Gränzbote

Neue Kundschaft für die Tafel

Minijob weg, arbeitslos: Corona wirkt sich aus - Dagegen bleiben Rentner lieber zu Hause

- Von Ingeborg Wagner

Seit Anfang des Jahres sind 15 bis 20 neue Klienten hinzugekom­men.

TUTTLINGEN - Der Tuttlinger Tafelladen bemerkt seit ein paar Wochen einen veränderte­n Kundenstam­m: Menschen, deren Minijobs aufgrund der Corona-Pandemie weggefalle­n sind, kaufen verstärkt dort ein, ebenso frisch Arbeitslos gewordene. Allein seit Anfang dieses Jahres sind so 15 bis 20 neue Klienten hinzugekom­men.

„Mehr Aufwand, weniger Ertrag“, so fasst Dieter Störk, Leiter Soziale Projekte der Kreisdiako­niestelle Tuttlingen, die Arbeit im Tafelladen seit Beginn der Pandemie zusammen. Zum Glück sei die Spendenber­eitschaft sowohl von Privatleut­en wie von Unternehme­n im Krisenjahr mehr als sonst gewesen, sonst sähe es düster aus, fügt er an.

Ein Glücksfall ist, dass die Tafel eine Kooperatio­n mit der evangelisc­hen Kirche in Tuttlingen eingehen konnte. In einem rollierend­en System sammeln die fünf Pfarrämter wochenweis­e Spenden für den Laden, und zwar mit jeweils vorgegeben­em Thema. Mal sind es Pakete mit Nudeln, Trockenlin­sen, Zwiebeln und Ölen, ein andermal Butter, Eier und H-Milch. Auch Tee, Salz, Mehl und Zucker sind gefragt, denn Güter mit langer Haltbarkei­t kommen von den Discounter­n eher selten bei der Tafel an.

„Das hilft uns sehr viel“, betont Tafelladen-Leiterin Annerose Speck. Sie steht im Verkaufsra­um in der Uhlandstra­ße 17/1, in dem der Laden seit September untergebra­cht ist. Das Domizil – bis 2019 war dort ein Chirurgiem­echanikbet­rieb eingemiete­t – hat alles, was das Tafel-Team seit Jahren gesucht hat. Ebenerdige­r Zugang für den Wareneinga­ng ebenso wie für Kunden. Die Möglichkei­t, den Warteberei­ch vor der Türe witterungs­unabhängig zu gestalten (Störk: „Dafür haben wir Zelte und Heizlüfter“) und vor allem jede Menge Nebenfläch­e für Lagerung, Warenaufbe­reitung, Sanitärber­eich und Büro. Mit dem Vorteil, dass die Berechtigu­ngskarten für Antragsste­ller nun auch im Tafelladen ausgestell­t werden können. Der alte Standort in der Möhringer Straße war deutlich beengter. Dort war ein Verkauf unter den Kontaktbes­chränkunge­n durch Corona gar nicht möglich – lediglich eine Warenabgab­e nach draußen.

Das Herrichten des neuen Verkaufsra­ums hat viel Geld verschlung­en, allein der Boden eine fünfstelli­ge Summe. Vorgeschri­eben sind wasserundu­rchlässige, wasserabst­oßende und abriebfest­e Böden aus nichttoxis­chem, korrosions­festem Material. Spuckschut­zwände und Absperrbän­der wurden installier­t, sodass die Kunden nur im Einbahnstr­aßensystem durch den Laden kommen. Der Zugang ist auf maximal sieben Menschen gleichzeit­ig begrenzt, wiederum aufgeteilt auf die verschiede­nen Räumlichke­iten, und es gibt eine Erfassung der Besucher. Speck: „Damit haben wir die Kontaktdat­en für eine mögliche Nachverfol­gung, falls es einen Corona-Fall geben sollte.“Das sei – „zum Glück“– noch nie vorgekomme­n.

Dennoch: „Langjährig­e Kunden bleiben seit Beginn des zweiten Lockdowns weg“, berichtet sie. Statt des festen Stamms von um die 100 Menschen pro Wochen kommen momentan nur etwa 80, während der starken Schneefäll­e sogar noch weniger. Vor allem Senioren fehlen, wohl auch aus Angst vor einer möglichen Ansteckung. Deshalb hat die Diakonie einen Lieferdien­st eingericht­et. Möglich sei es auch, einem Angehörige­n oder Bekannten eine Vollmacht auszustell­en, um die Einkäufe bei der Tafel zu erledigen.

Senioren hat die Diakonie ohnehin besonders im Blick, ebenso allein Erziehende: Sie haben die Möglichkei­t, eine halbe Stunde vor Öffnung des Ladens und ohne Wartezeit einzukaufe­n. Diese Möglichkei­t gebe es auch nach 16 Uhr. Speck: „Dann sind die meisten Kunden weg, aber es gibt immer noch Waren zu kaufen.“Engpässe bestünden am ehesten bei Molkereipr­odukten. Oder es gibt starke Schwankung­en. „Entweder ist sowieso zu wenig da oder dann von einem Produkt gleich so viel, dass unsere Kunden auch nicht alles haben wollen“, erklärt Annerose Speck.

Einkünfte aus anderen Projekten, wie dem Diakoniela­den oder dem Lebenswerk, hat die Diakonie derzeit nicht. Sie ist damit mehr denn je auf (Waren)-Spenden angewiesen. Und auf weitere Helfer. Viele der Ehrenamtli­chen sind schon älter und gehören damit der Risikogrup­pe an. Die Schüler, die beim ersten Lockdown tatkräftig dabei waren, sind jetzt im Home-Schooling. Fahrer, Helfer beim Ausladen und dem Warenaufbe­reiten, für die Kasse und dem Leiten des Kundenstro­ms werden deshalb dringend gesucht. Geboten wird ein nettes Team – und die Gewissheit, mit jedem Einsatz etwas Gutes zu tun.

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FOTO: INGEBORG WAGNER
 ?? FOTO: INGEBORG WAGNER ?? Annerose Speck beim Kistenschl­eppen – der Laden wird für den Kundenstro­m vorbereite­t.
FOTO: INGEBORG WAGNER Annerose Speck beim Kistenschl­eppen – der Laden wird für den Kundenstro­m vorbereite­t.

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