine Glukosemischung verabreicht. „Das sind unglaubliche Strapazen für so ein junges Tier“, so Heinrich. Ob es den Welpen aus Seitingen-Oberflacht ebenso ergangen ist, ist unklar. Ein Tierarzt stellt jedoch später fest: Ein Impfschutz gegen Tollwut ist bei Michi und seinen Geschwistern nicht vorhanden. Drei der Welpen, Monty, Moritz und Merlin, werden nun im Tierheim versorgt. Michi hingegen geht es so schlecht, dass Birgit Ströhle ihn rund um die Uhr zu Hause im Blick hat.
Die Versorgung der beschlagnahmten Welpen ist meist teuer. Dafür muss der Täter aufkommen. „Da sehen wir aber nur selten ein Unrechtsbewusstsein“, sagt Heinrich. Das häufigste Motiv: Die große Gewinnspanne beim Verkauf der Jungtiere. Welpen, die in Deutschland für 1200 Euro verkauft werden, würden auf einem rumänischen Wochenmarkt umgerechnet rund 10 Euro kosten, so Heinrich. Dabei unterscheiden die Ermittler zwischen „klassischen Kleinkriminellen“wie im Fall aus Seitingen-Oberflacht oder Händler, die regelmäßig Tiere im großen Stil über die Grenze bringen und weiterverkaufen.
Heinrich will daher potentielle Käufer aufklären, denn gegen den Welpenhandel hilft seiner Einschätzung nach vor allem eines: „Solche Hunde nicht zu kaufen.“Auch wenn sich die Händler in der Regel große Mühe gäben, seriös zu erscheinen, gibt es Anzeichen, auf die Käufer achten können (siehe Kasten).
Früher oder später führt der Weg der meisten Welpen aus dem Ausland zum Tierarzt. Entweder, weil sie beschlagnahmt wurden und noch untersucht werden. Oder weil ein Hundebesitzer Auffälligkeiten an seinem neuen Haustier bemerkt. Anton Uhl, pensionierter Tierarzt aus Spaichingen, hatte solche Tiere früher häufig auf seinem Behandlungstisch. Er ist sich sicher: „Der Kunde macht den Markt. Wir brauchen hier massive Aufklärung.“
Eine Beobachtung die Uhl häufiger machte: Welpen aus illegaler Zucht neigen nicht nur zu körperlichen Beschwerden, sondern zeigen auch oft Verhaltensauffälligkeiten. Gerade die ersten sechs Monate seien prägend für die jungen Tiere. Viele würden laut Uhl zusammenzucken oder ängstlich reagieren, wenn jemand sie streicheln will. „Die Tiere kennen das nicht. Bei jeder Hand, die über ihnen schwebt, kriegen sie Angst“, berichtet Uhl.
Verhaltensauffälligkeiten hat Birgit Ströhle auch bei Michi bemerkt. Er habe zum Beispiel extrem empfindlich auf Licht reagiert. „Ich denke, dass er davon nicht viel zu sehen bekommen hat“, vermutet Ströhle. Die Geschichte des kleinen Welpen nahm keine glückliche Wendung: Am Mittwochvormittag verschlechterte sich Michis Zustand so sehr,
dass Birgit Ströhle mit ihm zum Tierarzt fuhr. Der Welpe musste eingeschläfert werden. Zeit zum Trauern bleibt Ströhle kaum. Am Mittag kam bereits der nächste Anruf. Das Veterinäramt hat erneut Hundewelpen beschlagnahmt, die im Tierheim ein vorübergehendes Zuhause finden.