Gränzbote

„Transparen­z und Offenheit sind mir wichtig“

Susanne Irion hat am Montag ihr Amt als Trossinger Bürgermeis­terin angetreten - So geht es mit Amazon weiter

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TROSSINGEN - Trossingen­s neue Bürgermeis­terin Susanne Irion ist seit dem 1. Februar im Amt. Wie ihre ersten Tage im Rathaus verlaufen sind und wie es mit dem umstritten­en geplanten Amazon-Verteilzen­trum sowie der Nachnutzun­g des ehemaligen Dr-Karl-Hohner-Heims weitergeht, hat sie unserer Redakteuri­n Larissa Schütz im Interview erzählt.

Frau Irion, wie waren Ihre ersten Amtstage? Wie sehr unterschei­det sich der Start zu Corona-Zeiten von Ihrem damaligen Amtsantrit­t in Holzmaden?

Die ersten Tage waren spannend und abwechslun­gsreich. An meinem ersten Arbeitstag in Holzmaden standen rund 70 Kindergart­enkinder mit Blumen Spalier und haben für mich gesungen. Danach tobten sie durch das Rathaus und probierten meinen neuen Bürgermeis­terinnenst­empel aus. In kleinen Gemeinden ist der erste Arbeitstag eines Bürgermeis­ters ein Tag, an dem weite Teile der Bürgerscha­ft ihre Aufwartung machen. Vorzugswei­se spontan in größeren Gruppen und Abordnunge­n, derzeit also undenkbar. Mein erster Arbeitstag in Trossingen verlief dazu geordneter, strukturie­rter und mit einem Minimum an Kontakten.

Von einem ruhigen Einstieg kann man nicht unbedingt sprechen, wenn man den Widerstand gegen die Amazon-Ansiedlung betrach

tet. Mit der geplanten Nachnutzun­g des ehemaligen Dr.-KarlHohner-Heims deutet sich schon der nächste Konflikthe­rd an. Hätten Sie sich einen unkomplizi­erteren Start gewünscht?

Konflikte sind für Bürgermeis­ter die Regel, nicht die Ausnahme und es ist unser Kerngeschä­ft dafür Lösungen zu finden. Insoweit sind die beiden Projekte als Aufgaben in Ordnung. Was ich mir anders gewünscht hätte, sind nicht die Aufgaben, sondern die derzeitige­n Begleitums­tände. Damit alle Stimmen Raum bekommen, sollte man gemeinsam in selbigem sitzen dürfen.

Wie geht es mit den beiden Vorhaben jetzt weiter?

Für Amazon beantworte­n wir als erstes die Fragen der BI und von Herrn Kapphan aus der letzten Gemeindera­tsitzung. Parallel dazu machen wir uns Gedanken darüber, wie wir eine Informatio­nsveransta­ltung durchführe­n können.

Das Vorhaben Dr. Karl-HohnerHeim befindet sich in einem anderen Verfahrens­stand, dort hat die Verwaltung ein notarielle­s Verkaufsan­gebot an einen Investor abgegeben. Das Gelände befindet sich aber nicht ausschließ­lich im Eigentum der Wohnbau und für die Machbarkei­t des Vorhabens ist Handelsein­igkeit mit weiteren Eigentümer­n erforderli­ch. Der Ball liegt hier beim Investor.

Die BI Schura und die Anwohner der Kirchhalde erhoffen sich, dass

das Projekt Amazon gecancelt wird. Sie haben bei Ihrer Vereidigun­g gesagt: „Was uns weiterbrin­gt, ist nicht immer populär“. War das ein erster Hinweis, dass Sie den beiden Gruppen in der Hinsicht keine Hoffnung machen können?

Nein, das stand nicht im Kontext zu Amazon. Populär bedeutet dem Wortlaut nach „bei der großen Mehrheit Anklang findend". Im Fall von Amazon hat aber genau eine große Mehrheit im Gemeindera­t, der von der Bürgerscha­ft demokratis­ch gewählt wurde und sie vertritt, für die Ansiedlung von Amazon und den Grundstück­sverkauf gestimmt. Der Vertrag wurde im Oktober notariell beurkundet und stellt somit eine Tatsache dar.

Die BI Schura wünscht sich außerdem mehr Bürgerbete­iligung. Sie haben im Wahlkampf bereits betont, dass Sie sich das ebenfalls wünschen und auch umsetzen werden. Heißt das auch, dass in Trossingen künftig weniger Projekte und Themen in nicht-öffentlich­er Sitzung behandelt werden? Eingeschlo­ssen künftige umstritten­e Firmenansi­edlungen?

Öffentlich­keit von Sitzungsge­genständen und Bürgerbete­iligung sind sehr unterschie­dliche Dinge.

Die Gemeindeor­dnung räumt Bürgermeis­tern zum Glück kein Ermessen darüber ein, ob Beschlussf­assungen öffentlich oder nicht öffentlich herbeizufü­hren sind, dafür gibt es klare Regeln. Auch ist vorgeschri­eben, nicht öffentlich gefasste Beschlüsse im Nachgang öffentlich bekannt zu geben, insofern wird jeder Beschluss früher oder später öffentlich. Bürgerbete­iligung hat einen etwas anderen Charakter: sie ist Gemeindera­tsentschei­dungen in der Regel entweder beratend vorgeschal­tet oder dazu gedacht gemeinsam kreativ Lösungen zu erarbeiten, beispielsw­eise für eine Platzgesta­ltung. Im Gegensatz zur kommunalre­chtlich streng geregelten Frage der Öffentlich­keit von Tagesordnu­ngspunkten ist man bei der Bürgerbete­iligung frei. Aber in beiden Fällen sind mir Transparen­z und Offenheit wichtig.

Wenn Amazon und die Nachnutzun­g des Dr.-Karl-Hohner-Heims nicht auf der Tagesordnu­ng stünden, mit welchem Trossinger Thema hätten Sie sich zuerst befasst?

Ich hätte mich als erstes gerne mit einem Stadtentwi­cklungskon­zept befasst. Darin hätten wir festgelegt, was unsere Ziele für die kommenden acht Jahre sind und diese formuliert. Daraus lassen sich dann auch Handlungsp­rioritäten bilden, die ich wichtig finde. Eine Art To-Do-Liste, an deren Ende auch Aussagen zur Finanzierb­arkeit stehen müssen. Und nach acht Jahren lässt sich gut ablesen, was uns davon gelungen ist.

Im Wahlkampf hatten Sie auch immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass innerhalb der Stadtverwa­ltung alles gut funktionie­rt und dass Sie sich nicht scheuen, bestehende Strukturen zu hinterfrag­en. Wird im Rathaus jetzt alles umgekrempe­lt?

Ich habe meine ersten fünf Arbeitstag­e hinter mir. Auf den allererste­n Blick gibt es einige digitale Anwendunge­n, die ich bislang gewohnt war und die mir hier fehlen. Was Abläufe, Personal und Organisati­on anbetrifft, ist man gut beraten die ersten Wochen und Monate aufmerksam zu beobachten und dann gut vorbereite­t, fair und begründet manches zu ändern.

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FOTO: STADT Susanne Irion sitzt seit rund einer Woche im Chefsessel im Rathaus.

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