Höchste Zeit für einen Fahrplan
Manche Diskussionen um den Schulbetrieb in Pandemiezeiten erinnern eher an ein absurdes Theater à la Samuel Beckett. Neuestes Beispiel: der Leitfaden verschiedener wissenschaftlicher Fachgesellschaften und Experten, wie Schule trotz Corona ablaufen kann. Diesen hat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Montag vorgestellt. Feste Gruppen, Masken tragen und regelmäßig lüften lauten die Empfehlungen für einen sicheren Unterrichtsbetrieb – also all das, was die Schulen vor den Schließungen längst gemacht haben.
Was überforderte Eltern und ihre Kinder statt weiterer, wenig erhellender Leitfäden dringend brauchen, ist ein Plan. Einer, der Wege zurück in die Schule aufzeigt. Es ist zum Beispiel unbegreiflich, dass Präsenzunterricht nicht etwa an Infektionszahlen geknüpft wird. In anderen Bereichen, etwa beim Aufheben der nächtlichen Ausgangsbeschränkungen, hatte Baden-Württemberg das doch auch vor. Schon vor Monaten hat das Robert-Koch-Institut hier klare Vorschläge vorgelegt: Ist die Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 pro 100 000 Einwohner in einem Landkreis, bleibt die Schule auf. Ist sie über 50, gibt es Fern- oder Wechselunterricht. Dazwischen wird abgewogen – so lautete die Empfehlung. Natürlich war das Ganze garniert mit den bekannten Infektionsschutzmaßnahmen.
Ärgerlich ist auch, dass selbst nach zehn Monaten Pandemie die Frage noch immer nicht abschließend geklärt ist, wie ansteckend Kinder sind. Dass sie keine Treiber der Pandemie seien, wie manche Politiker gerne betonen, ist ein irreführendes Argument für Schulöffnungen. Das Virus ist neu, niemand hat eine Grundimmunität. Somit ist keine spezielle Gruppe Treiber der Pandemie, sondern jeder trägt dazu bei.
Bei aller Unsicherheit ist es also oberste Aufgabe der Politik, zwischen Kindeswohl und Gesundheitsschutz abzuwägen – und dann nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Nicht irgendwie, sondern geknüpft an nachvollziehbare, planbare Mechanismen wie Inzidenzwerte.