Stunk im Narrenhimmel
„Restriktives Vorgehen“sei so nicht abgesprochen gewesen – Landkreis weist Alkoholverbotszonen aus
„Zu restriktiv“: Drei Verbände kritisieren Polizeimaßnahmen für die Fasnet.
TUTTLINGEN/KONSTANZ (sz/dh) Keine Umzüge, keine Narrengerichte, keine großen Partys – dass alle großen Veranstaltungen rund um die Fasnet dieses Jahr ausfallen müssen, ist nachvollziehbar. Nur warum dürfen auch keine Narrenbändel hängen? Das Vorgehen der Polizei sei zu restriktiv, kritisieren nun drei große Narrenverbände der Region. Die Polizei sieht das, naturgemäß, anders.
Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte, Kurt Szofer, Präsident des Narrenfreundschaftsrings Schwarzwald-Baar-Heuberg und Rainer Hespeler, Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, haben sich für eine Stellungnahme zusammengetan. „Wir Narrenverbände sind höchst verwundert und zutiefst enttäuscht über das extrem restriktive Vorgehen des Polizeipräsidiums Konstanz gegen unsere Narrenzünfte“, heißt es darin.
Schon im September 2020 hätten die 14 Narrenverbände der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) südwestdeutscher Narrenvereinigungen alle Umzüge und Treffen für die Fasnet 2021 abgesagt. „Und das war auch richtig so, denn die Gesundheit der Akteure, Teilnehmer und Gäste muss oberste Priorität haben.“Auch Verhaltensregeln seien erarbeitet worden und man gehe generell sensibel mit dem Thema um, heißt es von den Narrenverbänden. Umso mehr wundern sich die Vereine nun über ein Schreiben des Polizeipräsidiums Konstanz, das an alle Narrenzünfte ging.
Darin wird an die Corona-Verordnung und die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen erinnert. „Närrisches Treiben stellt keinen triftigen Grund im Sinne dieser Vorschriften dar“, heißt es weiter. Beispiele, die für närrisches Treiben angeführt werden, sind neben Umzügen auch das Aufhängen von Fasnetsbändeln. Die Diskussion um die Bändel war, wie berichtet, in Möhringen entbrannt: Dort hatte der Verein sie zuerst aufgehängt, dann wieder abhängen müssen.
Das Schreiben sei ohne Rücksprache mit den Verbänden verschickt worden, heißt es weiter von den Verbänden. Es komme „einem kompletten Fastnachtsverbot sehr nahe“und bei Verstößen werde ein konsequentes Einschreiten angedroht. Zudem: „Unsere Zunftmeister wurden darüber hinaus von den Polizeiposten persönlich angerufen, um zu prüfen, ob sie das Schreiben gelesen haben und um strikte Einhaltung einzufordern“, schreiben die Verbände. Ein Zunftmeister habe gesagt: „Ich komme mir vor wie ein Verbrecher!“
Befremdlich sei die Art und Weise, wie die Narrenzünfte unter Druck gesetzt würden. „Dies kann nicht der Stil sein, wie man mit mündigen Bürgern umgeht, die sich hoch verantwortungsvoll im Ehrenamt engagieren.“Die Fasnet sei ein Kulturgut, „ein Fest der Sehnsüchte, der Mitmenschlichkeit, die soziale Schranken überwindet, Heimat vermittelt und fest im kulturellen Gedächtnis verankert ist.“
Die Narrenverbände bitten das Polizeipräsidium, das „konsequente Einschreiten“nochmals zu überdenken „und stattdessen mit dem nötigen Augenmaß und Fingerspitzengefühl unterwegs zu sein“. In anderen Polizeipräsidien des Landes werde nicht ganz so streng mit den Zünften umgegangen, das sei nur beim Polizeipräsidium Konstanz der Fall.
Das Polizeipräsidium Konstanz wiederum bestreitet, restriktiver unterwegs zu sein als andere Präsidien. Das werde nur zum Teil so interpretiert, „weil wir die Zünfte mit einem Schreiben nochmals auf die Rechtslage hingewiesen haben“, teilt Polizei-Pressesprecher Uwe Vincon mit. Das Schreiben hatte aber „rein präventiven Charakter und diente der Aufklärung, weil wir immer wieder feststellten, dass Personen bei routinemäßigen Kontrollen Unkenntnis der aktuellen Rechtslage reklamierten“, so Vincon.
Mit der verstärkten Kommunikation in Richtung der Zünfte hatte die Polizei dabei auf Unterstützung gehofft: „Gerade die Vorsitzenden der Zünfte haben sehr großen Einfluss auf ihre Mitglieder und wir haben durchaus auch positive Rückmeldungen auf die zusätzliche Kontaktaufnahme“, schreibt Vincon.
Was die Polizei unkommentiert lässt: Die Narrenverbände stellen in ihrem Schreiben die Strategie der Strenge generell in Frage: „Wir wissen, dass sich ein echter Narr die Fastnacht nicht komplett verbieten lässt. Wenn man so etwas tut und die Narren von der Straße treibt, treiben wir sie genau dahin, wo wir sie nicht haben wollen. Nämlich in die Hinterzimmer. Und dort sind die Gefahren einer Entstehung von Hotspots weitaus größer.“