Gränzbote

In Neuseeland grüßen sie anders

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Ein Kind großzuzieh­en, dazu brauche es ein ganzes Dorf, heißt es. Damit es bei verschiede­nen Gelegenhei­ten lernt, wie man sich nach den Vorstellun­gen der Altvordere­n zu verhalten hat. Zu diesem Prozess gehört es auch, sich artig den Fragen zu stellen und auf typische Ansprache älterer Menschen adäquat zu reagieren. Der Klassiker unter solchen Bemerkunge­n ist gewiss: „Oh mein Gott! Du bist aber groß geworden!“Solange Kinder und Jugendlich­e noch im Wachsen begriffen sind, begegnet ihnen diese Frage permanent.

Es wird erwartet, dass der oder die in dieser Weise Angesproch­ene artig grinst, vielleicht den Kopf ein wenig verlegen zur Seite neigt, drollig guckt. Nicht angezeigt sind Gegenfrage­n wie etwa: „Oh mein Gott! Sie sind aber alt geworden!“oder „Oh mein Gott! Sie haben aber viele Falten gekriegt!“Das verletzt die ungeschrie­benen Höflichkei­tsregeln. Auch wenn nicht ganz einzusehen ist, so persönlich­e Bemerkunge­n wie jene die Größe betreffend nicht mit einer ebenso persönlich­en kontern zu dürfen. Seit Ausbruch der Seuche sind Kinder wenigstens nicht mehr dazu gezwungen, jedermann artig die Hand zu geben.

Neuseeland­s Ureinwohne­r, die Maori, pflegen sich zur Begrüßung übrigens Stirn und Nase aneinander­zupressen. In Neuseeland können die so was machen, denn Neuseeland ist praktisch coronafrei. Bis es bei uns auch so weit ist, kann’s noch ein bisschen dauern. Bis dahin grüßen wir aus der Ferne. Aus der gnädigen Distanz sieht man auch nicht so genau, wie groß, alt oder faltig jemand schon geworden ist. (nyf )

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FOTO: DANITA DELIMONT/IMAGO IMAGES Platte Nasen trotz Corona.

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